In der Luft bleiben wird schwerer
09:35 Minuten
Mehr Gewitter, mehr Wetterextreme: Der Klimawandel beeinflusst auch die Bedingungen des Segelfliegens. Wie arrangieren sich Segelflieger in Bayern mit dem veränderten Klima?
Unterwegs zwischen den Gipfeln der Alpen – in Ameisenkniehöhe, wie Segelflugpilot Pilot Heiko Hertrich sagt: "Wir sind irgendwo bei Sondrio, im Gebirgsmassiv. Und das war jetzt recht schwierig hier rauf. Der Hangwind war nicht richtig auf dem Hang. Die Sonne ist weg, es gibt keine thermische Unterstützung mehr. Extremer Hangflug hier. Extreme Achten fliegen. Irgendwas stimmt noch nicht. Irgendwas ist nicht normal."
Hertrich steuert den weißen Doppelsitzer dicht an die scharfen Felskanten des Pizzo Redorta. Hier hofft er, im Hangwind Auftrieb zu finden. Den braucht er dringend, denn sein Segelflugzeug mit dem Kennzeichen QAX hat keinen Motor. Hertrich, Spitzname Garfield, schaut aus der engen Cockpithaube auf das dunkler werdende Wetter.
Hertrich steuert den weißen Doppelsitzer dicht an die scharfen Felskanten des Pizzo Redorta. Hier hofft er, im Hangwind Auftrieb zu finden. Den braucht er dringend, denn sein Segelflugzeug mit dem Kennzeichen QAX hat keinen Motor. Hertrich, Spitzname Garfield, schaut aus der engen Cockpithaube auf das dunkler werdende Wetter.
"Ja, es ändert sich schnell. Wir haben jetzt schon Glück gehabt, dass es im Adda-Tal nicht komplett dichtgemacht hat. Und der Wind dann vielleicht noch dreht. Oder sogar einschläft. Dann hätte es uns da gefangen." Hertrich, gebürtiger Franke aus Bayreuth, ist einer der erfahrensten deutschen Alpensegelflug-Piloten. Gelernt hat er das Fliegen in Königsdorf bei Bad Tölz, am Fuße der Alpen.
Starthilfe mit Strom
Das Segelflugzentrum Königsdorf ist eines der größten in Deutschland. Gerade bereitet sich ein Pilot auf den Start an der Seilwinde vor. Der Startleiter gibt grünes Licht. "Hallo E-Winde, hier ist der Start. Wir haben eine Mü26 einsitzig an eurem Restseil startklar…" Am anderen Ende des Flugplatzes zieht eine Winde mit zwei großen Seiltrommeln das Segelflugzeug wie einen Lenkdrachen in die Luft.
"Seil anziehen… fertig… frei…" Das motorlose Flugzeug beschleunigt in vier Sekunden von null auf hundert Stundenkilometer. In nicht mal einer Minute hat es seine Ausgangsflughöhe von 400 Metern erreicht. Und das fast lautlos und ganz ohne Abgase, erklärt Sandra Müller von der Akaflieg München.
"Wir haben nämlich schon auf eine sogenannte Elektro-Winde umgestellt. Wo man sich mithilfe von Strom nach oben bewegen kann. Wir sehen hier gerade einen wunderschönen Windenstart. Hier machen wir unsere ersten Höhenmeter mit Elektroenergie."
Segelflieger mit vier Europarekorden
Sandra Müller betreibt ein umweltfreundliches Hobby: Segelflugzeuge verbrauchen lediglich beim Start eine geringe Menge Strom oder Kraftstoff. Danach nutzen sie Wind- und Sonnenenergie. "Das bedeutet, dass wir ganz ohne Motor, ohne Benzin oder ähnliches in der Luft bleiben können. Wir benutzen wirklich nur die Natur, um uns oben zu halten und um auch Strecken von mehr als 1.000 Kilometern zurücklegen zu können."
Solche gewaltigen Strecken fliegt von Königsdorf aus Matthias Schunk. Im Hauptberuf ist er Lufthansa-Pilot. Aber wann immer er kann, tauscht er das Boeing-Cockpit gegen die enge Segelflieger-Kabine ein. Er ist einer der erfolgreichsten Segelflieger in Europa. "Also im Moment halte ich vier Europarekorde und - ich weiß es ganz ehrlich nicht - wie viele deutsche Klassenrekorde." Sein weitester Flug war 1.750 Kilometer lang und führte Schunk quer durch die Alpen.
Ein Flug von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, ohne Zwischenlandung und ganz ohne Motor. Die zurückgelegte Strecke entspricht der Distanz von Berlin nach Madrid. Seit fünf Jahren jagt Matthias Schunk nun seinen eigenen Rekord aus dem Jahr 2014. "Dieses Jahr bin ich mal 1.650 Kilometer geflogen. Man muss allerdings sagen: Das war im Föhn. Das ist eine ganz andere Fliegerei als in der Thermik. Diese Föhn-Fliegerei habe ich vor 30 Jahren noch gar nicht gemacht."
Solche gewaltigen Strecken fliegt von Königsdorf aus Matthias Schunk. Im Hauptberuf ist er Lufthansa-Pilot. Aber wann immer er kann, tauscht er das Boeing-Cockpit gegen die enge Segelflieger-Kabine ein. Er ist einer der erfolgreichsten Segelflieger in Europa. "Also im Moment halte ich vier Europarekorde und - ich weiß es ganz ehrlich nicht - wie viele deutsche Klassenrekorde." Sein weitester Flug war 1.750 Kilometer lang und führte Schunk quer durch die Alpen.
Ein Flug von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, ohne Zwischenlandung und ganz ohne Motor. Die zurückgelegte Strecke entspricht der Distanz von Berlin nach Madrid. Seit fünf Jahren jagt Matthias Schunk nun seinen eigenen Rekord aus dem Jahr 2014. "Dieses Jahr bin ich mal 1.650 Kilometer geflogen. Man muss allerdings sagen: Das war im Föhn. Das ist eine ganz andere Fliegerei als in der Thermik. Diese Föhn-Fliegerei habe ich vor 30 Jahren noch gar nicht gemacht."
Orientierung an Vögeln
Der Unterschied zwischen Thermik und Föhnwellen spielt auch für Heiko Hertrich eine wichtige Rolle. Der Alpenflieger versucht gerade an einer Steilwand in den Alpen Höhe zu gewinnen. In der Thermik. "Bei Südwind zum Beispiel: Die Südhänge werden schon beschienen. Und wenn dann der Südwind kommt, dann schiebt der Wind die Thermik die Berge hoch. Meistens bis zur Schneegrenze. Und dann weiß man recht genau: Dort fängt die Thermik an, sich vom Berg zu lösen. Man kann schön einkreisen, es gibt runde, kräftige Aufwinde. Aber dann hoffe ich, dass wir an der Vorderkante dieser Lenticularis-Wolke sind und einen guten Aufwind erwischen. Eine gute Welle."
Die Welle – das ist eine fast magische Aufwindquelle für Segelflieger: An windstarken Tagen bilden sich in den Alpen gewaltige Föhn-Wellen, die in Nord-Süd-Richtung über die Bergketten der Alpen strömen. In großer Höhe entstehen weiße, glattgeschliffene Wolken, die wie UFOs aussehen.
Sandra Müller fasziniert am Segelfliegen vor allem die Nähe zur Natur. Die Beobachtung des Wetters und die Symbiose mit der Welt der Greifvögel. "Das sind die besten Thermik-Boten, die es überhaupt gibt. Als Segelflieger ist man natürlich darauf angewiesen, dass man die Natur richtig lesen kann und wissen kann, wo die Winde aufsteigen, mit denen wir nach oben kommen. Und Vögel sind die besten Indikatoren, weil die die Asse darin sind. Wenn wir Vögel kreisen sehen, ist das für uns ein wichtiges Zeichen: da müssen wir hin, da können wir gut fliegen."
Klimawandel wird spürbar
Mit Sorge verfolgt Sandra Müller die Entwicklung und Veränderung des Klimas: "Wir als Segelflieger müssen immer unsere Augen auch auf dem Klimawandel haben. Also gefühlsmäßig hat sich in den letzten Jahren schon etwas getan. Ich bin ein bisschen vorinfiziert, weil mein Vater auch schon geflogen ist. Man merkt, dass manche Sachen einfach extremer werden. Dass die Thermik zwar teilweise schon früher im Jahr beginnt, aber dass auch stärkere Gewitter aufziehen und schneller kommen. Darauf muss man natürlich in der Segelfliegerei besonders achten. Denn das heißt für uns: am Boden bleiben oder so schnell wie möglich landen."
Ähnlich sieht es Segelflugpilot Wolfram Gorisch von der Akaflieg München, der seinen Sport seit mehr als fünfzig Jahren ausübt. "Gegenüber früher glaube ich, dass die Sommertage heißer geworden sind. Dann ist die Luft feuchter und damit gewitterträchtiger. Soweit ich mich zurückerinnere, hat man früher doch die Strecken in den Bergen in ruhigerem Aufwindwetter fliegen können - gute Thermik auf relativ hohe Basishöhen: 3000 Meter, 3500 Meter. Das zeigt, dass die Luft eher trocken war. Heute ist die Luft feuchter. Die Basishöhen, also die Wolkenuntergrenzen, sind niedriger. Das heizt dann stärker durch - und es gibt Gewitter, ab vier oder fünf Uhr. Die Gewitter kommen früher."
Ähnlich sieht es Segelflugpilot Wolfram Gorisch von der Akaflieg München, der seinen Sport seit mehr als fünfzig Jahren ausübt. "Gegenüber früher glaube ich, dass die Sommertage heißer geworden sind. Dann ist die Luft feuchter und damit gewitterträchtiger. Soweit ich mich zurückerinnere, hat man früher doch die Strecken in den Bergen in ruhigerem Aufwindwetter fliegen können - gute Thermik auf relativ hohe Basishöhen: 3000 Meter, 3500 Meter. Das zeigt, dass die Luft eher trocken war. Heute ist die Luft feuchter. Die Basishöhen, also die Wolkenuntergrenzen, sind niedriger. Das heizt dann stärker durch - und es gibt Gewitter, ab vier oder fünf Uhr. Die Gewitter kommen früher."
Der Unterschied zwischen Wetter und Klima
Unter oder gar in Gewittern können Segelflugpiloten nicht fliegen. Wolfram Gorisch, der einen Großteil seiner jährlichen Flugstunden in den Bergen verbringt, hat besonders vor Alpen-Gewittern großen Respekt. "Manche, die vielleicht mehr Erfahrung haben, fliegen am Rand von Gewittern und nutzen den Aufwind. Aber dort, wo das Gewitter mal war, da ist dann die Thermik tot für eine Stunde. Bis dann die Sonne vielleicht nach dem Gewitter wieder etwas Thermik produziert. Und diese Zeit fehlt einem dann. Da hat man dann keinen Aufwind."
Ist das bereits eine Folge des Klimawandels? Oder hat sich hier schlicht das Wetter geändert? Wetter und Klima seien unterschiedliche Dinge, sagt der Segelflieger und Klimaforscher Karl-Peter Renner. "Wetter ist das, was man mittelfristig bis zu zehn Tage vorhersagen kann. Und Klima ist etwas, das zehn Jahre und weiter in die Zukunft geht."
Der Physiker Renner arbeitet für Eumetsat, die Betriebs-Organisation der europäischen Wetter-Satelliten. Seine Aufgabe ist es, die umfangreichen Wetter-Daten der Satelliten für Kunden aufzubereiten. Renner kennt die einschlägigen Computer-Modelle aus der Meteorologie: "Die Modelle sagen, dass die Extreme zunehmen: solche Lagen wie jetzt, wo es sehr heiß wird, aber auch auf der anderen Seite kühler wird. Und für die Segelfliegerei sind Extreme nicht gut. Denn Extreme sind stabil – und führen in den Bergen zu Gewittern. Das heißt, am Anfang ist es stabil, man kann schlecht fliegen, weil es wenig Aufwinde gibt. Dann entwickeln sich die Aufwinde und werden zu schnell zu stark. Unsere guten Wetterlagen waren dagegen immer die, wo es sehr viele Wolken gegeben hat und wo es am Boden nicht allzu heiß war."
Ist das bereits eine Folge des Klimawandels? Oder hat sich hier schlicht das Wetter geändert? Wetter und Klima seien unterschiedliche Dinge, sagt der Segelflieger und Klimaforscher Karl-Peter Renner. "Wetter ist das, was man mittelfristig bis zu zehn Tage vorhersagen kann. Und Klima ist etwas, das zehn Jahre und weiter in die Zukunft geht."
Der Physiker Renner arbeitet für Eumetsat, die Betriebs-Organisation der europäischen Wetter-Satelliten. Seine Aufgabe ist es, die umfangreichen Wetter-Daten der Satelliten für Kunden aufzubereiten. Renner kennt die einschlägigen Computer-Modelle aus der Meteorologie: "Die Modelle sagen, dass die Extreme zunehmen: solche Lagen wie jetzt, wo es sehr heiß wird, aber auch auf der anderen Seite kühler wird. Und für die Segelfliegerei sind Extreme nicht gut. Denn Extreme sind stabil – und führen in den Bergen zu Gewittern. Das heißt, am Anfang ist es stabil, man kann schlecht fliegen, weil es wenig Aufwinde gibt. Dann entwickeln sich die Aufwinde und werden zu schnell zu stark. Unsere guten Wetterlagen waren dagegen immer die, wo es sehr viele Wolken gegeben hat und wo es am Boden nicht allzu heiß war."
Was ändern zwei Grad mehr?
In der Klimaforschung spricht man vom Zwei-Grad-Ziel – dem Versuch, die weltweite Klima-Erwärmung durch politische und wirtschaftliche Maßnahmen auf zwei Grad zu beschränken. Was würden zwei Grad Erwärmung für die Segelfliegerei bedeuten? Klaus-Peter Renner zuckt mit den Schultern. "Ich kann's nicht sagen. Wirklich nicht. Es gibt Gebiete, die sehr heiß sind – wie Australien, ein Eldorado für Segelflieger. Aber das hängt auch mit der dortigen Trockenheit zusammen, den Gradienten, der starken Thermik, die keine Gewitter erzeugt. Segelflieger würden sowas natürlich bevorzugen, wenn sie sowas längere Zeit haben."
Für eine belastbare Aussage, so Renner, fehle einfach Datenmaterial. "Wir wissen's nicht, weil wir nicht wissen, was die Leute alles geflogen sind. Damals konnte man nicht vergleichen. Da hat man nur die Flugaufzeichnungen gehabt, die jeder zuhause auf Filmrollen oder Barographen hat. Jetzt sieht man's im Internet, aber das ist erst seit den 2000er Jahren so. Und da ist die Zeit zu kurz."
Das sieht auch Matthias Schunk so, der Königsdorfer Rekordpilot. Beim Wort "Gletscher" hält Schunk kurz inne. Die Alpengletscher, sagt er, veränderten sich tatsächlich rasant: "Ja, das sieht man. Definitiv. Wenn ich meine eigenen Fotos von vor zwanzig Jahren mit jetzt vergleiche … Vorgestern waren wir am Mont Blanc. Da sind wir am Aletsch-Gletscher vorbeigeflogen. Das sieht man."
Für eine belastbare Aussage, so Renner, fehle einfach Datenmaterial. "Wir wissen's nicht, weil wir nicht wissen, was die Leute alles geflogen sind. Damals konnte man nicht vergleichen. Da hat man nur die Flugaufzeichnungen gehabt, die jeder zuhause auf Filmrollen oder Barographen hat. Jetzt sieht man's im Internet, aber das ist erst seit den 2000er Jahren so. Und da ist die Zeit zu kurz."
Das sieht auch Matthias Schunk so, der Königsdorfer Rekordpilot. Beim Wort "Gletscher" hält Schunk kurz inne. Die Alpengletscher, sagt er, veränderten sich tatsächlich rasant: "Ja, das sieht man. Definitiv. Wenn ich meine eigenen Fotos von vor zwanzig Jahren mit jetzt vergleiche … Vorgestern waren wir am Mont Blanc. Da sind wir am Aletsch-Gletscher vorbeigeflogen. Das sieht man."
Der Aletsch-Gletscher, der größte Eisblock der Alpen, hat innerhalb weniger Jahrzehnte ein Fünftel seiner Masse verloren. Und er schmilzt rapide weiter.