Segen und Fluch des Sams-Erfolgs
Paul Maar hat seinen Erfolg mit dem Sams als Segen und Fluch bezeichnet. Einerseits gebe es nichts Besseres, als einen Bestseller zu schreiben, der es einem ermögliche, sorgenfrei zu leben. Allerdings habe er noch 40 andere Werke neben seinen Sams-Büchern verfasst.
Dieter Kassel: Ein halbes Dutzend Bücher von Paul Maar, neu und alt, ist in den letzten Wochen erschienen. Ein Theaterstück von ihm wird zurzeit in seiner Heimatstadt Schweinfurth aufgeführt, und in Frankfurt am Main läuft ein Musical nach dem zweiten Sams-Buch. Der Grund ist dafür ist einfach: Paul Maar wird heute 70.
Egal, ob es um die besagten Werke geht oder ob Zeichnungen oder Gedichte und vieles andere, es geht immer um Werke für Kinder und, sagen wir mal, junge Jugendliche.
Fühlen Sie sich heute immer noch an ein Versprechen gebunden, das Sie vor ungefähr 35 Jahren ihrem Verleger Friedrich Oetinger gegeben haben?
Paul Maar: Es ging damit los, ja, dass ich dem Verleger versprechen musste, nur Kinderbücher, oder demnächst Kinderbücher zu schreiben, weil ich mit einer etwas arroganten Haltung zu ihm kam und sagte, ich habe jetzt gerade ein Hörspiel für Erwachsene im Süddeutschen Rundfunk veröffentlicht und habe einen Roman für Erwachsene, zumindest den Anfang, in der Schublade.
Und hier habe ich mich auch mal auf das Gebiet der Kinderliteratur bewegt, schauen Sie sich das mal an. Und dann wollte er mir das Manuskript zurückgeben um zu sagen, nee, also wenn Sie Kinderliteratur als Literatur zweiter Klasse behandeln, dann können Sie ihr Manuskript gleich wieder mitnehmen. Nur wenn Sie mir versprechen, noch ein zweites und vielleicht auch ein drittes Kinderbuch zu schreiben, dann nehmen wir das erste.
Kassel: Waren Sie damals denn, das unterstellte er ja offenbar, selbst so jemand, der gedacht hat, na ja, Kinder- und Jugendliteratur ist Literatur zweiter Klasse?
Maar: Damals vielleicht schon ein bisschen. Ich habe das, im Grund genommen, auch geschrieben für meine eigenen Kinder. Mein Sohn war sehr lesehungrig, und ich holte ihm immer die Bücher aus der Stadtbibliothek, damals aus einer kleinen Stadtteilbibliothek in Stuttgart-Bad Cannstatt, wo ich noch Student war. Und die waren ein bisschen verstaubt, zum Teil tatsächlich verstaubt und aus dem Dritten Reich übrig geblieben.
Da gab es immer nicht Kinderbanden, sondern Fähnlein und ähnliches, und ich dachte, was ist das für ein Schund. Jetzt schreibe ihm mal das Buch, was ich ihm gerne vorlesen würde. Und dann schrieb ich "Der tätowierte Hund". Und irgendwie merkte ich, es ist meine eigentliche Begabung, und deswegen bin ich dabei geblieben.
Kassel: Was waren Sie eigentlich, wenn wir kurz bei der Zeit bleiben, Paul Maar, für ein Lehrer, denn das waren Sie ja einige Jahre lang an einem Gymnasium, auch in der Nähe von Stuttgart, Lehrer für Kunsterziehung, wie das so schön heißt?
Maar: Richtig. Dadurch, dass ich mit meinem Schwager, dem Michael Ballhaus, schon einige Filme gedreht hatte, immerhin meine Studentenzeit beziehungsweise in den Semesterferien, hatte ich eine große Liebe zum Film entwickelt und habe dann als Kunsterzieher angefangen und habe nachmittags eine Film AG gegründet.
Die hatte so einen Zulauf, dass ich eine zweite gründen musste und schließlich eine dritte für die Unter-, Mittel- und Oberstufe. Und ich glaube, ich war ein guter Lehrer, und ich treffe immer wieder ehemalige Schüler, die entweder Fotografen, Kameramänner oder Filmjournalisten geworden sind. Also da scheint mein Unterricht sehr gefruchtet zu haben.
Kassel: Lehrer sind Sie gewesen, dann haben Sie für den Hörfunk, Sie haben es erwähnt, kurz mal gearbeitet, das dann die wirklich die Erwachsenenphase sozusagen, dann dieser große Kinderbereich.
Andererseits haben Sie als sehr junger Mensch, das haben Sie immer wieder erzählt in Interviews, sich mal gesagt, das Langweilige am Erwachsenenleben ist, dass die ein Leben lang das Gleiche machen, den gleichen Beruf, und man müsse das eigentlich alle sechs, sieben Jahre ändern. Ich glaube, streng genommen mit der Lehrergeschichte war das fast so, das war ungefähr dieser Zeitraum?
Maar: Ja, das war etwa sechs Jahre. Dann habe ich den Lehrerberuf aufgegeben, wurde freier Autor. Dann hätte ich ja eigentlich nach meiner Theorie den Beruf wechseln müssen nach weiteren sieben Jahren. Aber ich bin bei diesem Beruf geblieben, aber habe innerhalb des Berufs gewissermaßen mein Arbeitsfeld gewechselt.
Wenn man mir sagen würde, ich müsste jetzt sechs Erstlesebücher hintereinander schreiben, würde ich den Verlag wechseln. Ich schreibe mal für Jugendliche einen Jugendroman, dann ein Sachbuch, dann wieder etwas für die ganz Kleinen, ein Pappbilderbuch, mache ein neues Kindertheaterstück oder schreibe ein Musical.
Ich habe auch eine Kinderoper geschrieben. Dann habe ich neu dazu gelernt, wie schreibt man Filmdrehbücher, drei meiner Bücher sind ja inzwischen verfilmt worden. Und ich kann innerhalb meines Berufs so schön abwechseln, dass ich eigentlich gar nicht den Beruf wechseln muss.
Kassel: Da sind wir wieder bei diesen vielen Genres und auch literarischen Gattungen, die Sie fast alle benutzen, je nach Phase. Zu den Büchern, die jetzt so in der Zeit rund um ihren Geburtstag, sagen wir mal Herbst, Winter dieses Jahres, rausgekommen sind, gehört auch "Jaguar und Neinguar", auch für Kinder- und Jugendliche, aber es sind Gedichte. Kann man im Jahr 2007 wirklich Kinder und Jugendliche mit Gedichten erreichen?
Maar: Ja, ja, und ob! Also aus meiner Erfahrung sowieso. Nur alle Verlage zögern, wenn man sagt, man möchte einen Gedichtband machen, und sagen, Lyrik verkauft sich nicht. Deswegen sind es auch Gedichte aus 30 Jahren, die ich zum Teil für die Schublade geschrieben habe, allerdings ergänzt durch 50, 60 neue Gedichte. Und aus Anlass meines 70. Geburtstages hat sich der Verlag bereit erklärt, quasi als kleines Geburtstagsgeschenk, na also, dann machen wir endlich mal den von Ihnen gewünschten Gedichtband.
Nur, ich sagte eben, wenn ich Kinderbriefe bekomme, die sich auf das Sams beziehen, und ich bekomme sehr viele Kinderbriefe, fast in zwei Dritteln der Kinderbriefe werden gelobt die Reime, das Sams könnte so gut dichten, sagen die Kinder, und warum das Sams so gut dichten kann. Ich schreibe dann zurück, entschuldigt, aber das ist nicht das Sams, das ist der Autor, ich selbst bin das. Und ich merke, es kommt bei Kindern ungeheuer an.
Kassel: Sie haben es jetzt selber erwähnt, ich habe gewartet. Ich dachte, wenn er es sagt, dann sind wir beim Sams, diese unglaubliche Popularität des Sams. Es gibt fünf Sams-Bücher bisher. Ich glaube, Sie haben schon versprochen, das sechste wird es auf jeden Fall schon auch noch geben. Das ist da schon im Kopf, oder?
Maar: Jein! Ich habe gesagt, wenn mir etwas Gutes einfällt, dann will ich es nicht ausschließen. Ich habe allerdings, das kann ich jetzt vielleicht sagen, es ist Verlagsinterna, ich habe gesagt vor etwa einem Vierteljahr, ich hätte zwei Ideen: Ich hätte jetzt Zeit und könnte ein Buch schreiben.
Soll ich den dritten Teil von "Herrn Bello" schreiben oder den sechsten Teil vom "Sams"? Und ich dachte, sie sagen alle, natürlich das "Sams". Und erstaunlicherweise sagten alle im Verlag, Verleger und Lektoraten, nein, schreiben Sie den dritten "Bello".
Kassel: Ich bin mir nicht sicher, ob die Kinder das auch so sehen würden. Ich bin selber, na, ich will mich nicht jünger machen, als ich bin, aber sagen wir, mit den ersten beiden Bänden aufgewachsen. Ich hätte mir das Sams gewünscht.
Ist diese unglaubliche Popularität dieser Figur und dieser Bücher immer noch nur ein Segen oder auch ein Fluch? Denn es geht mir so, wenn jemand ausnahmsweise den Namen Paul Maar nicht kennt, das sind schon wenige, aber wenn ich dann sage, das ist der Erfinder des Sams, dann ist immer schlagartig alles klar.
Maar: Ja, das ist genau das, was Sie sagen: Segen und Fluch. Auf der einen Seite kann einem Autor nichts Besseres geschehen, als dass er so einen Bestseller schreibt, der es ihm ermöglicht, sorgenfrei zu leben und nicht irgendwelche Rundfunkfeatures und Zeitungsartikel nebenher zu schreiben, um über die Runden zu kommen finanziell.
Auf der anderen Seite fuchst es einen natürlich, wenn man immer nur mit dem Sams in Verbindung gebracht wird. Und ich muss dann oft sagen, entschuldigt, es gibt auch noch 40 andere Bücher von mir. Es gibt "Lippels Traum" und für die Älteren "Kartoffelkäferzeiten", jetzt neuerdings den Gedichtband, aber immer, wo ich hinkomme, der Sams-Autor.
Kassel: Gibt es eigentlich in Ihrer Wohnung in Bamberg irgendwelche Sams-Figuren, deutlich sichtbare, irgendwo im Wohnzimmerschrank oder Ähnliches?
Maar: Nein, es gibt ein sehr schönes Kinderbild, was wahrscheinlich ein Vorschüler gemalt hat, ein riesiger Sams-Kopf. Und das Sams hat ja blaue Wunschpunkte, und der hat wahrscheinlich sehr viele Wünsche gehabt, also es sind mindestens 100 bis 120 blaue Punkte auf diesem Gesicht verteilt, ziemlich regelmäßig. Und das sieht grafisch so schön aus, dass ich mir das aufgehängt habe.
Kassel: Zusammen mit Ihrer Frau übersetzen Sie auch, auch Kinderliteratur, Erzählungen, Romane, Theaterstücke auch gerne mal. Das heißt, Sie haben einen gewissen Überblick. Man hört immer wieder, die deutsche Kinderliteratur sei weltweit sehr weit vorne, sei sehr erfolgreich.
Maar: Es stimmt!
Kassel: Sehen Sie das auch so?
Maar: Es stimmt. Es gibt die angelsächsische Kinderliteratur, die auch einen sehr hohen Standard hat, und in Europa ist es tatsächlich die deutsche Kinderliteratur. Es gibt eine solche Fülle von guten Autoren, sowohl für die Kinder als auch für die Jugendlichen.
Und wenn ich zum Beispiel nach Frankreich sehe, da gibt es kaum ausgesprochene Kinderbuchverlage wie bei uns, sondern es gibt Verlage, die sowohl für Erwachsene Bücher herausbringen und auch eine Kinderbuchabteilung haben.
Ich kenne keinen einzigen Kinderbuchverlag zum Beispiel in Frankreich. Und es ist auch sehr, sehr schwierig, gerade mal zwei Bücher von mir sind ins Französische übersetzt, dagegen 14 ins Koreanische zum Beispiel, nur als Gegensatz.
Kassel: Sie haben so viele Kinderbücher geschrieben, Kindertheaterstücke, und das viele, viele andere, was Sie schon erwähnt haben, haben aber bis auf, ich glaube, ein, zwei Ausnahmen, es gab im Jahr 2000 mal ein Theaterstück von Ihnen für Erwachsene ...
Maar: Richtig, Sie sind gut informiert, ja.
Kassel: ... aber bis auf diese ganz wenigen Ausnahmen, nie was für Erwachsene geschrieben. Haben Sie, ganz ehrlich, heimlich doch das große Erwachsenenroman-Manuskript in der Schublade und trauen sich nur nicht, die Schublade aufzumachen?
Maar: Nein.
Kassel: Auch nicht in der virtuellen Schublade?
Maar: Vielleicht in der virtuellen, ja! Ich habe es ja gemerkt bei diesem Theaterstück, was Sie erwähnt haben, im Jahr 2000. "Der weiße Wolf" ist in einem großen Theater, im Staatstheater Stuttgart uraufgeführt worden. Aber ich habe es gemerkt an der Kritik schon in der Vorschau, es wird ja immer vorberichtet, bevor die eigentliche Aufführung ist, und da war in der Überschrift schon "der Sams-Autor", also der Sams-Autor schreibt auch mal für Erwachsene. Und es war sehr wohlwollend, aber gleichzeitig ungeheuer herablassend.
Das Fazit war, na ja, hätte vielleicht das lieber für Jugendliche schreiben sollen und nicht für Erwachsene. Das ist ein bisschen anmaßend von ihm. Und ich merkte, es hat keinen Spaß gemacht. Die Reaktion, das Echo hat mich nicht dazu angetrieben, bewegt, jetzt vielleicht gleich ein zweites Theaterstück hinterherzuschieben.
Kassel: Das ist ja alles nicht ausgeschlossen. Frage zum Schluss natürlich, Herr Maar: Ich würde mal unterstellen, ich weiß es aber nicht, wenn ein so überzeugter Bamberger wie Sie, es ist ja nun seit Ewigkeiten Ihre Wahlheimat, der 70. Geburtstag, wird der auch in Bamberg gefeiert oder ganz groß woanders?
Maar: Nee, ich feiere im allerkleinsten Rahmen, und zwar nicht in Bamberg, sondern da, wo ich mich immer zum Schreiben zurückziehe, das ist ein kleines Dorf, das heißt Birkenfeld. Da haben wir ein Haus gemietet schon seit 14 Jahren.
Da gibt es kein Fernsehen, ein Telefon mit Geheimnummer, damit mich niemand anrufen und stören kann, während ich schreibe. Und da ziehe ich mich zurück und feiere und das tatsächlich nur im Kreis meiner Großfamilie.
Egal, ob es um die besagten Werke geht oder ob Zeichnungen oder Gedichte und vieles andere, es geht immer um Werke für Kinder und, sagen wir mal, junge Jugendliche.
Fühlen Sie sich heute immer noch an ein Versprechen gebunden, das Sie vor ungefähr 35 Jahren ihrem Verleger Friedrich Oetinger gegeben haben?
Paul Maar: Es ging damit los, ja, dass ich dem Verleger versprechen musste, nur Kinderbücher, oder demnächst Kinderbücher zu schreiben, weil ich mit einer etwas arroganten Haltung zu ihm kam und sagte, ich habe jetzt gerade ein Hörspiel für Erwachsene im Süddeutschen Rundfunk veröffentlicht und habe einen Roman für Erwachsene, zumindest den Anfang, in der Schublade.
Und hier habe ich mich auch mal auf das Gebiet der Kinderliteratur bewegt, schauen Sie sich das mal an. Und dann wollte er mir das Manuskript zurückgeben um zu sagen, nee, also wenn Sie Kinderliteratur als Literatur zweiter Klasse behandeln, dann können Sie ihr Manuskript gleich wieder mitnehmen. Nur wenn Sie mir versprechen, noch ein zweites und vielleicht auch ein drittes Kinderbuch zu schreiben, dann nehmen wir das erste.
Kassel: Waren Sie damals denn, das unterstellte er ja offenbar, selbst so jemand, der gedacht hat, na ja, Kinder- und Jugendliteratur ist Literatur zweiter Klasse?
Maar: Damals vielleicht schon ein bisschen. Ich habe das, im Grund genommen, auch geschrieben für meine eigenen Kinder. Mein Sohn war sehr lesehungrig, und ich holte ihm immer die Bücher aus der Stadtbibliothek, damals aus einer kleinen Stadtteilbibliothek in Stuttgart-Bad Cannstatt, wo ich noch Student war. Und die waren ein bisschen verstaubt, zum Teil tatsächlich verstaubt und aus dem Dritten Reich übrig geblieben.
Da gab es immer nicht Kinderbanden, sondern Fähnlein und ähnliches, und ich dachte, was ist das für ein Schund. Jetzt schreibe ihm mal das Buch, was ich ihm gerne vorlesen würde. Und dann schrieb ich "Der tätowierte Hund". Und irgendwie merkte ich, es ist meine eigentliche Begabung, und deswegen bin ich dabei geblieben.
Kassel: Was waren Sie eigentlich, wenn wir kurz bei der Zeit bleiben, Paul Maar, für ein Lehrer, denn das waren Sie ja einige Jahre lang an einem Gymnasium, auch in der Nähe von Stuttgart, Lehrer für Kunsterziehung, wie das so schön heißt?
Maar: Richtig. Dadurch, dass ich mit meinem Schwager, dem Michael Ballhaus, schon einige Filme gedreht hatte, immerhin meine Studentenzeit beziehungsweise in den Semesterferien, hatte ich eine große Liebe zum Film entwickelt und habe dann als Kunsterzieher angefangen und habe nachmittags eine Film AG gegründet.
Die hatte so einen Zulauf, dass ich eine zweite gründen musste und schließlich eine dritte für die Unter-, Mittel- und Oberstufe. Und ich glaube, ich war ein guter Lehrer, und ich treffe immer wieder ehemalige Schüler, die entweder Fotografen, Kameramänner oder Filmjournalisten geworden sind. Also da scheint mein Unterricht sehr gefruchtet zu haben.
Kassel: Lehrer sind Sie gewesen, dann haben Sie für den Hörfunk, Sie haben es erwähnt, kurz mal gearbeitet, das dann die wirklich die Erwachsenenphase sozusagen, dann dieser große Kinderbereich.
Andererseits haben Sie als sehr junger Mensch, das haben Sie immer wieder erzählt in Interviews, sich mal gesagt, das Langweilige am Erwachsenenleben ist, dass die ein Leben lang das Gleiche machen, den gleichen Beruf, und man müsse das eigentlich alle sechs, sieben Jahre ändern. Ich glaube, streng genommen mit der Lehrergeschichte war das fast so, das war ungefähr dieser Zeitraum?
Maar: Ja, das war etwa sechs Jahre. Dann habe ich den Lehrerberuf aufgegeben, wurde freier Autor. Dann hätte ich ja eigentlich nach meiner Theorie den Beruf wechseln müssen nach weiteren sieben Jahren. Aber ich bin bei diesem Beruf geblieben, aber habe innerhalb des Berufs gewissermaßen mein Arbeitsfeld gewechselt.
Wenn man mir sagen würde, ich müsste jetzt sechs Erstlesebücher hintereinander schreiben, würde ich den Verlag wechseln. Ich schreibe mal für Jugendliche einen Jugendroman, dann ein Sachbuch, dann wieder etwas für die ganz Kleinen, ein Pappbilderbuch, mache ein neues Kindertheaterstück oder schreibe ein Musical.
Ich habe auch eine Kinderoper geschrieben. Dann habe ich neu dazu gelernt, wie schreibt man Filmdrehbücher, drei meiner Bücher sind ja inzwischen verfilmt worden. Und ich kann innerhalb meines Berufs so schön abwechseln, dass ich eigentlich gar nicht den Beruf wechseln muss.
Kassel: Da sind wir wieder bei diesen vielen Genres und auch literarischen Gattungen, die Sie fast alle benutzen, je nach Phase. Zu den Büchern, die jetzt so in der Zeit rund um ihren Geburtstag, sagen wir mal Herbst, Winter dieses Jahres, rausgekommen sind, gehört auch "Jaguar und Neinguar", auch für Kinder- und Jugendliche, aber es sind Gedichte. Kann man im Jahr 2007 wirklich Kinder und Jugendliche mit Gedichten erreichen?
Maar: Ja, ja, und ob! Also aus meiner Erfahrung sowieso. Nur alle Verlage zögern, wenn man sagt, man möchte einen Gedichtband machen, und sagen, Lyrik verkauft sich nicht. Deswegen sind es auch Gedichte aus 30 Jahren, die ich zum Teil für die Schublade geschrieben habe, allerdings ergänzt durch 50, 60 neue Gedichte. Und aus Anlass meines 70. Geburtstages hat sich der Verlag bereit erklärt, quasi als kleines Geburtstagsgeschenk, na also, dann machen wir endlich mal den von Ihnen gewünschten Gedichtband.
Nur, ich sagte eben, wenn ich Kinderbriefe bekomme, die sich auf das Sams beziehen, und ich bekomme sehr viele Kinderbriefe, fast in zwei Dritteln der Kinderbriefe werden gelobt die Reime, das Sams könnte so gut dichten, sagen die Kinder, und warum das Sams so gut dichten kann. Ich schreibe dann zurück, entschuldigt, aber das ist nicht das Sams, das ist der Autor, ich selbst bin das. Und ich merke, es kommt bei Kindern ungeheuer an.
Kassel: Sie haben es jetzt selber erwähnt, ich habe gewartet. Ich dachte, wenn er es sagt, dann sind wir beim Sams, diese unglaubliche Popularität des Sams. Es gibt fünf Sams-Bücher bisher. Ich glaube, Sie haben schon versprochen, das sechste wird es auf jeden Fall schon auch noch geben. Das ist da schon im Kopf, oder?
Maar: Jein! Ich habe gesagt, wenn mir etwas Gutes einfällt, dann will ich es nicht ausschließen. Ich habe allerdings, das kann ich jetzt vielleicht sagen, es ist Verlagsinterna, ich habe gesagt vor etwa einem Vierteljahr, ich hätte zwei Ideen: Ich hätte jetzt Zeit und könnte ein Buch schreiben.
Soll ich den dritten Teil von "Herrn Bello" schreiben oder den sechsten Teil vom "Sams"? Und ich dachte, sie sagen alle, natürlich das "Sams". Und erstaunlicherweise sagten alle im Verlag, Verleger und Lektoraten, nein, schreiben Sie den dritten "Bello".
Kassel: Ich bin mir nicht sicher, ob die Kinder das auch so sehen würden. Ich bin selber, na, ich will mich nicht jünger machen, als ich bin, aber sagen wir, mit den ersten beiden Bänden aufgewachsen. Ich hätte mir das Sams gewünscht.
Ist diese unglaubliche Popularität dieser Figur und dieser Bücher immer noch nur ein Segen oder auch ein Fluch? Denn es geht mir so, wenn jemand ausnahmsweise den Namen Paul Maar nicht kennt, das sind schon wenige, aber wenn ich dann sage, das ist der Erfinder des Sams, dann ist immer schlagartig alles klar.
Maar: Ja, das ist genau das, was Sie sagen: Segen und Fluch. Auf der einen Seite kann einem Autor nichts Besseres geschehen, als dass er so einen Bestseller schreibt, der es ihm ermöglicht, sorgenfrei zu leben und nicht irgendwelche Rundfunkfeatures und Zeitungsartikel nebenher zu schreiben, um über die Runden zu kommen finanziell.
Auf der anderen Seite fuchst es einen natürlich, wenn man immer nur mit dem Sams in Verbindung gebracht wird. Und ich muss dann oft sagen, entschuldigt, es gibt auch noch 40 andere Bücher von mir. Es gibt "Lippels Traum" und für die Älteren "Kartoffelkäferzeiten", jetzt neuerdings den Gedichtband, aber immer, wo ich hinkomme, der Sams-Autor.
Kassel: Gibt es eigentlich in Ihrer Wohnung in Bamberg irgendwelche Sams-Figuren, deutlich sichtbare, irgendwo im Wohnzimmerschrank oder Ähnliches?
Maar: Nein, es gibt ein sehr schönes Kinderbild, was wahrscheinlich ein Vorschüler gemalt hat, ein riesiger Sams-Kopf. Und das Sams hat ja blaue Wunschpunkte, und der hat wahrscheinlich sehr viele Wünsche gehabt, also es sind mindestens 100 bis 120 blaue Punkte auf diesem Gesicht verteilt, ziemlich regelmäßig. Und das sieht grafisch so schön aus, dass ich mir das aufgehängt habe.
Kassel: Zusammen mit Ihrer Frau übersetzen Sie auch, auch Kinderliteratur, Erzählungen, Romane, Theaterstücke auch gerne mal. Das heißt, Sie haben einen gewissen Überblick. Man hört immer wieder, die deutsche Kinderliteratur sei weltweit sehr weit vorne, sei sehr erfolgreich.
Maar: Es stimmt!
Kassel: Sehen Sie das auch so?
Maar: Es stimmt. Es gibt die angelsächsische Kinderliteratur, die auch einen sehr hohen Standard hat, und in Europa ist es tatsächlich die deutsche Kinderliteratur. Es gibt eine solche Fülle von guten Autoren, sowohl für die Kinder als auch für die Jugendlichen.
Und wenn ich zum Beispiel nach Frankreich sehe, da gibt es kaum ausgesprochene Kinderbuchverlage wie bei uns, sondern es gibt Verlage, die sowohl für Erwachsene Bücher herausbringen und auch eine Kinderbuchabteilung haben.
Ich kenne keinen einzigen Kinderbuchverlag zum Beispiel in Frankreich. Und es ist auch sehr, sehr schwierig, gerade mal zwei Bücher von mir sind ins Französische übersetzt, dagegen 14 ins Koreanische zum Beispiel, nur als Gegensatz.
Kassel: Sie haben so viele Kinderbücher geschrieben, Kindertheaterstücke, und das viele, viele andere, was Sie schon erwähnt haben, haben aber bis auf, ich glaube, ein, zwei Ausnahmen, es gab im Jahr 2000 mal ein Theaterstück von Ihnen für Erwachsene ...
Maar: Richtig, Sie sind gut informiert, ja.
Kassel: ... aber bis auf diese ganz wenigen Ausnahmen, nie was für Erwachsene geschrieben. Haben Sie, ganz ehrlich, heimlich doch das große Erwachsenenroman-Manuskript in der Schublade und trauen sich nur nicht, die Schublade aufzumachen?
Maar: Nein.
Kassel: Auch nicht in der virtuellen Schublade?
Maar: Vielleicht in der virtuellen, ja! Ich habe es ja gemerkt bei diesem Theaterstück, was Sie erwähnt haben, im Jahr 2000. "Der weiße Wolf" ist in einem großen Theater, im Staatstheater Stuttgart uraufgeführt worden. Aber ich habe es gemerkt an der Kritik schon in der Vorschau, es wird ja immer vorberichtet, bevor die eigentliche Aufführung ist, und da war in der Überschrift schon "der Sams-Autor", also der Sams-Autor schreibt auch mal für Erwachsene. Und es war sehr wohlwollend, aber gleichzeitig ungeheuer herablassend.
Das Fazit war, na ja, hätte vielleicht das lieber für Jugendliche schreiben sollen und nicht für Erwachsene. Das ist ein bisschen anmaßend von ihm. Und ich merkte, es hat keinen Spaß gemacht. Die Reaktion, das Echo hat mich nicht dazu angetrieben, bewegt, jetzt vielleicht gleich ein zweites Theaterstück hinterherzuschieben.
Kassel: Das ist ja alles nicht ausgeschlossen. Frage zum Schluss natürlich, Herr Maar: Ich würde mal unterstellen, ich weiß es aber nicht, wenn ein so überzeugter Bamberger wie Sie, es ist ja nun seit Ewigkeiten Ihre Wahlheimat, der 70. Geburtstag, wird der auch in Bamberg gefeiert oder ganz groß woanders?
Maar: Nee, ich feiere im allerkleinsten Rahmen, und zwar nicht in Bamberg, sondern da, wo ich mich immer zum Schreiben zurückziehe, das ist ein kleines Dorf, das heißt Birkenfeld. Da haben wir ein Haus gemietet schon seit 14 Jahren.
Da gibt es kein Fernsehen, ein Telefon mit Geheimnummer, damit mich niemand anrufen und stören kann, während ich schreibe. Und da ziehe ich mich zurück und feiere und das tatsächlich nur im Kreis meiner Großfamilie.