Sefi Atta: "Die amerikanische Freundin"

Nigerias Eliten zwischen Vernissage und Abstiegsangst

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Zu sehen ist das Buchcover zu "Die amerikanische Freundin" von der Autorin Sefi Atta auf einem orange-weißen Hintergrund.
Mit scharfer Beobachtungsgabe wechselt Sefi Atta in ihrem Roman zwischen den kleinen Alltagsdramen und der großen Politik. © Peter Hammer Verlag
Von Birgit Koß |
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Sie schicken ihre Kinder auf Internate und trinken Sekt auf Vernissagen. In "Die amerikanische Freundin" erzählt Sefi Atta vom Leben der High Society in Nigeria Mitte der 70er-Jahre. Doch der nigerianische Bürgerkrieg ist nicht lange her und die politische Lage instabil.
Sefi Atta ist neben Chimamanda Ngozi Adichie die international bekannte nigerianische Schriftstellerin. Für ihren ersten Roman "Sag allen, es wird gut!" bekam sie 2006 den "Wole Soyinka Prize for African Literature". Nachdem sie in den letzten Jahren überwiegend Hörspiele und Theaterstücke geschrieben hat, führt sie ihre Leser nun mit ihrem neuen Roman "Die amerikanische Freundin" in die High Society von Lagos ein.

Putschgerüchte in Lagos

Anfang Januar 1976 besucht die aufgeschlossene, selbstbewusste Geschäftsfrau Remi Lawal mit ihrem Ehemann Tunde eine Vernissage. Tunde hatte unter dem neuen Präsidenten General Murtala Mohamed im Rahmen der Antikorruptionskampagne seinen Arbeitsplatz im Finanzministerium verloren. Doch inzwischen ist er Direktor in der Gemeinschaftsbank. Ihre beiden pubertierenden Kinder besuchen angesehene Internate. Da es schon wieder Putschgerüchte gibt, ist die Vernissage nur wenig besucht. So kommt Remi mit einer Amerikanerin – Frances Miller – ins Gespräch. Die unkonventionelle junge Frau sammelt Kunst und ist deshalb in den Ländern Westafrikas unterwegs.
Tunde ist von Remis neuer Bekanntschaft wenig begeistert, wittert er doch hinter jedem Amerikaner einen Agenten der CIA. Schließlich befindet man sich mitten im Kalten Krieg und General Mohamed hat sich ausdrücklich gegen die Einmischung der USA auf dem afrikanischen Kontinent ausgesprochen. Doch Remi widersetzt sich ihrem Ehemann, trifft Frances wieder und stellt sie ihren Freundinnen vor.

Klatsch und Tratsch unter Upper-Class-Frauen

Der Roman ist in Form von täglichen Notizen der Monate Januar und Februar aufgebaut. Vieles davon findet in Dialogen statt. Im ersten Teil des Romans gibt es ein tägliches Gespräch zwischen Remi und Frances über Themen wie Beruf, Freundschaft, Familie, aber auch sozialpolitische Fragen und Vergleiche zwischen dem Leben in Nigeria und den USA. Hierbei wird deutlich, dass die Autorin in beiden Ländern zu Hause ist.
Daneben spielt der Alltag der Frauen der Upper Class in Lagos mit all seinen Intrigen, kleinen Boshaftigkeiten und dem vielen Klatsch und Tratsch eine große Rolle. Die Beziehungen der Nigerianerinnen zu Ausländerinnen werden von Remi immer wieder thematisiert. Aber auch Eifersüchteleien unter Hausangestellten und Streitigkeiten mit den Nachbarn kommen nicht zu kurz.

Land mit 250 Ethnien und großen sozialen Unterschieden

Mit viel Witz und scharfer Beobachtungsgabe wechselt Sefi Atta zwischen den kleinen Alltagsdramen und der großen Politik hin und her. Ausführlich beleuchtet sie die Hintergründe und Interpretationen des Biafra-Krieges, genauso wie den schwierigen Prozess der Unabhängigkeit Nigerias und die weitere Einflussnahme von Großbritannien und den USA auf die Politik. Zudem wirft die Autorin in einem Land mit über 250 Ethnien und großen sozialen Unterschieden die Frage nach einer nigerianischen Identität auf.
Die Spannung bezieht der Roman aus der Selbstreflexion Remis, ihrer zunehmenden Verunsicherung gegenüber ihrer amerikanischen Freundin Frances und der Verschärfung der politischen Situation, die in der Ermordung General Mohameds mündet. Trotz des kurzen Handlungsspielraumes von zwei Monaten gelingt es Sefi Atta mit Leichtigkeit, einen tiefen Einblick in die nigerianische Gesellschaft zu geben, der weit über das Jahr 1976 hinaus reicht.

Sefi Atta: "Die amerikanische Freundin"
Aus dem Amerikanischen von Simone Jakob
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2019
400 Seiten, 26 Euro

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