Sein Schäflein ins Trockene bringen ...
Diesmal geht es um die Redensarten: Sein Schäflein / Schäfchen ins Trockene bringen, Das ist zum Mäusemelken, Etwas türken, einen Türken bauen, Etwas brennt mir auf / unter den Nägeln, Jetzt ist Polen offen, Das walte Hugo
Sein Schäflein / Schäfchen ins Trockene bringen
Die Hörerin vermutete, es könne eigentlich "sein Scherflein" ins Trockene bringen heißen, doch der Ausdruck "Scherflein" für kleine Münze (zu "Scherf", Bezeichnung einer kleinen Münze im 15. Jahrhundert), der noch in der Wendung "sein Scherflein dazu beitragen" gebräuchlich ist, hat nichts damit zu tun. Es geht tatsächlich um Viehhaltung. Schafe haben wegen ihrer fettigen Wolle an sich kein großes Problem mit feuchterem Wetter, weswegen es nicht um das Unterstellen der Schafe in einen Unterstand oder Stall geht. Vielmehr boten feuchte, gar sumpfige Weiden ideale Lebensbedingungen für Parasiten, unter denen der Leberegel den Schafen besonders gefährlich werden konnte. Hatte man dagegen eine trockene Weide, so befanden sich die Schafe in Sicherheit, woher denn auch der Ausdruck seine Bedeutung bekommt: das seine zu sichern wissen.
Das ist zum Mäusemelken
Diese sprichwörtliche Redensart verwendet man, um seiner Verzweiflung über eine Sache, einen Umstand Ausdruck zu verleihen. Sie stammt aus dem humoristischen Volksvermögen, denn natürlich ist das Melken von Mäusen etwas ebenso Unsinniges wie Unmögliches. Theoretisch hätte man auch eine andere Tätigkeit mit der Maus verbinden können, die als Schädling sehr verbreitet war und sich deshalb anbot, doch war das Melken ebenfalls eine alltägliche Arbeit und der gleiche Anfangsbuchstabe verstärkte die komische Wirkung des Ausdrucks. In Westfalen sagte man übrigens spöttisch zu jemandem, der sich getäuscht hatte: "Du kannst Mäuse melken."
Etwas türken, einen Türken bauen
Die Wendung wird in dem Sinn "etwas vortäuschen" gebraucht. Eine sehr wahrscheinliche Erklärung hat mit dem ersten Schachautomaten zu tun, der schon im Jahr 1768 präsentiert wurde. Mit Turban und Pumphosen saß eine Puppe in Lebensgröße an einer Art Tisch-Kommode, auf der sich wiederum das Schachbrett befand. Der künstliche Türke zog seine Figuren selbst und spielte sehr gut. Er machte seinen Erfinder, den hohen Verwaltungsbeamten und genialen Mechaniker Wolfgang Ritter von Kempelen (1734-1804) im wahrsten Sinne unheimlich berühmt, denn man vermutete, er sei mit bösen Mächten im Bunde. Der Türke inspirierte E. T. A. Hoffmann übrigens zu seiner Schauergeschichte "Die Automate". Oder war er ein Betrüger? Die zweite Anschuldigung entkräftete Kempelen, indem er bei Präsentationen nacheinander die Türen der Kommode öffnete, so dass die Zuschauer den komplizierten Stangen- und Rädermechanismus bestaunen konnten: von einem Trick oder Betrug keine Spur! Die Sensation war perfekt, und Kempelen ging mit dem Schach-Automaten auf eine internationale Tournee. Selbst Adlige und gekrönte Häupter wie Friedrich II. von Preußen spielten gegen den Türken und – verloren meistens.
Als Kempelen 1804 starb, erbte sein Sohn den Türken: Karl von Kempelen, k. u. k. Hofkonzipist. Von ihm kauft ihn der geniale Erfinder des Metronoms und k. u. k. Hofmaschinist Johann Nepomuk Mälzel aus Regensburg. Er unternahm mit dem Türken eine noch größere Tournee. Die regionale und lokale Presse bauschte die Sensation immer wieder auf, obwohl der Schachautomat schon mehrfach als Schwindel entlarvt worden war. 1820 wanderte der Türke in die USA aus, nachdem ihn in England Robert Willis durchschaut hatte. Dort währte das Glück noch eine Reihe von Jahren, doch im Dezember 1835 sah ihn Edgar Allan Poe in Richmond (Virginia). Im April 1836 veröffentlichte er einen berühmt gewordenen Essay "Maelzels Schachspieler", in dem er elegant und schlüssig nachwies, wie der Türke funktionierte: Es verbarg sich kleiner Mann in der Apparatur, der die Bewegungen der Puppe ausführte. Zu sehen war er nicht, weil nie alle Türen und Schubfächer gleichzeitig geöffnet wurden und Sichtblenden einen Einblick nur vortäuschten, außerdem konnte sich der höchst bewegliche Mann von einem Fach ins andere bewegen oder biegen.
Eigentlich muss man von mehreren Männern sprechen, denn es gab im Laufe seiner über 60 Jahre währenden Karriere mehrere. Als Poe hinter die Sache kam, spielte im Türken Wilhelm Schlumberger, der seinen unbequemen Dienst in der Puppe damals schon an die 15 Jahre versehen hatte. Die Nachricht von dem Betrug verbreitete sich durch Europa, und die neue Redensart war geboren.
Eine andere Erklärung sieht den Ursprung der Wendung allerdings im Militärischen. Die Türken und das Abendland bekriegten sich ja Jahrhunderte lang. Kein Wunder, dass man im habsburgischen Heer bestimmte Bewegungen der Truppe einem gedachten Feind gegenüber einen "Türken" nannte. Weil dieses Manöver bei Truppenbesichtigungen geübt und den prüfenden Vorgesetzten oft etwas vorgespielt wurde, habe sich die Redensart herausgebildet.
Etwas brennt mir auf / unter den Nägeln
Die Bedeutung "etwas drängt mich zu größter Eile, ist mir extrem wichtig zu erledigen" ist unstrittig, die Herkunft dagegen ist nicht zu hundert Prozent gesichert. Weniger wahrscheinlich ist die Erklärung, Foltermethoden lägen dem Ausdruck zu Grunde. Glühende Kohlenstückchen auf den Nägeln sollten zur Aussage zwingen. Wahrscheinlicher ist die Herkunft vom Brauch der Mönche bei der Frühmesse, bei der es ja meist noch dunkel war, Kerzlein auf die Daumennägel zu stecken, um im Brevier oder im Messbuch lesen zu können. Je länger die Andacht dauerte, umso dringlicher wurde es, ein Ende zu machen, weil den Mönchen es auf den Nägeln brannte.
Jetzt ist Polen offen
Der Ausdruck ist recht alt und hängt zusammen mit der tragischen Geschichte des polnischen Staates. Einst eins der mächtigsten Reiche Europas, zerfiel die Macht Polens unter anderem wegen der untereinander streitenden Adelssippen; ein Vorgang, der auch in Deutschland seit dem hohen Mittelalter zu beobachten ist. Ähnlich wie Deutschland im Dreißigjährigen Krieg war Polen anschließend Zankapfel großer Mächte, die immer wieder Teile des Landes sich unter den Nagel rissen, im Land Krieg führten, bis sie das Land schließlich für Jahrzehnte von der Landkarte tilgten (Aufteilung zwischen Preußen, Österreich und Russland). Polen war in diesem Sinne offen jeder fremdländischer Invasion und jeder Willkür gegenüber. Daher die Bedeutung "alles ist möglich" bzw. Ausdruck großer Empörung.
Das walte Hugo!
Es handelt sich um eine Variante zu dem viel älteren Stoßseufzer oder frommen Wunsch "Das walte Gott!". Dieser Ausdruck konnte je nach Situation verschiedene Bedeutungen annehmen, wurde aber meist in dem Sinne verwendet: "So möge es sein!" "Gott bewahre!" (Hoffentlich passiert es nicht!) oder "Gott möge sich darum kümmern!". Im späten 19. Jahrhundert wurde der Groß- und Schwerindustrielle Hugo Stinnes derartig reich und einflussreich, das er nach dem Kaiser als der zweitmächtigste Mann im Reich galt. Geradezu sagenhaft schienen seine Eingriffsmöglichkeiten in Wirtschaft und Politik zu sein. Kein Wunder, dass sich vor allem im Ruhrgebiet, wo der Einfluss von Stinnes noch größer war, der Ausdruck "Das walte Hugo!" (Stinnes) einbürgerte, um auszudrücken: "So ist es!" oder "Darüber entscheidet Gott."
Die Hörerin vermutete, es könne eigentlich "sein Scherflein" ins Trockene bringen heißen, doch der Ausdruck "Scherflein" für kleine Münze (zu "Scherf", Bezeichnung einer kleinen Münze im 15. Jahrhundert), der noch in der Wendung "sein Scherflein dazu beitragen" gebräuchlich ist, hat nichts damit zu tun. Es geht tatsächlich um Viehhaltung. Schafe haben wegen ihrer fettigen Wolle an sich kein großes Problem mit feuchterem Wetter, weswegen es nicht um das Unterstellen der Schafe in einen Unterstand oder Stall geht. Vielmehr boten feuchte, gar sumpfige Weiden ideale Lebensbedingungen für Parasiten, unter denen der Leberegel den Schafen besonders gefährlich werden konnte. Hatte man dagegen eine trockene Weide, so befanden sich die Schafe in Sicherheit, woher denn auch der Ausdruck seine Bedeutung bekommt: das seine zu sichern wissen.
Das ist zum Mäusemelken
Diese sprichwörtliche Redensart verwendet man, um seiner Verzweiflung über eine Sache, einen Umstand Ausdruck zu verleihen. Sie stammt aus dem humoristischen Volksvermögen, denn natürlich ist das Melken von Mäusen etwas ebenso Unsinniges wie Unmögliches. Theoretisch hätte man auch eine andere Tätigkeit mit der Maus verbinden können, die als Schädling sehr verbreitet war und sich deshalb anbot, doch war das Melken ebenfalls eine alltägliche Arbeit und der gleiche Anfangsbuchstabe verstärkte die komische Wirkung des Ausdrucks. In Westfalen sagte man übrigens spöttisch zu jemandem, der sich getäuscht hatte: "Du kannst Mäuse melken."
Etwas türken, einen Türken bauen
Die Wendung wird in dem Sinn "etwas vortäuschen" gebraucht. Eine sehr wahrscheinliche Erklärung hat mit dem ersten Schachautomaten zu tun, der schon im Jahr 1768 präsentiert wurde. Mit Turban und Pumphosen saß eine Puppe in Lebensgröße an einer Art Tisch-Kommode, auf der sich wiederum das Schachbrett befand. Der künstliche Türke zog seine Figuren selbst und spielte sehr gut. Er machte seinen Erfinder, den hohen Verwaltungsbeamten und genialen Mechaniker Wolfgang Ritter von Kempelen (1734-1804) im wahrsten Sinne unheimlich berühmt, denn man vermutete, er sei mit bösen Mächten im Bunde. Der Türke inspirierte E. T. A. Hoffmann übrigens zu seiner Schauergeschichte "Die Automate". Oder war er ein Betrüger? Die zweite Anschuldigung entkräftete Kempelen, indem er bei Präsentationen nacheinander die Türen der Kommode öffnete, so dass die Zuschauer den komplizierten Stangen- und Rädermechanismus bestaunen konnten: von einem Trick oder Betrug keine Spur! Die Sensation war perfekt, und Kempelen ging mit dem Schach-Automaten auf eine internationale Tournee. Selbst Adlige und gekrönte Häupter wie Friedrich II. von Preußen spielten gegen den Türken und – verloren meistens.
Als Kempelen 1804 starb, erbte sein Sohn den Türken: Karl von Kempelen, k. u. k. Hofkonzipist. Von ihm kauft ihn der geniale Erfinder des Metronoms und k. u. k. Hofmaschinist Johann Nepomuk Mälzel aus Regensburg. Er unternahm mit dem Türken eine noch größere Tournee. Die regionale und lokale Presse bauschte die Sensation immer wieder auf, obwohl der Schachautomat schon mehrfach als Schwindel entlarvt worden war. 1820 wanderte der Türke in die USA aus, nachdem ihn in England Robert Willis durchschaut hatte. Dort währte das Glück noch eine Reihe von Jahren, doch im Dezember 1835 sah ihn Edgar Allan Poe in Richmond (Virginia). Im April 1836 veröffentlichte er einen berühmt gewordenen Essay "Maelzels Schachspieler", in dem er elegant und schlüssig nachwies, wie der Türke funktionierte: Es verbarg sich kleiner Mann in der Apparatur, der die Bewegungen der Puppe ausführte. Zu sehen war er nicht, weil nie alle Türen und Schubfächer gleichzeitig geöffnet wurden und Sichtblenden einen Einblick nur vortäuschten, außerdem konnte sich der höchst bewegliche Mann von einem Fach ins andere bewegen oder biegen.
Eigentlich muss man von mehreren Männern sprechen, denn es gab im Laufe seiner über 60 Jahre währenden Karriere mehrere. Als Poe hinter die Sache kam, spielte im Türken Wilhelm Schlumberger, der seinen unbequemen Dienst in der Puppe damals schon an die 15 Jahre versehen hatte. Die Nachricht von dem Betrug verbreitete sich durch Europa, und die neue Redensart war geboren.
Eine andere Erklärung sieht den Ursprung der Wendung allerdings im Militärischen. Die Türken und das Abendland bekriegten sich ja Jahrhunderte lang. Kein Wunder, dass man im habsburgischen Heer bestimmte Bewegungen der Truppe einem gedachten Feind gegenüber einen "Türken" nannte. Weil dieses Manöver bei Truppenbesichtigungen geübt und den prüfenden Vorgesetzten oft etwas vorgespielt wurde, habe sich die Redensart herausgebildet.
Etwas brennt mir auf / unter den Nägeln
Die Bedeutung "etwas drängt mich zu größter Eile, ist mir extrem wichtig zu erledigen" ist unstrittig, die Herkunft dagegen ist nicht zu hundert Prozent gesichert. Weniger wahrscheinlich ist die Erklärung, Foltermethoden lägen dem Ausdruck zu Grunde. Glühende Kohlenstückchen auf den Nägeln sollten zur Aussage zwingen. Wahrscheinlicher ist die Herkunft vom Brauch der Mönche bei der Frühmesse, bei der es ja meist noch dunkel war, Kerzlein auf die Daumennägel zu stecken, um im Brevier oder im Messbuch lesen zu können. Je länger die Andacht dauerte, umso dringlicher wurde es, ein Ende zu machen, weil den Mönchen es auf den Nägeln brannte.
Jetzt ist Polen offen
Der Ausdruck ist recht alt und hängt zusammen mit der tragischen Geschichte des polnischen Staates. Einst eins der mächtigsten Reiche Europas, zerfiel die Macht Polens unter anderem wegen der untereinander streitenden Adelssippen; ein Vorgang, der auch in Deutschland seit dem hohen Mittelalter zu beobachten ist. Ähnlich wie Deutschland im Dreißigjährigen Krieg war Polen anschließend Zankapfel großer Mächte, die immer wieder Teile des Landes sich unter den Nagel rissen, im Land Krieg führten, bis sie das Land schließlich für Jahrzehnte von der Landkarte tilgten (Aufteilung zwischen Preußen, Österreich und Russland). Polen war in diesem Sinne offen jeder fremdländischer Invasion und jeder Willkür gegenüber. Daher die Bedeutung "alles ist möglich" bzw. Ausdruck großer Empörung.
Das walte Hugo!
Es handelt sich um eine Variante zu dem viel älteren Stoßseufzer oder frommen Wunsch "Das walte Gott!". Dieser Ausdruck konnte je nach Situation verschiedene Bedeutungen annehmen, wurde aber meist in dem Sinne verwendet: "So möge es sein!" "Gott bewahre!" (Hoffentlich passiert es nicht!) oder "Gott möge sich darum kümmern!". Im späten 19. Jahrhundert wurde der Groß- und Schwerindustrielle Hugo Stinnes derartig reich und einflussreich, das er nach dem Kaiser als der zweitmächtigste Mann im Reich galt. Geradezu sagenhaft schienen seine Eingriffsmöglichkeiten in Wirtschaft und Politik zu sein. Kein Wunder, dass sich vor allem im Ruhrgebiet, wo der Einfluss von Stinnes noch größer war, der Ausdruck "Das walte Hugo!" (Stinnes) einbürgerte, um auszudrücken: "So ist es!" oder "Darüber entscheidet Gott."