Sehnsucht der Verlierer

Von Jörg Taszman |
Der spanische Regisseur Fernando de Léon Aranoa widmet sich in seinen Filmen den scheinbaren Außenseitern und Verlierern der Gesellschaft. Mit dem Arbeitslosendrama "Montags in der Sonne" gelang ihm der Durchbruch. Sein neuer Film "Princesas", der jetzt in die Kinos kommt, schildert das Leben zweier Prostituierter in Madrid.
Über eine Million Zuschauer sahen zu den Klängen von Manu Chao die Geschichte von zwei jungen Frauen, die von der Prostitution leben. Beide leben am Rand von Madrid und sind eigentlich Konkurrentinnen.

Caye ist Spanierin und um die 30, sie stammt aus gut bürgerlichem Haus. Zulema die jüngere, ist Mutter und kommt aus der Dominikanischen Republik. Für nur 25 Euro verkauft sie sich und macht den alteingesessenen wie Caye die Preise kaputt. Aber als Zulema von einem Freier misshandelt wird, hält Caye zu ihr. Die ungleichen Frauen freunden sich an und wenn es ihnen gut geht, dann fühlen sie sich wie Prinzessinnen.

Auch der vierte Spielfilm von Fernando de Léon Aranoa fängt wieder eine soziale Realität ein und ist doch kein bloßes Thesenkino. Mit seinen langen schwarzen Haaren, die er als Pferdeschwanz trägt, wirkt der fast hühnenhafte Regisseur, wie ein Alt-Hippie. Er redet bedächtig, gibt lange Antworten und arbeitet lange an seinen Filmen.

Über drei Jahre hat es gedauert, bis er nach seinem kommerziellen wie künstlerischen Durchbruch mit "Montags in der Sonne" nun "Princesas" fertig stellte. Viel Wert legt der Regisseur auf das Schreiben des Drehbuchs und bezeichnet sich am Set nicht unbedingt als einen demokratischen Regisseur.

"Es ist natürlich so, dass Film nicht demokratisch ist und jeder Regisseur manipuliert und auch gerne manipuliert. Es ist schwierig, wenn man sich fragt, was lässt man zu? Das Drehbuch ist da schon die Maßschnur von dem, was am Set passiert, wenn gedreht wird. Da kann man natürlich auch mal etwas ändern, obwohl das meist auch erst durch die Schwäche des Drehbuchautors ermöglicht wird."

Zum zweiten Mal ist Fernando de Léon Aranoa nach Berlin gekommen, um einen seiner Filme persönlich vorzustellen. Diesmal hat er die Hauptdarstellerin Candela Pena mitgebracht, die für ihre Darstellung das spanische Pendant zum Oscar, einen Goya erhielt. Was schätzt sie besonders an ihrem Regisseur und mag sie es generell mehr geführt zu werden oder erst einmal Dinge anzubieten?

"Bis jetzt habe ich natürlich immer bei Filmen Dinge angeboten, aber gerade nach diesen Dreharbeiten wurde mir bewusst, dass mir Regisseure lieber sind, die wissen, was sie wollen. Sicher habe ich mit Fernando auch mal Witze gemacht, wenn er wieder einmal nichts an seinem Drehbuch ändern wollte, aber er weiß, was er will, und als Schauspielerin setze ich seine Vision um. Ich bin wie ein Passagier auf einem Schiff, aber welchen Hafen das Schiff ansteuert, weiß nur der Kapitän."

Vier Filme hat der 38-jährige Spanier nun gedreht, nur zwei davon kamen in Deutschland ins Kino. International wurde man 1998 beim Rotterdamer Filmfestival auf ihn aufmerksam mit "Barrio", seinem Film über drei Jugendliche in einem Vorort von Madrid, die versuchen mit Jobs, Tricks oder Drogen sich den Traum von einem besseren Leben zu erfüllen. Auf dem Filmplakat sah man ein futuristisch-anmutendes Wasserskifahrzeug vor den grauen Silhouetten einer anonymen Hochhaussiedlung. Es sind diese einfachen Metaphern, die das Kino von Fernando de Léon Aranoa ausmachen.

In "Montags in der Sonne", dem Film über arbeitslose Fabrikarbeiter, zerschmettert der von Javier Bardem gespielte Santa bewusst eine Straßenlaterne, wohl wissend, dass er dann Ärger bekommt. Aber er muss seinem ehemaligen Arbeitgeber eins auswischen. Sieht der Regisseur Gemeinsamkeiten zwischen seinen sozialen Dramen, die er mit viel Humor erzählt?

"Was alle Filme gemeinsam haben, ist die Suche nach einem verlorenen Paradies und das innerhalb einer Realität, die sehr unangenehm ist. In meinem ersten Film 'La Familia' wurden Schauspieler engagiert, um ein heiles Familienleben zu mimen, In 'Princesas' geht es bei der Figur von Caye um Träume, um die Tagträume, das Ausweichen. Auch in 'Barrio' ging es um Wünsche, Sehnsüchte, Vorstellungen von einem besseren Leben. Und in 'Montags in der Sonne' geht es in der Figur von Santa um konkrete Utopie, um Protest. Dieser Film zeigt von allen vier Filmen vielleicht auch am konkretesten den Widerstand."

Dem Spanier fällt es schwer nach diesen scheinbar thematisch ähnlichen Filmen, die sich jedoch durchaus unterscheiden, nun einen Schlussstrich zu ziehen und eventuell etwas ganz anderes zu drehen. Nach jedem abgeschlossenen Werk weiß er nicht, was als Nächstes kommt. "Ich plane das alles nicht", sagt Fernando de Leon Aranoa und wirkt dabei sehr ernsthaft. Man muss sich wohl wieder drei Jahre gedulden, bis man einen neuen "Aranoa" bewundern darf.