Sehnsucht nach der Jugendliebe
In der Eifel spielen die Bücher von Norbert Scheuer. Seine Erzählungen sind häufig sehr eigenwillig, von einer rauen Poesie, wirken wie aus Zeit gefallen. Das gilt auch für seinen neuen Roman "Peehs Liebe" - geprägt von der Jugendliebe der Hauptfigur Rosarius.
"Kall, Eifel" - so hieß 2006 ein Band mit Erzählungen des 1951 geborenen Schriftstellers Norbert Scheuer. Das ist eine programmatische Ortsangabe. Das Örtchen Kall in der Mittelgebirgslandschaft der Eifel bildet nicht nur geografisch das Zentrum seiner Bücher, Scheuer übersetzt zudem auch das Knorrige, jenseits urbaner Zentrum Stehende, zum Teil auch aus der Zeit Gefallene dieser Gegend in Literatur.
Auch sein neuer Roman "Peehs Liebe" spielt zum größten Teil in Kall; hier liegt die Gastwirtschaft, in der die Figuren sich treffen, hier liegen die aufgegebenen Bergwerke, in denen Besessene nur noch nach Schätzen suchen, die sie nie finden werden, hier liegt auch das Pflegeheim, in dem Rosarius Delamot, die Zentralfigur des Romans, nach zwei Schlaganfällen vor sich hin dämmert und sich dabei an sein Leben erinnert.
Aber gleich in mehrfacher Hinsicht geht Norbert Scheuer in diesem Buch entscheidend über Kall und die Eifel hinaus. Zum einen zeichnet er die Wege nach, die Rosarius Delamots Vater, ein Archäologe, in den dreißiger und vierziger Jahren in Nordafrika zurücklegte, als er sich auf die Suche nach den antikine römischen Heeresstraßen machte, die Europa mit dem mittleren Orient verbanden. Zum anderen, und das ist für die Stimmung des Romans noch entscheidender, wird immer wieder Hölderlins "Hyperion" zitiert. Gleich mehrere Figuren können ihn fast auswendig aufsagen. Der hohe Ton, das Sehnen nach Einheit und nach Liebe, das darin zum Ausdruck kommt, kontrastiert hart mit der Kargheit der Landschaft und der Lebensentwürfe in Kall.
Seine Hauptfigur Rosarius hat Norbert Scheuer wie einen reinen Tor angelegt. Die ersten 23 Jahre seines Lebens kann er nicht sprechen. Sein ganzes Leben ist von der Sehnsucht nach seiner Jugendliebe Peeh geprägt, die er, nachdem sie die Eifel früh verlassen hat, um sich als Pianistin durch die Welt zu schlagen, nur noch einmal wiedersehen wird. Peeh ist sein Kosewort, eine gesummte Form ihres Namens Petra. Moderne Konzepte wie beruflicher Ehrgeiz oder Selbstverwirklichung gelten nicht für diesen sanftmütigen Mann, der das Leben eher freundlich erduldet als selbst gestaltet. Einmal wird er sogar aufgrund seines Torwarttalents vom 1. FC Köln entdeckt, was er ebenso gleichmütig aufnimmt wie das schnelle Ende seiner Fußballerkarriere aufgrund eines Verkehrsunfalls.
Dieser Rosarius Delamot, so fremd er einem ist, kann einem bei der Lektüre nachgehen. Norbert Scheuer macht ihn als Figur mit großem Ernst plastisch. Er ist das Zentrum dieser Romanwelt, in der es keine Fernseher zu geben scheint und die Menschen allesamt in sich selbst und den verschlungenen Wegen ihrer Erinnerungen gefangen sind. Andere Aspekte dieses sehr eigensinnigen Romans bleiben einem aber seltsam. So wird nie ganz klar, warum die Hilfspflegerin Annie sich so aufopferungsvoll um den alt gewordenen Rosarius kümmert. Während man die Anlage des Rosarius Delamot gut als Poetisierung eines kargen Lebens nachvollziehen kann, bleibt diese Annie als Figur flach, im Verlauf der Handlung wird sie sogar zur schlichten Wiedergängerin von Peeh.
Diese Peeh ist die einzige moderne, das heißt nicht mit sich identische Figur in diesem Roman - und muss deshalb auch schnell diesen Ort Kall in der Eifel verlassen. Eigentlich wäre es auch interessant gewesen, genauer zu erfahren, was sie so in der Welt erlebt hat.
Rezensiert von Dirk Knipphals
Norbert Scheuer: Peehs Liebe
C.H. Beck Verlag, München 2012
224 Seiten, 17,95 Euro
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Aber gleich in mehrfacher Hinsicht geht Norbert Scheuer in diesem Buch entscheidend über Kall und die Eifel hinaus. Zum einen zeichnet er die Wege nach, die Rosarius Delamots Vater, ein Archäologe, in den dreißiger und vierziger Jahren in Nordafrika zurücklegte, als er sich auf die Suche nach den antikine römischen Heeresstraßen machte, die Europa mit dem mittleren Orient verbanden. Zum anderen, und das ist für die Stimmung des Romans noch entscheidender, wird immer wieder Hölderlins "Hyperion" zitiert. Gleich mehrere Figuren können ihn fast auswendig aufsagen. Der hohe Ton, das Sehnen nach Einheit und nach Liebe, das darin zum Ausdruck kommt, kontrastiert hart mit der Kargheit der Landschaft und der Lebensentwürfe in Kall.
Seine Hauptfigur Rosarius hat Norbert Scheuer wie einen reinen Tor angelegt. Die ersten 23 Jahre seines Lebens kann er nicht sprechen. Sein ganzes Leben ist von der Sehnsucht nach seiner Jugendliebe Peeh geprägt, die er, nachdem sie die Eifel früh verlassen hat, um sich als Pianistin durch die Welt zu schlagen, nur noch einmal wiedersehen wird. Peeh ist sein Kosewort, eine gesummte Form ihres Namens Petra. Moderne Konzepte wie beruflicher Ehrgeiz oder Selbstverwirklichung gelten nicht für diesen sanftmütigen Mann, der das Leben eher freundlich erduldet als selbst gestaltet. Einmal wird er sogar aufgrund seines Torwarttalents vom 1. FC Köln entdeckt, was er ebenso gleichmütig aufnimmt wie das schnelle Ende seiner Fußballerkarriere aufgrund eines Verkehrsunfalls.
Dieser Rosarius Delamot, so fremd er einem ist, kann einem bei der Lektüre nachgehen. Norbert Scheuer macht ihn als Figur mit großem Ernst plastisch. Er ist das Zentrum dieser Romanwelt, in der es keine Fernseher zu geben scheint und die Menschen allesamt in sich selbst und den verschlungenen Wegen ihrer Erinnerungen gefangen sind. Andere Aspekte dieses sehr eigensinnigen Romans bleiben einem aber seltsam. So wird nie ganz klar, warum die Hilfspflegerin Annie sich so aufopferungsvoll um den alt gewordenen Rosarius kümmert. Während man die Anlage des Rosarius Delamot gut als Poetisierung eines kargen Lebens nachvollziehen kann, bleibt diese Annie als Figur flach, im Verlauf der Handlung wird sie sogar zur schlichten Wiedergängerin von Peeh.
Diese Peeh ist die einzige moderne, das heißt nicht mit sich identische Figur in diesem Roman - und muss deshalb auch schnell diesen Ort Kall in der Eifel verlassen. Eigentlich wäre es auch interessant gewesen, genauer zu erfahren, was sie so in der Welt erlebt hat.
Rezensiert von Dirk Knipphals
Norbert Scheuer: Peehs Liebe
C.H. Beck Verlag, München 2012
224 Seiten, 17,95 Euro
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