"Seine Träume verwirklicht"

Von Marietta Schwarz |
Mystiker und Sturkopf - diese Begriffe fallen oft, wenn vom Schweizer Architekten Peter Zumthor die Rede ist. Zumthors Bauten sind präzise und haltbar wie ein Schweizer Uhrenwerk. Und dabei nicht nur traditionell, sondern auch modern. Heute wird Peter Zumthor 70 Jahre alt.
Mystiker und Sturkopf - diese Begriffe fallen oft, wenn vom Schweizer Architekten Peter Zumthor die Rede ist. In Deutschland ist das Kölner Diözesanmuseum "Kolumba" der bekannteste Bau von ihm. Die anfängliche Skepsis der Kölner löste sich mit Fertigstellung schnell in Wohlgefallen auf.

Anders in Berlin: Dort wurde sein Entwurf für die "Topografie des Terrors" zunächst gefeiert und dann verdammt. Zumthors Bauten sind präzise und haltbar wie ein Schweizer Uhrenwerk. Und dabei nicht nur traditionell, sondern auch modern. 2009 wurde Peter Zumthor mit dem Pritzker-Preis für Baukunst, einer Art Nobelpreis der Architektur geehrt. Heute wird Peter Zumthor 70 Jahre alt.

Wachendorf, am Nordrand der Eifel. Es ist nur kleine Kapelle mitten im Kornfeld. Und doch brauchte es neun Jahre von der Idee bis zur Einweihung. Und einen Bauherrn, der den Architekten Peter Zumthor und sonst keinen wollte.

"Ich brauche einen guten Bauherrn, der eine interessante Sache machen will, von dem ich denke, er ist wirklich daran interessiert, ein besonderes Gebäude zu erfinden, an einem besonderen Ort."

Mit gesichtslosen Shopping-Malls und Flughäfen oder mit Museen, die weltweit immer gleich aufgeregt aussehen, hat Peter Zumthors Architektur nichts gemein. Auch nicht mit dem Tempo, den Einsparungen und Kompromissen, die heute zum Baustellenalltag gehören. Der gelernte Möbelschreiner, Designer und Architekt nimmt sich heraus, da einfach nicht mitzumachen. In dem Sinne könnte man ihn als "aus der Zeit gefallen" bezeichnen. Oder einfach nur als Bewahrer und Traditionalisten. Ein Bauherr, sagt er, müsse das wissen:

"Ich versuche das am Anfang zu klären. Wenn es grundsätzlich um Zeit und Geld geht, dann ist er in meinem Geschäft am falschen Ort. Weil: Ich mache Autorenarchitektur. Ich mache eine Komposition, etwas Einmaliges, mit vielen guten Solisten, für diesen Ort, und das muss er wollen."

Außenansicht des neuen Kolumba-Museum in Köln
Außenansicht des neuen Kolumba-Museum in Köln© AP
Harmonisch wie möglich
Zumthors Bauten wurzeln in einem starken Konzept, sind handwerklich perfekt und im Umgang mit Materialien häufig innovativ. Das birgt ungeahnte Risiken und treibt schnell Kosten in die Höhe.

Doch bis auf einmal war seine Arbeit von Erfolg gekrönt: Davon zeugen etwa das Diözesanmuseum Kolumba in Köln, der temporäre Serpentine-Pavillon in London, oder eben der kantige Betonbau der Bruder-Klaus-Kapelle in der Eifel: 112 Fichtenstämme schichtete der Architekt dort zeltartig in die Höhe, ummantelte sie mit traditionellem Stampfbeton, um dann das hölzerne Innere langsam auszubrennen. In die Betonhülle sind Spuren von Holz und Feuer gebannt. Archaisch. Mystisch. Expressiv.

"Wenn Sie sich einen Buben vorstellen, der sich seine Träume verwirklicht, dahingeht, den Ort anschaut, studiert, was es braucht und das so schön und gut und harmonisch wie möglich machen will, das bin dann eher ich."

Peter Zumthor machte erst spät Karriere. Eine Wasserwelt aus graugrünem Gneis und Muranoglas vor majestätischer Bergkulisse bescherte ihm 1996 internationale Anerkennung - die Therme von Vals. Im folgenden Jahr später wurde in Bregenz sein Kunsthaus eröffnet: ein Kubus aus geätzten Glasschindeln. Außen Leuchtkörper. Innen ein beeindruckender stützenfreier Raum, der mit der Spannung zwischen Enge und Weite, Hell und Dunkel spielt. Wie die Gassen und Plätze in der Stadt.

Die schmerzlichste Niederlage: Berlin
Nur Berlin jagte den Meister zum Teufel. Zu teuer, zu langsam, ja sogar "zu selbstverliebt" hieß es 2004 über das bereits im Bau befindliche Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors". Spätestens heute, um Flughafen- und Staatsoper-Erfahrung reicher, möchte man Zumthors Worten zur Kostensteigerung Glauben schenken:

"Die Bauverwaltung und Teile der Bauherrschaft wollten dieses Gebäude unbedingt. Und ich habe gesagt: Aber ihr habt doch nicht genügend Geld dafür. Und da haben die gesagt: Das kriegen wir dann schon! Das machen wir in Berlin anders, Zumthor! Lassen Sie uns nur machen! Das einzige, was ich heute weiß: Ich hätte mich früher entfernen müssen."

Berlin sei die schmerzlichste Niederlage seines Lebens, so der Architekt, der inzwischen mit den höchsten Preisen der Bauwelt ausgezeichnet wurde.

Die Bruder-Klaus-Kapelle in der westdeutschen Provinz zieht heute, sechs Jahre nach Fertigstellung, Besucher aus aller Welt an. Ein steinerner Monolith auf fünfeckigem Grundriss inmitten eines Kornfelds.

"Ich stehe da in einer ganz langen Tradition. Die heißt glaube ich Baukunst ... Die Kunst des Bauens."
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