Sechs Monate Corona – Wie geht es Ihnen?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer von 9 bis 11 Uhr mit dem Mediziner Patrick Larscheid und der Psychologin Elisabeth Raffauf. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de.
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Wie geht es Ihnen?
70:38 Minuten
Sechs Monate Corona-Alltag - das ist ein Leben mit Abstands- und Hygieneregeln, Homeoffice, Homeschooling und Reisewarnungen. Für den Besuch im Pflegeheim gibt's strenge Regeln, und das gilt auch für Restaurant, Theater und Kino. Wie geht es Ihnen damit?
Der 22. März 2020 wird in die Geschichte eingehen: Angesichts der Corona-Pandemie beschloss die Bundesregierung einen bis dahin nie verhänten Lockdown. Schulen und Kitas wurden geschlossen, Krankenhäuser und Pflegeheime erließen Kontaktverbote, Firmen schickten ihre Mitarbeitenden in Kurzarbeit und Homeoffice, Restaurants, Theater und Kinos mussten monatelang schließen. Keine Partys mehr, keine Konzerte. Urlaub in Brandenburg statt auf Malle.
Mittlerweile sind die Schutzmaßnahmen gelockert, aber die Angst vor der nächsten Infektionswelle bleibt. Wie kommen wir damit klar? Und wie können wir die kommenden Monate gut überstehen?
Die seelische Belastung durch Corona
"Es macht etwas mit einem, dieser Abstand, auch die Frage: Dürfen wir uns umarmen? Das ist schon eine Riesenverunsicherung", sagt Elisabeth Raffauf, Psychologin, Erziehungs- und Familientherapeutin mit eigener Praxis in Köln. "Es macht die Leute auch traurig oder einsam. Das triggert etwas, und bei jedem ist es etwas Anderes. Ältere fühlen sich abgelehnt, an manchen Stellen spaltet es Freundschaften und Bekanntschaften."Die Zeit des Lockdowns habe bei Familien Spuren hinterlassen: "Seelisch war das für manche Familien zu viel."
Ihr Rat: Miteinander reden und Sorgen aussprechen. "Kinder nehmen viel aus dem Verhalten ihrer Eltern mit. Wenn Eltern unsicher sind, dann verunsichert das auch die Kinder. Das Motto `Das sagen wir unseren Kindern nicht´ klappt nicht."
Welche Schutzmaßnahmen sind sinnvoll, welche nicht?
"Jetzt ist Zeit für eine differenzierte Betrachtung; wir sind aktuell in einer Umbruchphase", sagt Dr. Patrick Larscheid. Der Mediziner leitet das Gesundheitsamt im Berliner Bezirk Reinickendorf und ist für mehr als 365.000 Menschen zuständig. Die Schließung von Kitas oder Schulen empfiehlt Larscheid nicht: "Kinder sind nicht die Treiber der Infektion. Da hat die Europäische Seuchenschutzbehörde sehr zur Beruhigung beigetragen: Sie sagt, dass nach wie vor nicht zu erwarten sei, dass es Kind-zu-Kind-Übertragungen in Schulen geben wird. Wir sind immer wachsam, aber hinsichtlich der Schulen überhaupt nicht besorgt." Anders sehe es aus in Pflegeheimen: Alte und Kranke müssten besonders geschützt werden. Aber auch hier müsse genau abgewogen werden, mit welchen Maßnahmen.
"Wir müssen einen Weg finden, damit umzugehen."
Der Mediziner plädiert für eine gesellschaftliche Debatte: "Was wollen wir eigentlich? Was akzeptiert ihr in Zukunft – und vor allem: Wann ist Schluss?" Corona werde uns weiter beschäftigen – auch, wenn es einen Impfstoff geben sollte. "Wir werden an den Punkt kommen, wo wir die normalen Lebensrisiken akzeptieren müssen. Wir müssen einen Weg finden, damit umzugehen."
(sus)