Selbstbild der Bundeswehr

Eine Truppe ohne Vaterland?

04:41 Minuten
Rückenansicht von Bundeswehr- und Marinesoldaten mit leicht verdeckter Deutschlandfahne.
Der Schwur aufs Vaterland. Dazu im Gegensatz wird die Bundeswehr heute wie ein Handwerksteam mit internationaler Zuständigkeit vermarktet, sagt Matthias Buth. © picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke
Eine Kritik von Matthias Buth |
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Die Verteidigung des Vaterlandes - das war einmal. Längst ist die Bundeswehr zum internationalen Sicherheitsdienstleister geworden. Eine flapsige Werbekampagne erklärt Soldaten zu bewaffneten Handwerkern, zuständig für "Gas, Wasser, Schießen". Ein Fehler, meint der Jurist Matthias Buth.
"Weltfrieden defekt. Handwerker (m,w,d) gesucht": Im Stil der Kleinanzeigensprache sucht die Bundeswehr neues Personal. Die Unterzeile auf grünbraunem Grund fordert zudem: "Mach, was wirklich zählt." Damit werden Karrieren in der Bundeswehr angezeigt für Menschen der Kategorien männlich, weiblich und divers.
Die Bundeswehr und ihre Soldaten aus Heer, Luftwaffe und Marine zeichnet durch solche Anzeigen ein Eigenbild als "Weltarmee im Einsatz". Bizarr dann, dass lediglich "Handwerker" gesucht werden. Die Bundeswehr also eine Truppe auf den Kriegsschauplätzen der Welt und im Visier das Abstraktum "der Weltfrieden".

Für Demokratie sein Leben zu riskieren, ist kein Handwerksjob

Unser Staat verlangt durch den öffentlichen Fahneneid aber anderes: Die Soldatinnen und Soldaten schwören nämlich "der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen."
Das ist konkret und ermöglicht eine emotionale Bindung zwischen Eidesnehmer und Eidesgeber.
Und das Grundgesetz regelt eindeutig: "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf."
Mit Tapferkeit soll verteidigt werden, das ist die Pflicht aus dem Soldatengesetz, welches das Grundgesetz präzisiert. Mit der Gefahr für Leib und Leben. Das ist kein bloßer Job, das bringt existentielle Bedrohung für den Schwörenden. Erträglich und lebensbestimmend ist diese nur, wenn die Bundesrepublik Deutschland diese Verpflichtung annimmt.
Nach der deutschen und somit europäischen Einheit vor 30 Jahren riefen manche das "Ende der Geschichte" aus, da nun im Wettkampf der Systeme die demokratische Friedfertigkeit gesiegt habe und die Verteidigung von Deutschland ein Anachronismus sei.

Die Bundeswehr wurde demontiert

Quasi im Handstreich wurde die immerhin seit 1813 bestehende allgemeine Wehrpflicht abgeschafft, nicht etwa durch den Bundestag, sondern durch bloßen Kabinettsbeschluss der Regierung von Angela Merkel. Und das mit frommem Augenaufschlag: sie sei ja nur "ausgesetzt".
Die Bundeswehr wurde dann aber zerlegt, viele Kasernen geschlossen und die Armee auf weniger als 182.000 Personen reduziert. Zugleich fiel der zivile Ersatzdienst weg. De facto wurde der Kern der Wehrverfassung vernichtet. Das wirkt politisch nach.

Deutschland wird nicht in Afghanistan verteidigt

Die Bundeswehr wurde als Berufsarmee von der Bundesregierung aus der Landesverteidigung entlassen und als "Out of area"-Truppe umgestaltet. Dass das Grundgesetz dafür zwar rechtliche Handhabe gibt, ist unbestritten. Aber die Landesverteidigung, welche den Schutz für Staat und Volk wollen muss, blieb auf der Strecke.
Wie sieht es denn in den Köpfen der Soldatinnen und Soldaten aus, wie ist deren Seelenlage – am Hindukusch, in Mali oder Syrien und Irak? Deutschland wird eben nicht in Afghanistan verteidigt. Hunderte sind von dort verwundet und traumatisiert nach Hause gekommen.
Für was sind unsere 54 Mitbürger gefallen? Wer in Deutschland will diese Opfer und nimmt sie an? Das ist die Frage nach dem Eid. Dieser ist nach der Truppenpraxis obsolet geworden.

Vaterland - fast schon ein Fremdwort

Die Soldaten werden allein gelassen mit ihren seelischen Nöten zwischen Fahneneid und Welteinsatz. Jetzt meint Ministerin von der Leyen, die Bundeswehr müsse nunmehr "ihren Beitrag zur nationalen Sicherheitsvorsorge" leisten. Mit ihrer Talkshow-Sprache zeigt sie, dass sie die emotionale Lage ihrer Soldaten nicht erkennt.
Die Frage bleibt doch: Für wen und was setzen unsere Soldatinnen und Soldaten wo ihr Leben ein? Sie gründet auf dem Begriff, das fast Fremdwort geworden ist: Vaterland. Im Deutschlandlied singen zwar die FußballerInnen und Fußballer davon. Aber die Soldatinnen und Soldaten? Binden sie ihr Leben an dieses Wort?
Die Bundespolitik meidet es schon lange, auch die Kanzlerin.

Matthias Buth wurde 1951 in Wuppertal-Elberfeld geboren und lebt in Nähe von Köln, wo er Rechtswissenschaften studierte und über die DDR promovierte. Bis Ende 2016 war er Justiziar im Kanzleramt bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Seit 1974 hat Matthias Buth zahlreiche Gedicht- und Prosabände veröffentlicht. Im September erscheint von ihm der Band "Weiß ist das Leopardenfell des Himmels" (Berlin 2019).

© Quelle: privat
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