Sean McFate: "The new rules of war"
Victory in the Age of Durable Disorder
William Morrow, an Imprint of HarperCollins
336 Seiten, ca. 20 Dollar
Wenn jeder sich ein Heer buchen kann
Kriegführen heißt Soldaten auf ein Schlachtfeld schicken. Heutzutage sind das immer häufiger private Söldner. Nana Brink spricht mit dem Politikwissenschaftler Sean McFate, der diese Entwicklung in seinem Buch untersucht hat.
Sean McFate weiß, wovon er in seinem Buch über Söldner schreibt: Er war selbst Fallschirmjäger, sagt er im Gespräch. "Ich habe für ein privates Militärunternehmen gearbeitet, in Afrika und Teilen von Europa. Dann bin ich ausgestiegen. Es ist eine trübe Insider-Branche."
Heute lehrt Sean McFate an der National Defense University in Washington, eine der Elite-Universitäten für Sicherheitskräfte in den USA. McFate weiß, warum er dem Söldner-Gewerbe den Rücken gekehrt hat:
"Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist: Ich gucke mich um und sehe wenig alte Leute in dieser Branche. Und ich wollte gründlicher darüber nachgehen, was sie für die internationalen Beziehungen bedeutet. Wenn man die Machtmechanismen ändert, wird das ganze politische System durcheinandergebracht. Darauf sind wir nicht vorbereitet. Wenn Leute heute von Macht sprechen, dann meinen sie immer noch Großmächte. Aber wir müssen uns auf einen Schock vorbereiten."
Heute lehrt Sean McFate an der National Defense University in Washington, eine der Elite-Universitäten für Sicherheitskräfte in den USA. McFate weiß, warum er dem Söldner-Gewerbe den Rücken gekehrt hat:
"Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist: Ich gucke mich um und sehe wenig alte Leute in dieser Branche. Und ich wollte gründlicher darüber nachgehen, was sie für die internationalen Beziehungen bedeutet. Wenn man die Machtmechanismen ändert, wird das ganze politische System durcheinandergebracht. Darauf sind wir nicht vorbereitet. Wenn Leute heute von Macht sprechen, dann meinen sie immer noch Großmächte. Aber wir müssen uns auf einen Schock vorbereiten."
Der Westen ist strategisch blind
Das Bild, das McFate also von der Zukunft zeichnet, ist mehr als düster. Spätestens der Krieg in Syrien zeige, wie sich das Bild von Kriegsführung geändert habe. In seinem Buch schreibt er:
Die Ordnung, die wir kennen, wird zerbrechen und durch etwas anderes ersetzt werden, etwas, das unbeherrschbar und archaisch ist. (...) In den nächsten Jahrzehnten werden wir Kriege ohne Beteiligung von Staaten erleben. Kriege werden im Dunklen geführt und mit geheimen Mitteln. Die Fähigkeit, etwas plausibel zu leugnen, wird im Informationszeitalter effektiver sein als Feuerkraft.
Sean McFates Kritik an der "strategischen Blindheit" der westlichen Welt, wie er es nennt, ist drastisch. Alle militärischen Unternehmungen der USA seit dem Zweiten Weltkrieg seien gescheitert, von Vietnam bis zu Afghanistan. Sie hätten weder Stabilität für die bekriegten Länder gebracht, noch – siehe die Anschläge vom 11. September – die USA vor Terroranschlägen bewahrt.
Als ehemaliger Militär geht McFate hart mit seinem ehemaligen Arbeitgeber ins Gericht. Sein Buch ist eine Provokation, weil er den USA und ihren Streitkräften unterstellt, sie seien nicht in der Lage, ihre strategische Ausrichtung zu überdenken. Nicht mehr Staaten allein würden die Kriege der Zukunft führen, sondern Terrororganisationen oder Söldnerheere:
Der Krieg geht in den Untergrund, und der Westen muss ihm dorthin folgen und seine eigene Version eines Untergrund-Krieges entwickeln.
Wer es sich leisten kann, kann militärische Macht einkaufen
Nicht das Wesen des Krieges, wie Brutalität und zunehmende Verrohung, hat sich geändert, sehr wohl aber die Spielregeln. McFate unterteilt seine "New Rules of War" – seine neuen Reglen für die Kriegsführung im 21. Jahrhundert – in zehn Kapitel, versehen mit zum Teil plakativen Überschriften. "Technologie wird uns nicht retten" heißt eine. Darin beschreibt er die technologische Überlegenheit der USA, die jedoch im asymetrischen Krieg gegen die Taliban nicht zum Erfolg geführt hat. Eine der wichtigsten Regeln heißt für ihn – und darin liegt auch seine Expertise – "Söldner werden die Schlachtfelder prägen".
"Das Söldner-Wesen hat sich in den letzten zehn Jahren komplett geändert", sagt McFate im Gespräch. "Wenn wir an Söldner denken, denken wir immer noch an Blackwater 2007 im Irak, die 17 Menschen getötet und eine immense politische Krise im Mittleren Osten verursacht haben. Aber das ist zehn Jahre her. Heute ist der Markt globalisiert und in allen Kriegsgebieten präsent."
Seit Jahren gibt es im UN-Menschenrechtsrat Bestrebungen, eine verbindliche Konvention über die Verpflichtung von privaten Sicherheitsfirmen voranzubringen. Bislang ohne konkretes Ergebnis. Jeder also kann sich ein Heer buchen, erklärt McFate:
"Der moderne Söldner-Handel funktioniert so: Man kann Spezial-Teams mieten, und das sind dann nicht etwa Hollywood-Figuren, sondern Profis. Jeder, der genug Geld hat, kann – warum auch immer – einen Krieg führen. Nigeria macht das, die Arabischen Emirate haben für den Jemen Söldner aus Lateinamerika gekauft. Wir haben das in Russland gesehen, das Söldner für seine Interventionen in der Ukraine und in Syrien angeheuert hat. Söldner zu engagieren liegt im Trend und jenseits aller Aufmerksamkeit. Wer wirklich etwas im Geheimen erledigen will, bucht nicht die CIA, sondern Söldner."
"Das Söldner-Wesen hat sich in den letzten zehn Jahren komplett geändert", sagt McFate im Gespräch. "Wenn wir an Söldner denken, denken wir immer noch an Blackwater 2007 im Irak, die 17 Menschen getötet und eine immense politische Krise im Mittleren Osten verursacht haben. Aber das ist zehn Jahre her. Heute ist der Markt globalisiert und in allen Kriegsgebieten präsent."
Seit Jahren gibt es im UN-Menschenrechtsrat Bestrebungen, eine verbindliche Konvention über die Verpflichtung von privaten Sicherheitsfirmen voranzubringen. Bislang ohne konkretes Ergebnis. Jeder also kann sich ein Heer buchen, erklärt McFate:
"Der moderne Söldner-Handel funktioniert so: Man kann Spezial-Teams mieten, und das sind dann nicht etwa Hollywood-Figuren, sondern Profis. Jeder, der genug Geld hat, kann – warum auch immer – einen Krieg führen. Nigeria macht das, die Arabischen Emirate haben für den Jemen Söldner aus Lateinamerika gekauft. Wir haben das in Russland gesehen, das Söldner für seine Interventionen in der Ukraine und in Syrien angeheuert hat. Söldner zu engagieren liegt im Trend und jenseits aller Aufmerksamkeit. Wer wirklich etwas im Geheimen erledigen will, bucht nicht die CIA, sondern Söldner."
Brauchen die USA in Zukunft eine Fremdenlegion?
Bisweilen allerdings begibt sich der ehemalige Söldner und jetzige Militär-Experte McFate auf abwegiges Gelände. Kritisiert er ein paar Kapital zuvor noch die Gefahr durch private Sicherheitsfirmen, schlägt er am Ende genau ähnliche Gebilde zur Bekämpfung asymmetrischer Konflikte vor. Die USA müssten "eine Fremdenlegion" bilden nach französischem Vorbild, schreibt er. Diese wäre nicht nur effektiver und kostengünstiger, sondern ...
... eine Fremdenlegion löst auch ein beständiges strategisches Problem. Die westliche Abneigung, Soldatensärge nach Hause bringen zu müssen, wäre kein Thema mehr, denn welcher Amerikaner interessiert sich schon für tote Söldner? Das würde den USA ein Strategiebuch in die Hand geben, das nicht auf Luftschläge beschränkt ist und auf Spezialkräfte, die eine Bedrohung immer nur kurzfristig lösen können. Die Fremdenlegion könnte für Jahre bleiben. Sie könnte – zum Beispiel – die iranischen Schattenkämpfer der Quds-Brigaden oder die Hisbollah jagen und russische "grüne Männchen" töten, die offiziell nicht existieren. Also wer würde sie vermissen?
Das Bild, das der ehemalige Söldner McFate vom Krieg zeichnet, ist nicht neu. Allerdings fügt er viele Facetten hinzu, die das Bild von der "neuen Unübersichtlichkeit" greifbarer machen. Krieg 4.0 ist nicht auf ein Schlachtfeld reduziert. Krieg 4.0 ist ein Szenario, das beständig sein Gesicht ändert und immer neue Strategien erfordert. McFates Argumentation mag wie im Falle der Fremdenlegion hemdsärmelig und unorthodox erscheinen. Im Kern jedoch bleibt sie stringend. Hier spricht ein Militärstratege, der Krieg danach beurteilt, wie er zu gewinnen ist. Er entledigt sich der Frage: Wie vertragen sich solche Regeln mit einer demokratischen verfassten Gesellschaft? Am Ende seines Regelwerks steht die Erkenntnis: Der Westen ist nicht vorbereitet auf den Krieg im 21. Jahrhundert.