Sean O’Toole: "Irma Stern. Afrikanerin in Europa, Europäerin in Afrika"

Fern von rassistischen Klischees

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Buchcover vor Hintergrund: Sean O’Toole "Irma Stern. Afrikanerin in Europa, Europäerin in Afrika"
Sean O’Toole kommentiert Irma Sterns Arbeit durchaus kritisch und zeichnet ein sehr differenziertes Bild dieser außergewöhnlichen Künstlerin. © Deutschlandradio / Prestel
Von Eva Hepper |
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Die Malerin Irma Stern war eine Wanderin zwischen den Kulturen. Geboren ist sie in Südafrika, ausgebildet wurde sie in Deutschland. In ihrer Heimat wird sie verehrt, hierzulande ist sie vergessen. Zu Unrecht, zeigt der Kunsthistoriker Sean O’Toole.
Das Gemälde zeigt eine schwarze Frau vor einem flächigen, gelben Hintergrund, in einem hochgeschlossenen, roten Gewand, mit hellem Umhang. Kopf und Hals sind von einem rosafarbenen, getupften Tuch bedeckt, das ein zartes Gesicht mit feinen Zügen und würdevollem Ausdruck umrahmt.
Irma Stern hat die "Frau des Watussi-Stammesfürsten" 1946 porträtiert. Das Bild besticht nicht nur wegen seiner kräftigen Farben und des energischen Pinselstrichs, sondern auch wegen des Sujets. Es gibt nicht viele Kunstwerke aus dieser Zeit, die Schwarze so zeigen: respektvoll und als starke Individuen.
Tatsächlich schuf die 1894 in Südafrika als Tochter deutsch-jüdischer Einwanderer geborene Irma Stern ein großes Œuvre, das sich jenseits der üblichen rassistischen Klischees und Stereotype bewegte. In ihrem Heimatland wird die Malerin dafür enorm verehrt.
In Deutschland aber, wo Irma Stern in den 1910er- und 1920er-Jahren ihre ersten künstlerischen Schritte tat, ist sie nahezu vergessen.

Zu Unrecht vergessen

Eine großzügig bebilderte Einführung will das nun ändern. Sie stammt von dem Kunsthistoriker Sean O’Toole, der - gestützt auf Briefe, Tage- und Künstlerbücher sowie Katalogtexte und Monografien - von einem Leben erzählt, das einem Abenteuerroman gleicht.
So war bereits die Kindheit Irma Sterns von weltpolitischen Ereignissen geprägt. Durch den Burenkrieg wurde die Familie 1901 gezwungen, Südafrika zu verlassen und nach Deutschland zu emigrieren. Erst 20 Jahre später siedelte Stern wieder zurück ans Kap – wegen der Nationalsozialisten schließlich endgültig.

Malerin der Moderne

Es waren die künstlerische Ausbildung in Deutschland, die wegweisende Freundschaft mit Max Pechstein und es waren frühe Ausstellungen – etwa in der Berliner Galerie Fritz Gurlitt –, die Irma Stern zu einer Malerin der Moderne werden ließen. Ihre Motive hingegen fand sie im Süden, wo sie bis zu ihrem Tod 1966 lebte.
Sean O’Toole erzählt wunderbar anschaulich; insbesondere von dem mentalen Spagat zwischen den Kulturen. In Berlin hatte Irma Stern am Kurfürstendamm gelebt; mit Theater- und Konzertbesuchen. In Kapstadt lockte das Paradies der Kindheit, das es so allerdings nicht mehr gab. Studienreisen nach Sansibar oder Belgisch-Kongo (heute Demokratische Republik Kongo) eröffneten neue Welten.

Ein reicher Bilderschatz, kritisch eingeordnet

Davon zeugen die Bilder Irma Sterns, von denen viele in dem Buch zu sehen sind. Sean O’Toole kommentiert sie durchaus kritisch, wenn er zeigt, dass die meisten zwar revolutionär modern waren – in der prüden und reaktionären Kolonialgesellschaft schockierten sie geradezu –, die Künstlerin aber dennoch ein Kind ihrer Zeit blieb. Politische Themen, etwa die Rassentrennung, fanden keinen Eingang in ihre Arbeit.
So zeichnet der Kunsthistoriker ein differenziertes Bild dieser außergewöhnlichen Künstlerin. Er macht deutlich, dass Irma Stern zu Unrecht in Deutschland vergessen wurde und setzt sie endlich wieder auf die Agenda. Weitere Forschung dürfte und sollte nun folgen.

Sean O’Toole: "Irma Stern. Afrikanerin in Europa, Europäerin in Afrika"
Übersetzt von Nikolaus G. Schneider
Prestel, München 2020
160 Seiten, 25 Euro

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