Seidenstraße für Europa

An Chinas Macht teilhaben

26:31 Minuten
Gestapelte Container in den Nationalfarben von der EU und der Volksrepublik China.
Wirtschaftbeziehungen zu beider Vorteil? Durch die "Neuen Seidenstraße" möchte China engere wirtschaftliche Bande mit Europa pflegen. © picture alliance / dpa / chromorange / Christian Ohde
Von Michael Lehmann, Srdjan Govedarica, Nikolaus Nützel  · 09.07.2019
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Griechenland, Italien und Serbien gehören zu den 13 europäischen Ländern, die bei Chinas Prestigeprojekt "Neue Seidenstraße" mitmachen. Sie hoffen auf Investitionen, fürchten Abhängigkeiten - und pflegen ihren ganz eigenen Umgang mit der Wirtschaftsmacht.

Griechenland – Vom Handelsweg profitieren

Noch gibt es in Athen oder Thessaloniki kein Chinatown – doch das könnte in zehn Jahren mal anders sein, sagt nicht nur der Athener Immobilien-Makler Sortiris Fourtoulakis. Der Immobilienmarkt entwickle sich immer besser, es scheine fast so, als ob da jemand auf den Knopf mit der Aufschrift gedrückt habe: Kommt und investiert kräftig in Griechenland.

Im Podcast der Weltzeit am 10. Juli hören Sie auch, welche Gefühle Chinas Führung mit dem alten Label "Seidenstraße" bei den eigenen Bürgern ansprechen will.

Zwischen 2010 und 2015 – als die reicheren Geldgeber-Länder Europas mit Griechenland im Clinch waren um neue Geldspritzen und Reformprogramme, witterten chinesische Großbanken ihre Chance: Günstige Milliarden-Hilfsgelder aus Peking hätten Griechenland ein Stück weit herauslösen können aus dem alten Europa. Doch die Taktik der Chinesen ging nicht auf. Am Ende blieb Griechenland im Euro-Raum, allerdings konnte die 2015 gewählte griechische Regierung der Charme-Offensive aus Peking nicht ganz widerstehen. Ein "Memorandum of Unterstanding" wurde vom griechischen und chinesischen Außenminister unterschrieben.
In Hafen von Piräus stapeln sich Container
Der Containerhafen von Piräus: Seit 2016 mehrheitlich im Besitz der chinesischen Staatsreederei Cosco.© picture alliance / Angelos Tzortzinis
Doch heute will das weiter wirtschaftlich notleidende Griechenland nicht mehr nur der schnelle Spielball im Kampf um Macht und Einfluss Pekings sein. Athen hat längst erkannt, dass der so wichtige und lukrative schnelle Handelsweg vom Mittelmeer bei Piräus in Richtung Balkan und Nord-Europa wertvoll ist. Der griechische Anteil daran, so scheint es, soll nicht unter Wert gehandelt werden.

Serbien – Die letzte ökonomische Chance

In Belgrad bauten chinesische Firmen eine Donau-Brücke und woanders Autobahnstrecken, übernahmen ein marodes Stahlwerk und eine unrentable Kupfermine und modernisieren eine Eisenbahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest. Insgesamt flossen Schätzungen zufolge bislang rund zwei Milliarden Euro in den Balkanstaat. Im Mai besuchte der serbische Präsident Aleksandar Vucic die Baustelle eine Autobahnbrücke bei Belgrad, die ein chinesisches Unternehmen baut.
"Ich bin unseren chinesischen Freunden dankbar, dass sie uns immer günstigste Bedingungen bieten. Wir haben nichts auszusetzen. Wir danken Euch für alles. Viele lachten früher über mich in Serbien, aber jetzt nicht mehr, und ich werde mich deshalb noch einmal bei Präsident Xi Jinping und der gesamten Staatsführung bedanken."
Die neue Brücke über die Donau am Rande der serbischen Hauptstadt Belgrad
Die neue Brücke über die Donau bei Belgrad ist eine erste chinesische Großinvestition in die Infrastruktur Serbiens. Weitere sollen folgen.© Picture Alliance / dpa / Thomas Brey
Doch es gibt auch Schattenseiten, sagt Ivana Pavlovic. Sie ist Journalistin bei der "Nova Ekonomija" einer Wirtschaftszeitschrift aus Belgrad.
"Das sind keine echten kommerziellen Deals, bei denen die serbische Regierung in einer Ausschreibung kundgetan hat, dass sie beispielsweise eine Straße bauen will und Interessierte dazu aufgerufen hat, ein Angebot vorzulegen für den Kilometerpreis und für die Finanzierungsbedingungen. So werden wir niemals erfahren, wie viel der Kilometer einer Bahnstrecke oder einer Autobahn gekostet hätte, wenn dieses Geschäft öffentlich ausgeschrieben worden wäre und mehrere Unternehmen Angebote abgegeben hätten."

Italien – Größe mit Hilfe von China

Es herrschte eine festliche Atmosphäre, als Ende März Chinas Staatschef Xi Jinping gemeinsam mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte die Unterzeichnung von insgesamt 29 Vereinbarungen begleitete. Als geistiger Vater des Abkommens gilt vor allem der italienische Wirtschaftsstaatssekretär Michele Geraci.
"Ich denke, dass unsere Partner zufrieden sein sollten, dass Italien, auch wenn das vielleicht überraschend und neu sein mag, ein wenig eine Führungsrolle in Europa einnimmt."
Wobei es etwas in die Irre führt, zu sagen, Italien habe bei den Wirtschaftskontakten mit China eine Führungsrolle. Es gibt zwar schon lange wirtschaftliche Verflechtungen zwischen beiden Ländern. Nach einer Auflistung des "Mercator Institutes for China Studies" summieren sich die chinesischen Investitionen in Italien in den vergangenen zehn Jahren auf gut 15 Milliarden Euro. Gleichzeitig seien nach Großbritannien aber fast 47 Milliarden Euro geflossen und nach Deutschland immerhin gut 22 Milliarden, heißt es in der Zusammenfassung.
Xi Jinping (l) und Giuseppe Conte
Hoffen auf gute Wirtschaftsbeziehungen: Chinas Staatspräsident Xi Jinping (l) und Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte.© AP
Auch deshalb versteht der italienische Regierungsvertreter Michele Geraci nicht, warum seinem Land ein Vorpreschen vorgeworfen wird. Bei einer ersten Bilanz der neuen Vereinbarungen zur "Neuen Seidenstraße" betont er, dass China dabei keineswegs die Bedingungen diktiere.
"Es gibt keine wirklichen Forderungen von der chinesischen Seite. Tatsächlich ist hier in Italien die Einschätzung, dass China näher an europäische Standards herangebracht worden ist – bei Themen wie Wettbewerbsbedingungen oder Klimawandel. Und deswegen denke ich, wir haben gute Arbeit dabei geleistet, China auf europäische Standards zu bringen."

Europa sei in Bezug auf das wirtschaftliche und politische Verhältnis zu China gespalten, sagt "Süddeutsche Zeitung"-Korrespondent Martin Winter im Interview mit Deutschlandfunk Kultur:
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