Sechsstundentag in Schweden

Kürzer arbeiten bringt viele Vorteile

Eine schwedische Flagge im Hafen von Göteborg, aufgenommen am 31.07.2010.
Eine schwedische Flagge im Hafen: Göteborg ist das Zentrum der Sechsstundentag-Bewegung. © picture alliance / dpa / Hinrich Bäsemann
Von Carsten Schmiester |
In Schweden wird an verschiedenen Orten der Sechsstundentag getestet. Die Mitarbeiter einer Göteborger Autowerkstatt freuen sich über mehr Freizeit, die Kunden über besseren Service. Trotz höherer Kosten macht der Chef dort sogar mehr Gewinn.
"Nichts ist unmöglich", dürfte sich der Chef einer Autowerkstatt in Göteborg vor 14 Jahren gedacht haben, als er eine kleine Revolution startete: Statt in einer Acht-Stunden-Schicht ließ er seine Leute – versuchsweise – zwei Mal je sechs Stunden am Tag arbeiten, ohne ihnen weniger Lohn zu zahlen.
Das Ergebnis: Durch die längere Öffnungszeit der Werkstatt sind die Mehrkosten für zusätzliche Mitarbeiter ausgeglichen, der Gewinn ist um ein Viertel gewachsen, alle sind happy. Auch die Kunden, weil sie weniger warten müssen und in der Werkstatt weniger Fehler passieren, und natürlich auch die Mitarbeiter. Mats Götesson ist einer von ihnen:
"Ist doch klar, dass ich es wesentlich angenehmer finde, nur sechs Stunden am Tag zu arbeiten. So kann auch ich jetzt auch mal die Kinder von der Schule abholen, Mittagessen für sie kochen oder ihnen bei den Hausarbeiten helfen. Das fühlt sich richtig gut an!"

Neugier bei privaten und öffentlichen Unternehmen

Die guten Erfahrungen der Autowerkstatt haben längst auch andere private und öffentliche Unternehmen neugierig gemacht. Der Sechsstundentag wird an verschiedenen Orten in Schweden ausprobiert. Aber wohl besonders häufig in Göteborg. Da hat, neben 81 anderen Altenpflegerinnen und –pflegern, Kafiye Taspinar Glück. Sie ist 44 Jahre alt und arbeitet im Svartedalen-Heim – zwei Stunden weniger pro Tag als früher.
Seit mehr als einem Jahr läuft der Test, zwei Jahre sind geplant, dann wird endgültig Bilanz gezogen. Für Kafiye steht aber schon jetzt fest: Alles super!
"Natürlich hat man dadurch ein bisschen mehr Zeit, einige Extrastunden für sich selber und für die Familie. Das war vorher ja nicht so und es fühlt sich richtig gut an. Wir sind jetzt ausgeruhter und wacher, bieten unseren Bewohnern besseren Service und machen einen besseren Job. Man braucht ja Kraft, besonders wenn man - wie wir - mit Personen mit Demenz arbeitet."
Auch Bengt Lorenzon sieht das so, er leitet in Göteborg das Projekt Sechsstundentag:
"Ja, unser Personal findet das sehr positiv. Die Leute sind weniger gestresst und haben mehr Freiraum. So fühlen sie sich glücklicher und haben mehr Energie, und das wiederum merken auch unsere Bewohner. Die finden es natürlich gut.

Krankmeldungen sind gesunken

Ähnlich positiv sieht es auch bei anderen Tests aus. Etwa in einem Krankenhaus wieder in Göteborg, auch da läuft der Versuch noch – ebenfalls mit positivem Zwischenergebnis: Die Mitarbeiter melden sich selbst seltener krank und sind deutlich produktiver, was in diesem Fall bedeutet: mehr Operationen!
Wissenschaftler haben übrigens herausgefunden, dass Menschen ohnehin nur vier bis fünf Stunden am Tag bei voller Leistung arbeiten können. Also – warum nicht den Sechsstundentag für alle und sofort? Ganz einfach, weil er teuer ist! Es braucht mehr Arbeitskräfte und dafür fehlt anscheinend besonders den öffentlichen Arbeitgebern das Geld.
In Göteborg gibt es schon Überlegungen, die Versuche dort allen Erfolgen zum Trotz vorzeitig zu stoppen. Begründung: Wir wecken da falsche Hoffnungen, denn langfristig können wir uns das nicht leisten.
Aber es gibt eine Alternative – mehr Flexibilität! Und das wird in vielen schwedischen Betrieben schon längst praktiziert: Man kann fast überall in Absprache mit dem Chef einen Tag mal weniger, dafür den anderen mehr arbeiten, oder – und damit wirbt das Schwedische Institut sogar ganz offiziell im Ausland um qualifizierte Arbeitskräfte – man erledigt ganz einfach einen Teil der Arbeit von zu Hause.
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