"Seder" - der Auftakt zum Pessach

Das zentrale jüdische Fest

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Ein gedeckter Seder-Tisch. Seder ist ein jüdisches Fest, bei dem in bestimmte Speisen in einer festgelegten Reihenfolge verzehrt werden
Festgelegte Speisefolge: Der traditionelle Seder-Teller. © picture alliance/Bildagentur-online
Von Evelyn Bartolmai |
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In diesen Tagen feiern die Juden ihr mehrtägiges Pessach-Fest. Pessach beginnt mit dem "Seder"-Abend: Die Festtafel ist voller Symbole, bestimmte Speisen sind in einer vorgegebenen Reihenfolge zu verzehren und vier Becher Wein zu trinken.
Mit einem Lied beginnt traditionell der Seder, der festliche erste Abend von Pessach. Nach der Tradition stellt das jüngste Kind in der Runde die Frage, was diese Nacht von allen anderen unterscheidet. Im Chor antworten die Tischgenossen, dass wir Mazza und bittere Kräuter essen, diese sogar noch zweimal in Salzwasser eintauchen, und dass wir in dieser Nacht alle auf bequemen Stühlen und angelehnt sitzen.

Keine genuin jüdische Idee

Der Abend heißt Seder, weil nichts dem Zufall überlassen bleibt, alles folgt einer bestimmten Ordnung, ist also in Ordnung - "beseder", wie es auf Hebräisch heißt. Das Eingangslied hat bereits die wichtigsten Elemente dieses Abends genannt, aber längst nicht alle Geheimnisse des Pessach-Seders gelüftet. Und die erste Überraschung ist, dass der Brauch, Wein, und gar noch vier Gläser, zu trinken, keineswegs eine genuin jüdische Idee war, wie der Übersetzer und Religionswissenschaftler Daniel Ben Khamed aus Jerusalem erklärt:
"Ursprünglich ging es ja bei diesem Pessach-Opfer im Tempel um die drei Hauptelemente Pessach, Mazza und Maror, also das Pessach-Opfer an sich, das ungesäuerte Brot, die Mazzen, und das Bitterkraut. Aber der Wein war eigentlich nicht Hauptbestandteil dieses Opfers, der muss wohl erst später hinzugekommen sein. Und zwar war es üblich in der Römerzeit - und damit ist gemeint, also die Römer, die in Israel geherrscht haben und natürlich auch kulturell die Sitten beeinflusst haben- damals also war es üblich bei reichen Leuten vor einer wichtigen Mahlzeit im Vorraum den ersten Becher Wein einzunehmen, meistens noch stehend, vielleicht auch sitzend. Jedenfalls war das ein Toast, der ausgesprochen wurde auf den Tag, und es wurde auf die Besonderheit des Tages hingewiesen und warum man sich hier versammelt habe."

Ein Brauch des Weintrinkens als freie Menschen

Dem entspricht am Seder-Abend der erste Becher, den man zum Segensspruch trinkt. Danach folgt das Glas "jain sche betoch ha mason" - der Wein zwischen Vorspeise und Hauptgang, und man lauscht der dramatischen Geschichte vom Auszug aus Ägypten, derweil man selbst wohlig auf weichen Kissen sitzt.
"Das ist auch wieder nur mit dem Blick auf diesen römischen Kontext zu erklären: hingestreckt auf Liegen, was als Zeichen von Freiheit und Reichtum galt, deswegen lehnen wir uns ja auch an während des Pessach-Abends, um uns an diese Sitte zu erinnern, und da wurde dann der zweite Becher Wein gereicht, das war dann nach der Vorspeise die Hauptmahlzeit in diesem eigentlichen Speisezimmer. Das war dann der zweite Becher Wein, der allgemein üblich war und getrunken wurde."
Der dritte Becher, auf Hebräisch "jain schel achar hamason", wird nach dem Tischgebet getrunken.
"Und weil wir am Ende noch mal auf die Besonderheit des Abends hinweisen und das Dankgebet, das Hallel, aussprechen, eine Sammlung von Psalmen, die Gottes Wundertaten in Ägypten preisen, wurde dann zu dieser Gelegenheit noch ein vierter Becher Wein getrunken, und somit kommen wir auf die vier Becher."
Dieser schöne, aber dennoch fremde Brauch des Weintrinkens als freie Menschen, wurde alsbald von den Weisen auch "lokalisiert" und mit jüdischen Inhalten gefüllt.
"Ich werde euch bringen", das ist die Vollendung der Erlösung, und die traditionellen vier Gläser, die im Laufe des langen Abends getrunken werden, symbolisieren die verschiedenen Etappen, die dorthin führen.

Vier Gläser als Symbole für vier Befreiungen

Eine andere Tradition besagt, dass die vier Gläser Wein, die wir zu Pessach trinken, der Befreiung von den verschiedenen Fremdherrschaften entsprechen, denen die Kinder Israel und später das jüdische Volk unterworfen waren.
Das erste Glas symbolisiert die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei, das zweite trinken wir aus Dankbarkeit für die Rückkehr aus dem babylonischen Exil. Mit dem dritten Glas erinnern wir uns, dass das Joch der griechischen und römischen Fremdherrschaft abgeschüttelt werden konnte, und das vierte Glas schließlich feiert die Rückkehr des in alle Welt zerstreuten Volkes in seine verheißene Heimat Israel.
In dieser Phase befinden wir uns heute, sagt Rabbiner Zvi Landau. Viele sind bereits zurückgekehrt, aber die große Vision eines freien Volkes in seinem Land, wie es nicht nur die Bibel beschreibt, sondern auch die israelische Nationalhymne postuliert, ist eben noch nicht verwirklicht. Und deshalb hat es auch bis heute noch seine Berechtigung, wenn der vierte Becher Wein zu Pessach mit dem Trinkspruch "Nächstes Jahr in Jerusalem" geleert wird.
"Auch wenn Juden außerhalb von Israel heute nicht mehr in einem erzwungenen Exil leben, haben sie es aber trotzdem noch nicht geschafft, die Vision eines Volkes zu verwirklichen. Wir haben angefangen damit, wir leisten viel Gutes dafür in Israel und sind auch führend in verschiedenen Bereichen, aber wir haben es eben noch immer nicht geschafft, unsere Identität wirklich zu formen. Weder in Israel ist uns das bisher gelungen, und im Ausland schon gar nicht. Und das ist das vierte Exil, das ist der Traum auch und nicht nur von Pessach, diese Vision eines Volkes mit klarer jüdischer Identität zu verwirklichen. Daher gilt dieses vierte Glas weniger einer schon erfolgten Erlösung, sondern es drückt vielmehr die Hoffnung aus, dass wir auch diese letzte Stufe der Erlösung, dieses Ziel in der Zukunft erreichen mögen."

Manche folgen auch der feministischen Tradition

Ein fünftes Glas gibt es in jedem Fall noch auf dem Sedertisch. Es gilt dem Propheten Elias oder Elijahu auf Hebräisch, der die Ankunft des Messias und damit die bevorstehende Erlösung ankündigt. Ursprünglich war es ein feministischer Brauch, aber besonders in Israel hat es sich weit verbreitet, neben das Glas für Elijahu auch noch eines für Mirjam, die Schwester von Moses, zu stellen, erzählt Rabbiner Landau, selbst stolzer Vater zweier Töchter, eine davon natürlich mit Namen Mirjam:
"Der Brauch, auch das Glas für Mirjam zu feiern, wird bei uns so gepflegt, dass in diesem Glas kein Wein, sondern Wasser ist. Denn Mirjam war ja während der Wüstenwanderung dafür verantwortlich, dass die Kinder Israel immer genug Wasser hatten. Ebenso wie das Glas für Elijahu ist es ein symbolisches Glas, das genau für unsere Hoffnung auf die Erlösung steht."

"Bewahrt die Tradition"

Ganz egal, ob man den Seder traditionell, feministisch oder gar vegetarisch feiert – Pessach ist das zentrale jüdische Fest, das Identität formt und festigt, wie noch einmal Rabbinerin Judith Edelman-Green betont:
"Ich glaube aus ganzem Herzen, dass wir unseren Kindern die Tradition weitergeben müssen. Wenn ich meinen Kindern nur sage, bewahrt die Tradition, das ist eine sehr wichtige Nacht auch für euch, dann bewirkt das gar nichts bei ihnen. Aber wenn wir die Mazza hochheben und zeigen, wenn wir das Glas erheben, dann zelebrieren wir etwas gemeinsam und bewahren es auch gemeinsam. Wir singen dieselben Lieder und lesen dieselben Geschichten, das geht dann nicht nur in Fleisch und Blut über, sondern es formt auch die persönliche Identität und ihre jüdische Seele. Und ich hoffe, dass sie genau das auch ihren Kindern einmal weitergeben werden."
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