Seine Krankheit heißt Humor
Eigentlich hat Jakob Hein einen richtigen Beruf: Er ist Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité. Aber er ist auch Schriftsteller. Bekannt ist er für seine witzigen Bücher über Jugendliche in der DDR und für seine Auftritte in der Reformbühne Heim & Welt.
(Applaus) "Wenn es einmal ganz wenig Hoffnung auf diesem Planeten gibt und die Welt danieder liegen wird und alle geflüchtet sind vor der Katastrophe, die uns ereilt hat, dann wünschen wir, dass wir wenigstens nicht mit ihm zusammen auf einem Berghügel sein müssen." (Lacher)
So klingt es, wenn Jakob Hein in der Reformbühne Heim & Welt seinen Kollegen Falko Hennig ansagt. Liebevolle Gehässigkeit gehört zum Konzept - die Lesebühnenabende bei denen seit Jahren dieselben Autoren ihre Texte vortragen, sind schließlich nicht als Selbstbeweihräucherung gemeint. Es werden literarische Skizzen vorgetragen - Lieder, Kurzgeschichten und Essays, die zeigen, woran die Autoren gerade arbeiten. Am Ende wird zwar kein Sieger gekürt, aber das Publikum reagiert sehr direkt mit Zwischenrufen und Applaus. Humor ist wichtig, sagt Jakob Hein, doch sollten die Lesungen nicht in sinnfreie Blödelei ausarten:
"Klar liegt mir das Komische mehr als das Ernste, aber mir liegt das Ernsthafte mehr als das Alberne. Ich will sagen: Ernsthaftigkeit ist schon etwas, was ich persönlich sehr gern habe und Texte, die nicht ernsthaft sind, mag ich auch nicht."
Diesen Satz unterstreicht Jakob Hein mit einer energischen Handbewegung. Doch die Augen hinter seinen runden Brillengläsern scheinen zu lachen. Er ist ein viel zu fröhlicher Mensch, um lange auf Prinzipien herumzureiten. Auch wenn er über ernste Themen spricht, zucken seine Mundwinkel oft unwillkürlich nach oben:
"Also für mich ist es so, dass Humor so eine Art Krankheit ist. Es gab Zeiten in meinem Leben, wo ich mir gewünscht hätte, daran nicht zu leiden, aber ich habe es nun mal und probiere, damit zurande zu kommen."
In seinen Texten gelingt ihm das sehr gut. Da werden satirisch die Mythen der DDR beschrieben oder die Nöte eines ostdeutschen Jugendlichen in den 80er Jahren…
"Völlig mittellos stromerte ich seinerzeit durch die Straßen Ostberlins - auf der Suche nach einem Netzhemd, nach ein paar Strasssteinen für den besagten Pullover, nach einer Disko für unter 16, nach einem Heilmittel gegen Akne vulgaris. Aber in der Diktatur der Arbeiterklasse hatte ich keine Chance."
Jakob Heins Bücher werden oft als autobiografisch missverstanden - nur weil er zur gleichen Zeit und am gleichen Ort aufwuchs wie seine Protagonisten. Ein wenig ärgert ihn das schon: Er ist weder mit dem alkoholversessenen Teenager identisch, der nach einer Party seiner Eltern die nichtausgetrunkenen Gläser leert, noch mit dem Schuljungen, der alles glaubt, was ihm seine Lehrer über den US-Imperialismus und das Apartheidregime in Südafrika erzählen. Aber er lehnt seine Geschichten an eigene Erlebnisse an.
Jakob Hein wird 1971 in Leipzig geboren und wächst in Berlin auf. Dass sein Vater Christoph Hein schon zu DDR-Zeiten ein bekannter Schriftsteller ist, hat er nie gespürt.
"Für mich war mein Vater nie im Wesentlichen Schriftsteller, sondern im Wesentlichen Vater … - insofern kann ich mich nicht beklagen."
Dass im Hause Hein viel geschrieben wird, bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Jakob kritzelt schon als Kindergartenkind Linien aufs Papier und beginnt, seinen Eltern Geschichten vorzulesen.
"Meine Mutter sagt auch, dass ich die immer gleich vorgelesen hätte. Aber ich konnte keine Schrift. Es waren Linien und ich mochte immer gern Punkte setzen. Das erschien mir immer elegant. Da habe ich Geschichten geschrieben, die ich aber, als ich das Alphabet konnte, nicht mehr lesen konnte."
In der Schule findet er das Schreiben auch nicht mehr so wichtig. Er beschließt Psychiater zu werden und studiert Medizin an der Berliner Humboldt Universität…
"Ich habe da ja auch meine Frau kennengelernt, was für mich auf jeden Fall mit Abstand das beste Ergebnis des Studiums war, so dass das irgendwie schön war."
Außerdem beginnt er wieder zu schreiben. 1997 stellt er zum ersten Mal Texte bei der Reformbühne Heim & Welt vor, 2001 erscheint sein Erzählband "Mein erstes T-Shirt".
"In der DDR waren Wahlen etwas anders. Man ging dazu meistens in die nächste Schule. Dort saßen die SED-Genossen aus dem Wohngebiet. Man erkannte sie daran, dass sie am 1. Mai und am 7. Oktober und an anderen wichtigen Tagen die ersten auf dem Bürgersteig waren. Die meisten Leute schliefen an diesen Tagen aus und bügelten dann bei Westfernsehen die Wäsche oder nutzten den freien Tag, um ihren Fluchtplänen in den Westen den letzten Schliff zu geben."
Inzwischen hat Jakob Hein auch Bücher geschrieben, die nichts mit der DDR zu tun haben. Trotzdem gilt er den Medien vor allem als Experte für den Osten.
"Ich hab immer gesagt, wenn die mich gefragt haben, was würden Sie sich aus der DDR wieder wünschen, habe ich immer gesagt: Nichts. Weil sozusagen auch am kleinsten Grashalm, am kleinsten Ich-hätte-gern-wieder-diesen-Kakao - da hängt alles dran."
Dabei gehört Jakob Hein nicht zu denen, die im Osten alles schlecht fanden. Im Gegenteil. Manches - so sagt er - hätte bei der Wiedervereinigung durchaus vom Westen übernommen werden können. Gerade, was die frühe Erziehung und Bildung von Kindern betrifft.
Da spricht der Psychiater und Familienvater. Hein hat inzwischen selbst zwei Kinder, was eine gute Planung von Arbeit und Freizeit erforderlich macht. Nach seinem Dienstschluss im Krankenhaus kommt er nicht mehr zum Schreiben. Dafür sind die Wochenenden reserviert. An den kurzen, locker daher kommenden Texten, die er in der Reformbühne vorträgt, sitzt er oft viele Stunden.
"Wenn man an einem Text lange genug gearbeitet hat, dann wirkt er so, als hätte man ihn in der Toilettenpause auf die Serviette geschrieben. Und wenn man ihn während der Toilettenpause auf eine Serviette geschrieben hat, wirkt er so, als hätte man zehn Stunden gearbeitet."
Doch dieses Problem hat Jakob Hein gut im Griff. Er hat in den letzten zehn Jahren zehn Bücher herausgebracht. Wenn er hauptberuflich schreiben würde, würde sein Oeuvre wahrscheinlich schon ganze Regale füllen. Zu erleben ist er fast jeden Sonntag in der Reformbühne Heim & Welt - im Kaffee Burger in Berlin-Mitte.
So klingt es, wenn Jakob Hein in der Reformbühne Heim & Welt seinen Kollegen Falko Hennig ansagt. Liebevolle Gehässigkeit gehört zum Konzept - die Lesebühnenabende bei denen seit Jahren dieselben Autoren ihre Texte vortragen, sind schließlich nicht als Selbstbeweihräucherung gemeint. Es werden literarische Skizzen vorgetragen - Lieder, Kurzgeschichten und Essays, die zeigen, woran die Autoren gerade arbeiten. Am Ende wird zwar kein Sieger gekürt, aber das Publikum reagiert sehr direkt mit Zwischenrufen und Applaus. Humor ist wichtig, sagt Jakob Hein, doch sollten die Lesungen nicht in sinnfreie Blödelei ausarten:
"Klar liegt mir das Komische mehr als das Ernste, aber mir liegt das Ernsthafte mehr als das Alberne. Ich will sagen: Ernsthaftigkeit ist schon etwas, was ich persönlich sehr gern habe und Texte, die nicht ernsthaft sind, mag ich auch nicht."
Diesen Satz unterstreicht Jakob Hein mit einer energischen Handbewegung. Doch die Augen hinter seinen runden Brillengläsern scheinen zu lachen. Er ist ein viel zu fröhlicher Mensch, um lange auf Prinzipien herumzureiten. Auch wenn er über ernste Themen spricht, zucken seine Mundwinkel oft unwillkürlich nach oben:
"Also für mich ist es so, dass Humor so eine Art Krankheit ist. Es gab Zeiten in meinem Leben, wo ich mir gewünscht hätte, daran nicht zu leiden, aber ich habe es nun mal und probiere, damit zurande zu kommen."
In seinen Texten gelingt ihm das sehr gut. Da werden satirisch die Mythen der DDR beschrieben oder die Nöte eines ostdeutschen Jugendlichen in den 80er Jahren…
"Völlig mittellos stromerte ich seinerzeit durch die Straßen Ostberlins - auf der Suche nach einem Netzhemd, nach ein paar Strasssteinen für den besagten Pullover, nach einer Disko für unter 16, nach einem Heilmittel gegen Akne vulgaris. Aber in der Diktatur der Arbeiterklasse hatte ich keine Chance."
Jakob Heins Bücher werden oft als autobiografisch missverstanden - nur weil er zur gleichen Zeit und am gleichen Ort aufwuchs wie seine Protagonisten. Ein wenig ärgert ihn das schon: Er ist weder mit dem alkoholversessenen Teenager identisch, der nach einer Party seiner Eltern die nichtausgetrunkenen Gläser leert, noch mit dem Schuljungen, der alles glaubt, was ihm seine Lehrer über den US-Imperialismus und das Apartheidregime in Südafrika erzählen. Aber er lehnt seine Geschichten an eigene Erlebnisse an.
Jakob Hein wird 1971 in Leipzig geboren und wächst in Berlin auf. Dass sein Vater Christoph Hein schon zu DDR-Zeiten ein bekannter Schriftsteller ist, hat er nie gespürt.
"Für mich war mein Vater nie im Wesentlichen Schriftsteller, sondern im Wesentlichen Vater … - insofern kann ich mich nicht beklagen."
Dass im Hause Hein viel geschrieben wird, bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Jakob kritzelt schon als Kindergartenkind Linien aufs Papier und beginnt, seinen Eltern Geschichten vorzulesen.
"Meine Mutter sagt auch, dass ich die immer gleich vorgelesen hätte. Aber ich konnte keine Schrift. Es waren Linien und ich mochte immer gern Punkte setzen. Das erschien mir immer elegant. Da habe ich Geschichten geschrieben, die ich aber, als ich das Alphabet konnte, nicht mehr lesen konnte."
In der Schule findet er das Schreiben auch nicht mehr so wichtig. Er beschließt Psychiater zu werden und studiert Medizin an der Berliner Humboldt Universität…
"Ich habe da ja auch meine Frau kennengelernt, was für mich auf jeden Fall mit Abstand das beste Ergebnis des Studiums war, so dass das irgendwie schön war."
Außerdem beginnt er wieder zu schreiben. 1997 stellt er zum ersten Mal Texte bei der Reformbühne Heim & Welt vor, 2001 erscheint sein Erzählband "Mein erstes T-Shirt".
"In der DDR waren Wahlen etwas anders. Man ging dazu meistens in die nächste Schule. Dort saßen die SED-Genossen aus dem Wohngebiet. Man erkannte sie daran, dass sie am 1. Mai und am 7. Oktober und an anderen wichtigen Tagen die ersten auf dem Bürgersteig waren. Die meisten Leute schliefen an diesen Tagen aus und bügelten dann bei Westfernsehen die Wäsche oder nutzten den freien Tag, um ihren Fluchtplänen in den Westen den letzten Schliff zu geben."
Inzwischen hat Jakob Hein auch Bücher geschrieben, die nichts mit der DDR zu tun haben. Trotzdem gilt er den Medien vor allem als Experte für den Osten.
"Ich hab immer gesagt, wenn die mich gefragt haben, was würden Sie sich aus der DDR wieder wünschen, habe ich immer gesagt: Nichts. Weil sozusagen auch am kleinsten Grashalm, am kleinsten Ich-hätte-gern-wieder-diesen-Kakao - da hängt alles dran."
Dabei gehört Jakob Hein nicht zu denen, die im Osten alles schlecht fanden. Im Gegenteil. Manches - so sagt er - hätte bei der Wiedervereinigung durchaus vom Westen übernommen werden können. Gerade, was die frühe Erziehung und Bildung von Kindern betrifft.
Da spricht der Psychiater und Familienvater. Hein hat inzwischen selbst zwei Kinder, was eine gute Planung von Arbeit und Freizeit erforderlich macht. Nach seinem Dienstschluss im Krankenhaus kommt er nicht mehr zum Schreiben. Dafür sind die Wochenenden reserviert. An den kurzen, locker daher kommenden Texten, die er in der Reformbühne vorträgt, sitzt er oft viele Stunden.
"Wenn man an einem Text lange genug gearbeitet hat, dann wirkt er so, als hätte man ihn in der Toilettenpause auf die Serviette geschrieben. Und wenn man ihn während der Toilettenpause auf eine Serviette geschrieben hat, wirkt er so, als hätte man zehn Stunden gearbeitet."
Doch dieses Problem hat Jakob Hein gut im Griff. Er hat in den letzten zehn Jahren zehn Bücher herausgebracht. Wenn er hauptberuflich schreiben würde, würde sein Oeuvre wahrscheinlich schon ganze Regale füllen. Zu erleben ist er fast jeden Sonntag in der Reformbühne Heim & Welt - im Kaffee Burger in Berlin-Mitte.