Selbst im Bundestag gab's blöde Sprüche
Die Deutschen und ihr Rassismus, sei er offen oder versteckt: Der Buchautor Martin Huyn hat genug davon. Zwei Bücher konnte erschon mit seinen Erfahrungen füllen. Die Deutschen leben beim Thema Integration hinter dem Mond, findet er.
Es gibt da diese Geschichte, wo Martin Hyun im Deutschen Bundestag ein Praktikum macht. In den Gängen wird er von einer Mitarbeiterin angehalten. Sie ruft ihm zu, er habe den Alarm ausgelöst. Der koreanisch aussehende junge Mann ist ratlos, dann geht ihm ein Licht auf.
"Die Frau hat wahrscheinlich gedacht, dass ich irgendwie von so 'nem kleinen Fenster rein gekrochen bin, wie so ein Ninja oder so. Und mir dann Zugang zum Bundestag verschafft habe. Und dann habe ich gesagt: Wissen Sie, es ist halt schwer, mit so 'nem Bombengürtel durch den Haupteingang zu kommen. Dann war sie ganz schön sauer. Ich war aber auch sauer, aber man muss es immer mit Humor nehmen." (lacht müde)"
Auch wenn Martin Hyun kaum noch richtig über diese Geschichten lachen kann – Humor ist für den dunkelhaarigen, 1,80 Meter großen, kräftigen Mann zum Schutzschild gegen die regelmäßigen Benachteiligungen und Beleidigungen geworden.
Die muss der 33-Jährige beinahe tagtäglich ertragen. Der Grund: Sein Nachname und seine koreanisches Äußeres. Wenn ihn das Flughafen-Personal beim Check-In extra-kritisch mustert. Wenn ihm jemand auf der Straße Sching-schang-schong nachruft. Aber auch im Berufsleben, wenn seine Loyalität zu Deutschland angezweifelt wird, weil er während seines Politik-Studiums ein Praktikum im koreanischen Parlament gemacht hat.
""Es gab mal eine Stelle bei der UNO für Sport und Entwicklung. Und im Interview meinte dann diese Person vom Auswärtigen Amt: Sie haben ja in Ihrem Lebenslauf sehr viel Koreanisches drin stehen. Glauben Sie denn nicht, dass Sie da Interessenskonflikte bekommen würden, wenn wir Sie als deutschen Repräsentanten nach New York schicken würden. In dem Moment musste ich wirklich an mich halten. Ich hätte mich ja nicht beworben auf die Stelle, wenn ich mich nicht als Deutschen sehe."
Martin Hyun ist deutscher als mancher Deutscher. Er lebt er mit seiner Freundin, einer Fitnesstrainerin aus Ost-Berlin, und seiner Collie-Hündin im Westen der deutschen Hauptstadt. Aufgewachsen ist er in Krefeld, wohin seine Eltern 1971 aus Südkorea kamen. Sein Vater arbeitete als Bergmann, seine Mutter als Krankenschwester. Sie bestanden darauf, dass Hyun neben seinem koreanischen Vornamen – Jong Bum – auch einen deutschen bekam.
"Bei mir war es ja so, dass meine Eltern mit ihrer Auswanderung nach Deutschland mit ihrer koreanischen Vergangenheit abgeschlossen haben. Sie haben’s auch gar nicht weitervermittelt. Die haben schon Koreanisch mit uns zu Hause gesprochen, aber wir haben auf Deutsch geantwortet."
Als seine Schwester mit dem Eiskunstlaufen anfängt, beschließt sein Vater: Auch der Junge soll aufs Eis. Martin Hyun zeigt Talent und schafft es als erster koreanisch-stämmiger Spieler in die Deutsche Eishockeyliga. Außerdem spielt er von 1994 bis 98 für die Junioren-Nationalmannschaft. Aber er wird immer wieder beleidigt. Von Fans der gegnerischen Mannschaften, aber auch von Spielern.
Ein Studienaufenthalt in den USA öffnet ihm die Augen. Nicht nur nennen ihn die Amerikaner wegen seines Akzents wie selbstverständlich "the German guy", der Deutsche, sondern es wird ihm bewusst, was bei der Integration in Deutschland unter anderem schief läuft.
"In Amerika fand ich klasse, dass jeder, der am Ende ein Diplom in der Hand halten wollte von der Uni, so einen Kurs nehmen musste, das war ein Pflichtfach, so ein Race- and Ethnicity-Kurs. Wo man über die Einwanderungsgeschichte der Chinesen, der Koreaner und so weiter lernen musste. Egal, ob das ein Mediziner war oder ein Jurist. Das, was sie mitnehmen, beeinflusst sie vielleicht im Zwischenmenschlichen. Ich glaube, wenn man nämlich diese Geschichte kennt, dann würde man den Menschen mit ganz anderen Augen sehen. Vielleicht nicht mit Abscheu, sondern mit Respekt auch."
Martin Hyun wird klar: Er darf nicht nur klagen, er muss handeln. Darum erhebt er ganz unasiatisch seine Stimme, erst in Zeitungsinterviews, dann in seinem Buch "Lautlos ja – sprachlos nein, Grenzgänger zwischen Deutschland und Korea". Er gründet die Initiative "Hockey is Diversity – Eishockey ist Vielfalt". Und er mischt sich in die Politik ein. Als kein Koreaner zum Integrationsgipfel eingeladen wird, bittet er Staatsministerin Maria Böhmer, die Regierungsbeauftragte für Integration, um eine Rechtfertigung.
"Sie hatte mir da geschrieben: Die Anzahl der Koreaner ist so unbedeutend und klein. Deswegen hab' ich einen Appell losgeschlagen an die Koreaner, dass die sich nicht auf Bildung konzentrieren sollen, sondern sich vermehren sollen."
Da ist er wieder, der Humor - Martin Hyuns Waffe gegen Diskriminierung. Doch im Grunde ist er zuversichtlich: Er vertraut auf die neue Generation Deutscher, die weniger Berührungsängste mit Fatmas, Mehmets oder eben Jong Bums hat.
Diese optimistische Haltung begleitet ihn auch im Beruf: Martin Hyun arbeitet derzeit nach mehreren Jahren Praktika befristet bei der Vereinigung Wirtschaftsjunioren. Hier stellt er Kontakt her zwischen Jugendlichen ohne Schulabschluss und Arbeitgebern. Und versucht denen zu vermitteln, was er selbst gern noch erleben würde: Dass für einen Job die Motivation mehr zählt als die Herkunft.
Martin Hyuns Buch "Ohne Fleiß kein Reis – Wie ich ein guter Deutscher wurde" ist im btb-Verlag erschienen und kostet 14,99 Euro.
"Die Frau hat wahrscheinlich gedacht, dass ich irgendwie von so 'nem kleinen Fenster rein gekrochen bin, wie so ein Ninja oder so. Und mir dann Zugang zum Bundestag verschafft habe. Und dann habe ich gesagt: Wissen Sie, es ist halt schwer, mit so 'nem Bombengürtel durch den Haupteingang zu kommen. Dann war sie ganz schön sauer. Ich war aber auch sauer, aber man muss es immer mit Humor nehmen." (lacht müde)"
Auch wenn Martin Hyun kaum noch richtig über diese Geschichten lachen kann – Humor ist für den dunkelhaarigen, 1,80 Meter großen, kräftigen Mann zum Schutzschild gegen die regelmäßigen Benachteiligungen und Beleidigungen geworden.
Die muss der 33-Jährige beinahe tagtäglich ertragen. Der Grund: Sein Nachname und seine koreanisches Äußeres. Wenn ihn das Flughafen-Personal beim Check-In extra-kritisch mustert. Wenn ihm jemand auf der Straße Sching-schang-schong nachruft. Aber auch im Berufsleben, wenn seine Loyalität zu Deutschland angezweifelt wird, weil er während seines Politik-Studiums ein Praktikum im koreanischen Parlament gemacht hat.
""Es gab mal eine Stelle bei der UNO für Sport und Entwicklung. Und im Interview meinte dann diese Person vom Auswärtigen Amt: Sie haben ja in Ihrem Lebenslauf sehr viel Koreanisches drin stehen. Glauben Sie denn nicht, dass Sie da Interessenskonflikte bekommen würden, wenn wir Sie als deutschen Repräsentanten nach New York schicken würden. In dem Moment musste ich wirklich an mich halten. Ich hätte mich ja nicht beworben auf die Stelle, wenn ich mich nicht als Deutschen sehe."
Martin Hyun ist deutscher als mancher Deutscher. Er lebt er mit seiner Freundin, einer Fitnesstrainerin aus Ost-Berlin, und seiner Collie-Hündin im Westen der deutschen Hauptstadt. Aufgewachsen ist er in Krefeld, wohin seine Eltern 1971 aus Südkorea kamen. Sein Vater arbeitete als Bergmann, seine Mutter als Krankenschwester. Sie bestanden darauf, dass Hyun neben seinem koreanischen Vornamen – Jong Bum – auch einen deutschen bekam.
"Bei mir war es ja so, dass meine Eltern mit ihrer Auswanderung nach Deutschland mit ihrer koreanischen Vergangenheit abgeschlossen haben. Sie haben’s auch gar nicht weitervermittelt. Die haben schon Koreanisch mit uns zu Hause gesprochen, aber wir haben auf Deutsch geantwortet."
Als seine Schwester mit dem Eiskunstlaufen anfängt, beschließt sein Vater: Auch der Junge soll aufs Eis. Martin Hyun zeigt Talent und schafft es als erster koreanisch-stämmiger Spieler in die Deutsche Eishockeyliga. Außerdem spielt er von 1994 bis 98 für die Junioren-Nationalmannschaft. Aber er wird immer wieder beleidigt. Von Fans der gegnerischen Mannschaften, aber auch von Spielern.
Ein Studienaufenthalt in den USA öffnet ihm die Augen. Nicht nur nennen ihn die Amerikaner wegen seines Akzents wie selbstverständlich "the German guy", der Deutsche, sondern es wird ihm bewusst, was bei der Integration in Deutschland unter anderem schief läuft.
"In Amerika fand ich klasse, dass jeder, der am Ende ein Diplom in der Hand halten wollte von der Uni, so einen Kurs nehmen musste, das war ein Pflichtfach, so ein Race- and Ethnicity-Kurs. Wo man über die Einwanderungsgeschichte der Chinesen, der Koreaner und so weiter lernen musste. Egal, ob das ein Mediziner war oder ein Jurist. Das, was sie mitnehmen, beeinflusst sie vielleicht im Zwischenmenschlichen. Ich glaube, wenn man nämlich diese Geschichte kennt, dann würde man den Menschen mit ganz anderen Augen sehen. Vielleicht nicht mit Abscheu, sondern mit Respekt auch."
Martin Hyun wird klar: Er darf nicht nur klagen, er muss handeln. Darum erhebt er ganz unasiatisch seine Stimme, erst in Zeitungsinterviews, dann in seinem Buch "Lautlos ja – sprachlos nein, Grenzgänger zwischen Deutschland und Korea". Er gründet die Initiative "Hockey is Diversity – Eishockey ist Vielfalt". Und er mischt sich in die Politik ein. Als kein Koreaner zum Integrationsgipfel eingeladen wird, bittet er Staatsministerin Maria Böhmer, die Regierungsbeauftragte für Integration, um eine Rechtfertigung.
"Sie hatte mir da geschrieben: Die Anzahl der Koreaner ist so unbedeutend und klein. Deswegen hab' ich einen Appell losgeschlagen an die Koreaner, dass die sich nicht auf Bildung konzentrieren sollen, sondern sich vermehren sollen."
Da ist er wieder, der Humor - Martin Hyuns Waffe gegen Diskriminierung. Doch im Grunde ist er zuversichtlich: Er vertraut auf die neue Generation Deutscher, die weniger Berührungsängste mit Fatmas, Mehmets oder eben Jong Bums hat.
Diese optimistische Haltung begleitet ihn auch im Beruf: Martin Hyun arbeitet derzeit nach mehreren Jahren Praktika befristet bei der Vereinigung Wirtschaftsjunioren. Hier stellt er Kontakt her zwischen Jugendlichen ohne Schulabschluss und Arbeitgebern. Und versucht denen zu vermitteln, was er selbst gern noch erleben würde: Dass für einen Job die Motivation mehr zählt als die Herkunft.
Martin Hyuns Buch "Ohne Fleiß kein Reis – Wie ich ein guter Deutscher wurde" ist im btb-Verlag erschienen und kostet 14,99 Euro.