Anrüchiger Seitenwechsel?

Wenn Journalisten für die Politik arbeiten

17:41 Minuten
Eine Kamera steht auf einem Balkon im Deutschen Bundestag und filmt die Abgeordneten.
Nicht nur die Besetzung im Bundestag verändert sich alle paar Jahre. Auch manche Journalisten wechseln die Seiten. © imago / Jens Schicke
Marlis Prinzing im Gespräch mit Katja Bigalke |
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Mit neuen Amtszeiten, etwa des Bundespräsidenten, wechseln Journalisten gerne mal die Seiten. Natürlich können auch Medienleute den Arbeitgeber frei wählen. Dennoch sei das nicht ganz unproblematisch, sagt die Medienwissenschaftlerin Marlis Prinzing.
Der Schritt in die Politik ist für Journalisten gar nicht so schwer. Christiane Hoffmann, zuletzt Autorin im Hauptstadtstudio des "Spiegel", hat es gerade vorgemacht: Ende 2021 wurde sie stellvertretende Regierungssprecherin. Im Januar stellte sie sich auf einer Regierungspressekonferenz so vor:
„Ich bin Christine Hoffmann. Ich war 25 Jahre lang oder länger Journalistin bei der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung', der 'FAS' und beim 'Spiegel', – davon acht Jahre im Ausland. Mehr als acht Jahre in Moskau und im Mittleren Osten. Und jetzt werde ich als erste Stellvertreterin hier für die Bundesregierung sprechen.“

Zwei Edelfedern für Steinmeier

Auch Bundespräsident Frank Steinmeier hat für seine zweite Amtszeit Edelfedern aus den Leitmedien rekrutiert. Marc Brost, Co-Politikchef bei der "Zeit", soll sein neuer Redenschreiber werden. Cerstin Gammelin, bisher stellvertretende Chefin des Parlamentsbüros der „Süddeutschen Zeitung“, soll Steinmeiers Sprecherin werden.
Gammelin ist sich der Schwere des Schrittes bewusst – von der kritischen Journalistin hin zur Sprecherin, die sich an politische Vorgaben halten muss.
„Ich glaube nicht, dass es darum geht, die eigene Meinung hinten anzustellen“, sagt sie. „Ich glaube, es geht darum, die eigene Meinung mit dem Bundespräsidenten zu besprechen, der auch möchte, dass ich eine gewisse Beraterfunktion mit erfülle. Also, ich werde weiter meine eigene Meinung haben, nur, dass die nicht in der Zeitung steht, sondern mit dem Bundespräsidenten besprochen wird.“

Fader Beigeschmack bleibt

Für Medienwissenschaftlerin Marlis Prinzing ist solch ein Wechsel zwischen Journalismus und Politik nicht ganz so unproblematisch.
„Wenn Journalisten und Journalistinnen hier einen solchen Seitenwechsel vornehmen, dann mag das eine individuell durchaus gerechtfertigte Entscheidung sein. Aber auf der anderen Seite ist es etwas, was pauschal einen Verdacht befeuert, dass eben Medien und Politik irgendwie doch unter einer Decke stecken.“

Hat es alles schon gegeben

Solche Übertritte seien allerdings nichts Neues. In der Regierung Brandt wurde Conrad Ahlers, damals stellvertretender Chefredakteur beim "Spiegel", Regierungssprecher. Helmut Schmidt holte sich den Intendanten von Radio Bremen, Klaus Bölling, als Sprecher und Kohl setzte auf den Journalisten Peter Boenisch als seinen Regierungssprecher.
„Was sich verändert hat, ist, dass das lange Zeit kaum wahrgenommen worden ist und kaum thematisiert worden ist. Und ich finde es sogar positiv, dass sich das verändert hat und dass wir jetzt auch heute und hier darüber sprechen.“

Die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten

Es sei wichtig, solche Jobwechsel zu thematisieren, sagt Marlis Prinzing. Journalisten und Journalistinnen hätten eine Verantwortung und müssten ihren Ruf wahren. Als vierte Macht im Staat sei es ihre Aufgabe, die Exekutive, die Legislative und die Justiz zu kontrollieren.
„Sie sind mit eine zentrale Kontrollinstanz, sie sollten sich als solche auch verstehen.“
Ihre Aufgabe sei es, nicht nur über Macht zu berichten, sondern auch diese zu kritisieren und Machtmissbrauch aufzudecken, so die Medienwissenschaftlerin. Wenn Journalisten die Seiten wechseln, müssten sie klarer darüber aufklären, was sich an ihrer Arbeit und an der Art des Auftrags ändert.
„Es ist schon ein Unterschied, ob ich der Öffentlichkeit gegenüber verantwortlich bin — das ist das, was Journalismus kennzeichnet. Oder ob ich Auftragskommunikation mache. Und auch wenn ich für den Bundespräsidenten kommuniziere, ist das letzten Endes Auftragskommunikation”, so die Medienwissenschaftlerin Marlis Prinzing. Hier sei eine klare Abgrenzung wichtig. 
(jde)

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