Sehen und Gesehen werden im globalen Dorf
Mit mehr als 100 Millionen Mitgliedern ist myspace.com eine der erfolgreichsten Communitys im Netz. Die Internetplattform bietet die kostenlose Möglichkeit, Texte, Fotos, und Videos ins Internet zu stellen und das kinderleicht. Viele User nutzen myspace zu hemmungsloser Selbstdarstellung, um virtuelle Freunde zu gewinnen.
Die Großeltern lernten sich noch auf dem Dorffest kennen. Die Eltern tauschten dann schon Telefonnummern aus. Die Enkel verabredeten sich per SMS oder schickten sich E-Mails. Heute heißt es dagegen:
"Willst Du mein Freund sein?"
Wer das jetzt für eine veraltete und zudem besonders platte Form der Kontaktaufnahme hält, der achte auf den Nachsatz:
"Dann verlink ich Dich auf meine My Space-Seite."
Im Juli 2003 gründete Tom Anderson in den USA myspace.com. Auf der Webseite, die sich durch Werbung finanzierte, konnte jedermann ein Profil von sich erstellen sowie Texte, Fotos, und Videos ins Internet stellen - kostenlos und kinderleicht. In der Folge wurde Myspace zu einer Kreuzung aus Homepage, Kontaktbörse und Peepshow. Hier kann man einen Einblick in das Leben und die Vorlieben seiner Mitmenschen bekommen. Kontakte zu 100 Millionen Menschen - so viele Mitglieder hat die Seite seit August 2006 laut Angaben der Betreiber - sind plötzlich nur ein paar Mausklicks entfernt. Der Medien- und Kommunikationstheoretiker Prof. Dr. Norbert Bolz erklärt das Phänomen so:
"Myspace.com ist ein Jahrmarkt der Eitelkeiten und zugleich auch ein höchst realer Marktplatz für Privates. Also eine Paradoxie, wenn man so will, denn früher hat man ja das, was auf dem Markt geschieht, sorgfältig unterschieden vom Privatleben. Und heute wird das Privatleben selber auf dem Markt feilgeboten. Und die Faszination, die davon ausgeht, scheint unendlich zu sein."
Dass Myspace so schnell populär wurde, rührt vor allem daher, dass Gründer Anderson zunächst an Musiker herantrat und sie überzeugte, eine Seite einzurichten. So konnten die Künstler Kontakt zu den Fans pflegen, Auftrittsorte bekannt geben und Musikstücke zum Anhören oder Herunterladen bereitstellen. Heute präsentieren sich von Schülerbands bis zu Madonna und Depeche Mode alle auf Myspace-Seiten. Und es gibt schon einige Erfolgsgeschichten. Die Band Arctic Monkeys zum Beispiel kam nur über ihre Myspace-Präsenz zum Erfolg.
Auch das Berliner Instrumentalduo "Stadt Land Fluss" ist bereits einer großen Zahl Musikfans bekannt - und das, obwohl sie noch keine CD veröffentlicht haben.
Das kam so: Gitarrist Sascha Steinfurth traf bei einer Party ein Mitglied der bekannten norwegischen Band "Kings of Convenience". Die bekannten Norweger nahmen die noch unbekannten Berliner in die Liste ihrer "Friends" auf. Denn bei Myspace geht es darum, "friends", also Links zu den Profilen anderer, zu sammeln. Natürlich wollten alle Fans der Norweger diese obskuren musikalischen Freunde ihrer Band hören. Zur Verwendung des Begriffes "friend" auf Myspace hat Steinfurth allerdings eine kritische Haltung.
"Das Wort 'Freunde' ist nur ein Wort. Fünf der Leute, die bei uns Myspace-Freunde sind, sind meine echten Freunde. Und der Rest sind fremde Leute für mich. Es ist einfach dazu da, um die Leute, die sich da einlinken, zu zählen, da muss ja, hinter der Zahl muss ja eine Maßangabe stehen wie Kilogramm oder Zentimeter. Und bei Myspace ist es halt das Wort 'friends'."
Immerhin haben sich aufgrund dieser "virtuellen Freundschaft" bislang knapp dreitausend Besucher der Seite von "Stadt Land Fluss" auf myspace den Song "Luftkissenboot" angehört.
Sascha Steinfurth: "Ich habe 500 Tapes verschickt in meinem Leben - für nichts und wieder nichts. Und Myspace macht das überflüssig. Myspace ist Werbung."
Auf myspace wird Werbung für die eigene Person betrieben. Der Managementguru Tom Peters hat die Formel dafür schon längst gefunden, wie Norbert Bolz erklärt:
"Brand you - mach Dich selbst zur Marke, beziehungsweise 'die Marke Du'. Und genau darauf zielt das alles ab. Jeder hofft darauf, sich selbst zur Marke machen zu können, man betreibt Public Relations für sich selbst."
Und nicht nur Musiker haben Erfolgsgeschichten erlebt. Auch Myspace-Gründer Tom Andersson ist unter den Gewinnern. Im letzten Jahr verkaufte er seine Seite für 649 Millionen US-Dollar an den Medienmogul Rupert Murdoch. Ob der nun zu erwartende stärkere Einsatz von Werbung die Myspace-Gemeinschaft zu anderen Portalen abwandern lässt, bleibt abzuwarten.
Prof. Dr. Nobert Bolz: "Ich hoffe natürlich, dass die Community von Myspace die Kommerzialisierung dieses Raumes als Impuls nutzt, um zu neuen, wiederum grandiosen anderen Ausdrucksformen zu greifen oder sie zu entwickeln. Also, dass Innovation, wenn man es so will, aus Flucht vor der Kommerzialisierung wieder statt hat, wie das schon häufig der Fall war."
Verfechter von Myspace betonen die schier unglaublichen Vernetzungspotentiale der Seite, Kritiker erinnert sie an einen kollektiven Exhibitionismus. Tatsächlich scheint Datenschutz für eine neue Generation an Internetnutzern ein Fremdwort zu sein. Dennoch sollte man vorsichtig sein, was man von sich preisgibt. In den USA sind schon erste Kündigungen wegen Inhalten von Myspace-Seiten ausgesprochen worden. Für die junge Generation ist Myspace immer mehr das Medium der Darstellung Nummer Eins. Sehen und gesehen werden im globalen Dorf.
Zu dieser Zielgruppe zählt sich Professor Dr. Norbert Bolz allerdings nicht mehr.
"Bei Myspace halte ich es ähnlich wie bei Diskotheken. Ich finde sie zwar großartig, aber ich verschone die Jugendlichen mit meiner Präsenz."
"Willst Du mein Freund sein?"
Wer das jetzt für eine veraltete und zudem besonders platte Form der Kontaktaufnahme hält, der achte auf den Nachsatz:
"Dann verlink ich Dich auf meine My Space-Seite."
Im Juli 2003 gründete Tom Anderson in den USA myspace.com. Auf der Webseite, die sich durch Werbung finanzierte, konnte jedermann ein Profil von sich erstellen sowie Texte, Fotos, und Videos ins Internet stellen - kostenlos und kinderleicht. In der Folge wurde Myspace zu einer Kreuzung aus Homepage, Kontaktbörse und Peepshow. Hier kann man einen Einblick in das Leben und die Vorlieben seiner Mitmenschen bekommen. Kontakte zu 100 Millionen Menschen - so viele Mitglieder hat die Seite seit August 2006 laut Angaben der Betreiber - sind plötzlich nur ein paar Mausklicks entfernt. Der Medien- und Kommunikationstheoretiker Prof. Dr. Norbert Bolz erklärt das Phänomen so:
"Myspace.com ist ein Jahrmarkt der Eitelkeiten und zugleich auch ein höchst realer Marktplatz für Privates. Also eine Paradoxie, wenn man so will, denn früher hat man ja das, was auf dem Markt geschieht, sorgfältig unterschieden vom Privatleben. Und heute wird das Privatleben selber auf dem Markt feilgeboten. Und die Faszination, die davon ausgeht, scheint unendlich zu sein."
Dass Myspace so schnell populär wurde, rührt vor allem daher, dass Gründer Anderson zunächst an Musiker herantrat und sie überzeugte, eine Seite einzurichten. So konnten die Künstler Kontakt zu den Fans pflegen, Auftrittsorte bekannt geben und Musikstücke zum Anhören oder Herunterladen bereitstellen. Heute präsentieren sich von Schülerbands bis zu Madonna und Depeche Mode alle auf Myspace-Seiten. Und es gibt schon einige Erfolgsgeschichten. Die Band Arctic Monkeys zum Beispiel kam nur über ihre Myspace-Präsenz zum Erfolg.
Auch das Berliner Instrumentalduo "Stadt Land Fluss" ist bereits einer großen Zahl Musikfans bekannt - und das, obwohl sie noch keine CD veröffentlicht haben.
Das kam so: Gitarrist Sascha Steinfurth traf bei einer Party ein Mitglied der bekannten norwegischen Band "Kings of Convenience". Die bekannten Norweger nahmen die noch unbekannten Berliner in die Liste ihrer "Friends" auf. Denn bei Myspace geht es darum, "friends", also Links zu den Profilen anderer, zu sammeln. Natürlich wollten alle Fans der Norweger diese obskuren musikalischen Freunde ihrer Band hören. Zur Verwendung des Begriffes "friend" auf Myspace hat Steinfurth allerdings eine kritische Haltung.
"Das Wort 'Freunde' ist nur ein Wort. Fünf der Leute, die bei uns Myspace-Freunde sind, sind meine echten Freunde. Und der Rest sind fremde Leute für mich. Es ist einfach dazu da, um die Leute, die sich da einlinken, zu zählen, da muss ja, hinter der Zahl muss ja eine Maßangabe stehen wie Kilogramm oder Zentimeter. Und bei Myspace ist es halt das Wort 'friends'."
Immerhin haben sich aufgrund dieser "virtuellen Freundschaft" bislang knapp dreitausend Besucher der Seite von "Stadt Land Fluss" auf myspace den Song "Luftkissenboot" angehört.
Sascha Steinfurth: "Ich habe 500 Tapes verschickt in meinem Leben - für nichts und wieder nichts. Und Myspace macht das überflüssig. Myspace ist Werbung."
Auf myspace wird Werbung für die eigene Person betrieben. Der Managementguru Tom Peters hat die Formel dafür schon längst gefunden, wie Norbert Bolz erklärt:
"Brand you - mach Dich selbst zur Marke, beziehungsweise 'die Marke Du'. Und genau darauf zielt das alles ab. Jeder hofft darauf, sich selbst zur Marke machen zu können, man betreibt Public Relations für sich selbst."
Und nicht nur Musiker haben Erfolgsgeschichten erlebt. Auch Myspace-Gründer Tom Andersson ist unter den Gewinnern. Im letzten Jahr verkaufte er seine Seite für 649 Millionen US-Dollar an den Medienmogul Rupert Murdoch. Ob der nun zu erwartende stärkere Einsatz von Werbung die Myspace-Gemeinschaft zu anderen Portalen abwandern lässt, bleibt abzuwarten.
Prof. Dr. Nobert Bolz: "Ich hoffe natürlich, dass die Community von Myspace die Kommerzialisierung dieses Raumes als Impuls nutzt, um zu neuen, wiederum grandiosen anderen Ausdrucksformen zu greifen oder sie zu entwickeln. Also, dass Innovation, wenn man es so will, aus Flucht vor der Kommerzialisierung wieder statt hat, wie das schon häufig der Fall war."
Verfechter von Myspace betonen die schier unglaublichen Vernetzungspotentiale der Seite, Kritiker erinnert sie an einen kollektiven Exhibitionismus. Tatsächlich scheint Datenschutz für eine neue Generation an Internetnutzern ein Fremdwort zu sein. Dennoch sollte man vorsichtig sein, was man von sich preisgibt. In den USA sind schon erste Kündigungen wegen Inhalten von Myspace-Seiten ausgesprochen worden. Für die junge Generation ist Myspace immer mehr das Medium der Darstellung Nummer Eins. Sehen und gesehen werden im globalen Dorf.
Zu dieser Zielgruppe zählt sich Professor Dr. Norbert Bolz allerdings nicht mehr.
"Bei Myspace halte ich es ähnlich wie bei Diskotheken. Ich finde sie zwar großartig, aber ich verschone die Jugendlichen mit meiner Präsenz."