Seehofers Asyl-Pläne

Lösungsorientiert statt lautsprecherisch

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) steht am Rednerpult und gestikuliert.
Unter Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer habe die CSU an Bedeutung verloren, so Watzke. © David Ebener, dpa picture-alliance
Von Michael Watzke |
Die Asyl-Initiative der CSU gehe in die richtige Richtung, kommentiert Michael Watzke, weil sie die Wartezeit der Antragsteller verkürze. Vielleicht gelingt es Horst Seehofer ausgerechnet mit diesem Thema, Vertrauen zurückzugewinnen, so unser Bayern-Korrespondent.
Omar lernt Deutsch. Dreimal die Woche büffelt der Zahnarzt aus Syrien im Asylbewerberheim Thannhausen bei Augsburg Vokabeln und Grammatik. Ich muss deutsch lernen, sagt der 33-Jährige Kriegsflüchtling. Ich will hier irgendwann als Mediziner arbeiten. Als Hausaufgabe sollte Omar einen deutschen Satz schreiben, der seine neue Heimat beschreibt.
Er formulierte: In Bayern geht es nicht schnell, sondern genau. Wenn man Omar aus Damaskus beim Sprachkurs in Schwaben beobachtet, hat man nur einen Wunsch: dass die zuständigen Behörden seinem Asylantrag stattgeben und Omar in Deutschland bleiben darf.
Zwei quälend lange Jahre Wartezeit
Und hier ist das Problem: wenn Omar Pech hat, muss er zwei Jahre oder länger auf seinen Asylbescheid warten. Zwei quälend lange Jahre, ohne zu wissen, wie es weitergeht. In Bayern geht es nicht schnell, sondern genau. Aber weder Bayern noch Deutschland kann es sich leisten, Menschen und ihre Zukunft auf die lange Bank zu schieben.
Deshalb geht die Asyl-Initiative, die die CSU in dieser Woche ankündigte, in die richtige Richtung. Es stimmt etwas nicht, wenn Bürgerkriegsflüchtlinge, deren Asylanträge zu mehr als 80% erfolgreich sind, darunter leiden, dass ihre Anträge im System feststecken. In einem Flaschenhals, der auch dadurch entsteht, dass andere Asylbewerber eine Flut von Anträgen stellen, die zu 99% abgelehnt werden.
Ein Flüchtling aus Eritrea sitzt am 31.10.2014 in München (Bayern) in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber auf dem Gelände der Bayernkaserne vor bunt bemalten Hallentoren.
Ein Flüchtling aus Eritrea in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Bayern.© dpa/Tobias Hase
Die Behörden müssen die Verfahren schneller abschließen. Sie brauchen mehr Sachbearbeiter und Verwaltungsrichter. Wir sind es Flüchtlingen schuldig, viel schneller Klarheit darüber zu schaffen, ob jemand bleiben darf oder nicht. Wer bleiben darf, braucht mehr Sprach- und Sozialförderung. Wer nicht bleiben darf, muss gehen.
Vor zwei Jahren hat die CSU den Satz geprägt: „Wer betrügt, der fliegt". Das war eine dumme Kampagne. Nicht, weil es falsch wäre, Ausländer, die in Deutschland wiederholt straffällig werden, in ihre Heimat abzuschieben. Nur ist es in der Praxis nicht leicht umzusetzen. Es scheitert an vielerlei juristischen Hürden. Das wusste und weiß auch die CSU. Sie unternahm damals nichts Substantielles, um diese Hürden wegzuräumen. Sie reimte stattdessen einen flotten Spruch, um Ressentiments zu bedienen.
Seehofers ausgewogene Rede
Diesmal scheint es anders zu sein. Darauf deutet zumindest die sehr ausgewogene und überlegte Rede hin, die Bayern Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer in dieser Woche im bayerischen Landtag hielt. Darin war nicht die Rede von "Wer betrügt, der fliegt." Stattdessen umriss Seehofer ein Konzept, mit dem die zuständigen Behörden Asyl-Verfahren tatsächlich beschleunigen könnten. Zu diesem Konzept gehört es, Bürgerkriegs-Flüchtlinge von Balkan-Flüchtlingen zu trennen. Auch räumlich. Wer das "Selektion" nennt und Nazi-Parallelen bemüht, der hat vor lauter Zynismus verlernt, Probleme zu benennen und zu lösen.
Der Plan, in Grenznähe zwei große Aufnahmelager für serbische, albanische und mazedonische Flüchtlinge zu eröffnen, hat den Vorteil, dass zehntausende Asylverfahren viel schneller bearbeitet werden könnten. Ob in Tagen oder Wochen, wie die CSU verkündet, sei dahingestellt. Aber selbst, wenn es einen Monat dauert, wäre das um so viel besser als jahrelange Wartefristen für alle Asyl-Bewerber. Wer jetzt aufschreit, hier würden neuzeitliche Konzentrationslager für Sinti und Roma geschaffen, hat – Verzeihung – nichts aus der Geschichte gelernt.
Manche von der CDU nehmen die CSU nicht mehr ernst
Sollte es der CSU gelingen, ihren Asyl-Plan ohne schrille Parolen und populistische Effekthascherei umzusetzen; sollte sie tatsächlich lösungsorientiert handeln statt lautsprecherisch – dann könnte sie das Bild korrigieren, das sich inzwischen so viele von der bayerischen Sonderpartei gemacht haben: das Bild eines bayerntümelnden Möchtegern-Kraftprotzes, dessen schräge Ideen - von Ausländermaut bis Betreuungsgeld – an Karlsruhe und Brüssel scheitern.
Die CSU hat unter Horst Seehofer in Berlin gewaltig an Einfluss verloren. Manche nehmen die Bayern gar nicht mehr ernst, sogar in der Schwesterpartei. Denen fehlt ein relevantes Thema, sagen CDU'ler in Berlin. Nur immer "Bayern zuerst" und "Mir san mir" reicht eben auf Dauer nicht. Vielleicht gelingt es Horst Seehofer nun, ausgerechnet mit dem Thema Asyl Vertrauen zurückzugewinnen. Klingt verrückt. Aber nicht unmöglich.
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