Sehnsuchtsort Wald – geliebt und bedroht
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit dem Naturwart Achim Laber und Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut für Waldökosysteme. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de. Besuchen Sie uns auch auf Facebook, Instagram und Twitter.
Geliebt und bedroht
83:10 Minuten
Der Wald liefert nicht nur Holz, er ist Lebensraum, Sauerstoffspender, Klimaregulator – und Erholungsort. Ein Waldspaziergang entspannt, egal zu welcher Jahreszeit. Doch unsere Wälder sind bedroht. Klimawandel und Schädlinge setzen ihnen zu.
Die Corona-Pandemie hat uns zu Spaziergängern werden lassen. Wenn wir schon nicht in die Ferne reisen können, dann geht es eben ab in den heimischen Wald. Und davon haben wir reichlich in Deutschland: Rund ein Drittel der Landesfläche ist von Wald bedeckt. 90 Milliarden alte und junge Fichten, Kiefern, Buchen, Eichen und seltenere Baumarten prägen unsere Wälder. Dort leben über 6700 Tierarten und unzählige Pflanzen.
Gerade jetzt ist der Wald für viele zum Rückzugsraum geworden, um abzuschalten und neue Energie zu tanken. Doch dieser Kraftspender ist bedroht – das zeigt auch der aktuelle Waldzustandsbericht.
Naturparadies Hochschwarzwald
"Sobald die Sonne auf die Fichtennadeln brutzelt, riecht es nach Waldrand", so beschreibt Achim Laber "seinen" Naturpark Südschwarzwald. Der Forstwirt arbeitet seit 1989 als Naturwart am Feldberg, mit 1493 Metern der höchste Berg Deutschlands jenseits der Alpen, mit dem höchstgelegenen Mittelgebirge. "Wir haben hier einen Mix aus Weißtanne und Buchen, Fichten, aber auch Traubeneichen, Bergahorn." Es gibt seltene Tierarten wie den streng geschützten Auerhahn, Ringdrosseln oder – leider immer weniger – den Bergpieper.
Gerade deshalb sei der Feldberg auch ein beliebtes Ausflugsziel – mit allen Vor- und Nachteilen. Viele Besucher – so die Beobachtung des Naturschützers – betrachteten den Wald als reines Ausflugsziel und nicht als Lebensraum von Tieren und Pflanzen. "Es ist auf der einen Seite sehr schön, dass sich die Menschen mehr mit dem Wald beschäftigen, aber sie sehen die Bewohner des Waldes nicht als gleichberechtigt an." An manchen Tagen werde der Feldberg geradezu bestürmt. So mussten im Winter die Zufahrtsstraßen für Ski-Begeisterte zeitweise gesperrt werden.
Die Fichte, das "Sorgenkind"
Wie geht es seinem Wald angesichts des Klimawandels? "Unserem Wald geht es nicht ganz so schlecht wie in den tiefer gelegenen Regionen. Wir sind aber auch etwas von den Borkenkäfern betroffen. Aber wir haben noch sehr schöne alte Wälder. Da steckt noch sehr viel Ur-Schwarzwald drin."
"Die letzten drei Jahre haben gezeigt, dass der Klimawandel endgültig und für alle sichtbar im deutschen Wald angekommen ist", sagt Nicole Wellbrock, Leiterin des Arbeitsbereichs Bodenschutz und Waldzustand am Thünen-Institut für Waldökosysteme. Sie koordiniert die Untersuchungen für den Waldzustandsbericht.
Knapp 40 Prozent aller erfassten Bäume weisen demzufolge deutliche Schäden an den Kronen aus. Sorgenkind Nummer eins: die Fichte. "Sie ist so stark geschädigt, dass man sagt, dass in den unteren Lagen die Fichte auch keine Zukunft mehr hat für den Wald." Betroffen seien aber auch Kiefern und Laubbäume wie Eichen und Buchen. Sie alle litten unter den Folgen des Klimawandels, wie Hitze und Trockenstress – und den Schadstoffen aus Industrie, Verkehr und Landwirtschaft.
Der Wald der Zukunft
Die Folge: "Das Waldbild wird sich stark verändern", so die Wissenschaftlerin. Es werde bereits erforscht, welche Bäume klimaresistenter sind und auch in Zukunft hierzulande wachsen können. Zum Beispiel Buchen- und Eichenarten aus Südosteuropa – oder auch die umstrittene Douglasie. Naturschützer wie Achim Laber warnen davor, sie vorschnell als "Wunderbaum" zu sehen. Sie seien keine einheimische Baumart und verdrängten ursprüngliche Arten.
Nicole Wellbrock möchte deshalb eine gesellschaftliche Diskussion anstoßen: "Was wollen wir mit dem Wald? Nach dem Krieg brauchte Deutschland Holz für die Industrie. Heute steht eher die Ökosystem-Leistung im Vordergrund, die Biodiversität, der Trinkwasserschutz. Und die Frage ist: Wo wollen wir was zu welchem Anteil? Wenn wir Naturschutz wollen, müssen wir die Waldbesitzer entschädigen."
(sus)