Emissionsfrei in die Stadt schweben
17:33 Minuten
Im Zickzack über den Fluss: Mit einer neuen Seilbahnstrecke will die Stadt Köln das tägliche Verkehrschaos an den Rheinbrücken auflösen. Doch da die Gondeln direkt am Welterbe Kölner Dom vorbeischweben sollen, sind Konflikte mit der Unesco programmiert.
"Man kann Gondeln im 30- bis 40-Sekunden-Takt einsetzen. Das heißt, es wäre von hier aus, vom Dom durchaus möglich, in sieben bis zehn Minuten rüber zum Wiener Platz zu gondeln und dabei zwei Rheinquerungen mitzunehmen", sagt Thomas Schmeckpeper.
Wenn der 34-jährige Verkehrsreferent der "Ratsgruppe GUT" im Kölner Stadtrat seine Vision vom Rheinpendel erläutert, leuchten seine Augen.
Emissionsfrei in die Stadt pendeln
Wir stehen auf der Hohenzollernbrücke und schauen zur anderen Rheinseite. Die Kölner Rheinbrücken sind Nadelöhre, zu Stoßzeiten immer verstopft. Mit einer Seilbahn könnten täglich Tausende dem Verkehrschaos davonschweben:
"Man kann sich die vielen Pendler aus dem Kölner Umfeld vorstellen, aus Aachen, aus der Eifel, aus dem Süden zwischen Bonn und Köln, die fortan nicht mehr mit dem Auto in die Innenstadt reinfahren, sondern in ein großes Parkhaus am Bonner Verteiler und dort im Parkhaus selbst in die Gondel einsteigen und emissionsfrei in die Stadt reinschweben."
Im Zickzack über den Rhein, mit 21 Stationen links und rechts des Ufers – das ist die Idee. Die Seilbahn sei durchaus ein Transportmittel für die Massen, bis zu zwei Millionen Fahrgäste pro Tag könnte sie transportieren:
"In moderne Gondeln passen 20 bis 30 Personen rein. Da kann man Kinderwagen mitnehmen, Rollatoren, Fahrräder. Staufrei, ampelfrei, emissionsfrei - das kriegen wir derzeit mit keinem anderen Verkehrsträger in der Stadt hin."
Nadelöhre entlasten, nicht verbreitern
Das derzeit größte Verkehrsprojekt in Köln ist die Ost-West-Achse. Der Bau eines U-Bahn-Tunnels quer durch die Innenstadt wird diskutiert, ein 800-Millionen-Projekt. Viele lehnen das ab: zu teuer, zu riskant. Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs vor zehn Jahren aufgrund einer neuen U-Bahn-Linie ist omnipräsent. Anlass für Thomas Schmeckpeper, an Alternativen zu tüfteln. Südamerika ist Vorreiter bei Seilbahnen. Aber auch in London, Ankara oder Portland sind sie erfolgreich im Einsatz.
"Entlasten wir Nadelöhre, indem wir sie breiter machen, oder entlasten wir sie, indem wir neue Tangentialverbindungen in der Stadt schaffen? Sodass wir den Durchgangsverkehr im Innenstadtbereich reduzieren können. Und im Rahmen dessen haben wir uns den Rheinverlauf angeschaut, die Brücken, und sind dann auf diese Seilbahnidee gekommen. Wir vermuten, dass das Thema derzeit noch einen Dornröschenschlaf schläft und dass wir dieses Dornröschen aufwecken sollten."
Nun, neu ist die Idee nicht − in München, Wuppertal, Bonn und Berlin werden Seilbahnen geplant. Allerdings stoßen sie dort teils auf massiven Anwohner-Protest.
"Mit den Beispielen haben wir uns auch vorher auseinandergesetzt. Und gerade in Wuppertal und in Bonn ist der größte Kritikpunkt aus der Sicht der Bevölkerung die mögliche Überquerung von Wohnbebauung. Deswegen haben wir in unserem Streckenvorschlag von Norden nach Süden von Beginn an darauf geachtet, dass keine Wohnbebauung gequert wird, um dieser Kritik von Beginn an konstruktiv zu begegnen."
Die Seilbahnstationen sollen also ausschließlich auf städtischen Grundstücken, etwa auf Parkflächen gebaut werden – doch die Sicht vieler Anwohner wäre durch Gondeln natürlich trotzdem beeinträchtigt.
Der Denkmalschutz redet mit
Gegenwind könnte auch von der Unesco kommen. Der Kölner Dom ist Weltkulturerbe, und eine Seilbahn, die vor der Kathedrale über dem Rhein kreuzt, könnte den Denkmalschützern missfallen. Als die Stadt vor über einem Jahrzehnt auf der gegenüberliegenden Seite des Doms Hochhäuser bauen wollte, drohte die Unesco mit dem Entzug des Weltkulturerbe-Titels.
Thomas Schmeckpeper gibt sich gelassen:
"Damit können wir umgehen, wenn wir von der Unesco eine Einschätzung bekommen. Natürlich kann man sich da und dort vorstellen, die Bahn parallel zum Flusslauf zu führen, um nicht diesen querenden Moment zum Rhein zu haben."
In Köln gibt es bereits eine Seilbahntrasse – zwischen Zoo und Rheinpark. Über Jahrzehnte lief die Touristenattraktion störungsfrei. Doch vor zwei Jahren mussten 65 Fahrgäste aus den Gondeln gerettet werden. Thomas Schmeckpeper ist sicher, dass die derzeitigen Seilbahnen auch bei stürmischem Wetter sicher fahren:
"Das Unglück, das wir zuletzt hatten in Köln, beruht ja auf einer Seilbahntechnik, die jetzt auch mittlerweile 60, 70 Jahre alt ist. Das kann bei modernen Systemen so nicht mehr passieren, weil moderne Gondeln einen eigenen Motor quasi mit sich transportieren, der in einem Notfall, wenn das Förderseil nicht mehr transportieren kann, die Gondel selbstständig zurück in die Station fährt. Da müssen dann also nicht mehr die Höhenretter raus aufs Seil."
Zweifel an den Zahlen
"Ja, schönen guten Tag, freut uns sehr, dass Sie doch so zahlreich erschienen sind. Wir wollen heute unsere Idee des Rheinpendels etwas ausführlicher vorstellen, als Sie dies vielleicht in den letzten Wochen in der Zeitung lesen konnten."
Das Seilbahn-Projekt steht noch ganz am Anfang. Die Ratsgruppe GUT hält zwei Sitze von 90 im Stadtrat. Anfang März hat sie zur Infoveranstaltung eingeladen, in der Hoffnung, erst die Öffentlichkeit, dann die politischen Gremien zu überzeugen.
Zweifel äußern die Zuhörer nicht nur an den geschätzten Kosten von 500 Millionen Euro, sondern auch an der möglichen Kapazität:
"Ich weiß nicht, wie Sie auf die Idee kommen, in jede Richtung 7000 Passagiere zu transportieren. Ich habe mir verschiedene Projekte angeschaut, auch in Wuppertal, da kommen wir auf 3500 pro Richtung. Also, die Zahlen, die Sie präsentieren, stimmen nicht."
Die Machbarkeitsstudie kommt
Zahlen hin oder her − Ende März hat die Ratsgruppe GUT zusammen mit CDU, Grünen und FDP im Verkehrsausschuss durchgesetzt, dass eine Machbarkeitsstudie für die Seilbahn erstellt wird. Und die meisten Kölner sind von der Idee angetan. Offensichtlich ist das Verkehrschaos in Köln groß genug:
− "Ich warte schon lange auf irgendeine tolle Idee, die Köln ökologisch und verkehrstechnisch weiterbringt. Und ich denke, wenn man unten nicht graben kann, weil ständig was im Weg liegt, dann muss man in die Höhe bauen. Das ist die Rettung für das Verkehrsdesaster in Köln."
− "Das Aufbrechen von starren Verkehrsachsen, das finde ich super."
− "Was daraus wird, ist eine andere Sache. Aber zumindest gibt es neue Ideen."
− "Das Aufbrechen von starren Verkehrsachsen, das finde ich super."
− "Was daraus wird, ist eine andere Sache. Aber zumindest gibt es neue Ideen."