Selbstdarstellung im kunterbunten Theater

Von Arndt Peltner · 02.09.2013
Aus Liebeskummer wurde vor fast 30 Jahren eine übermannsgroße Puppe am Strand von Kalifornien verbrannt. Daraus ist das Festival "Burning Man" entstanden, das mittlerweile Besucher aus der ganzen Welt in die Wüste von Nevada lockt. In einer Zeltstadt feierten die Teilnehmer jetzt wieder eine große Party.
Im Nordosten von Nevada, rund 200 Kilometer von Reno entfernt liegt Gerlach, eine 200 Seelengemeinde. Von dort sind es noch mal 15 Kilometer, dann fährt man vom Highway 447 rechts ab auf die "Playa”, wie das riesige ausgetrocknete Seebett genannt wird. Im Schritttempo fährt man über den weißen, feinen Sand weiter. In der Ferne sieht man dann schon die ersten Campingwagen und Busse, hört die ersten Beats. "Welcome Home – this is Burning Man”

In diesem Jahr hat es rund 60.000 Menschen in die Wüste gezogen. Es ist heiß, es ist staubig, der Wind wirbelt den feinen Sand immer wieder auf, die sogenannten "White Outs” sind dann so intensiv, dass man bei ausgestrecktem Arm die eigene Hand nicht mehr sieht. Doch all das schreckt die "Burner” nicht ab, ganz im Gegenteil, Jahr für Jahr kommen die meisten wieder zurück, um hier ihre Batterien aufzuladen.

"Burning Man” ist schwer zu erklären, für jemanden der noch nie dort war. Es ist für jeden Teilnehmer etwas anderes, etwas Persönliches. Jemand sagte mal, "Burning Man” zu erklären ist wie einem Blinden eine Farbe zu beschreiben. Da ist das Gemeinsame. Das Nicht-Kommerzielle, hier kann man nichts kaufen, alles wird mitgebracht und auch geteilt. "Leave No Trace”, man verlässt sein Lager also wieder so, wie man den Wüstensand vorgefunden hat. Hier geht es um Selbstdarstellung in einem kunterbunten Theater, in dem man selbst als Journalist zum Teilnehmer wird.

Galerie unter den Sternen
Niemand ist stiller Betrachter. Und dann sind da die über 350 Kunstobjekte, die nur für eine Woche hierher gekarrt werden. Kleine und große, eines davon ist eine 30 Meter Stahlkonstruktion, ein nackter Frauenkörper, der mehrere Tonnen wiegt und in der Nacht mit LED Lichtern bunt beleuchtet wird. Burning Man ist eine einzigartige Galerie, findet auch Crimson Rose, die vor 26 Jahren Burning Man mitbegründet hat.

"Genau das ist es, ich bin froh, dass das noch jemand so sieht. Es ist wirklich diese leere Schieferplatte. Wir, die hier arbeiten, stellen für die Teilnehmer diese Leinwand her. Die Berge um uns herum sind die Galeriewände, die Sterne und die Sonne unser Licht, der Playaboden ist der feste Galerieboden. Und es ist wirklich die faszinierendste Galerie."

Das Gelände ist wie ein Hufeisen angelegt, der offene innere Bereich hat locker einen Durchmesser von mehreren Kilometern. In der Mitte wacht über allem der riesige Mann aus Holz, der jeweils am Samstag der Woche verbrannt wird. In diesem Jahr stand er auf einer Konstruktion, die wie ein Ufo aussah. Einen Tag später ging der riesige Tempel in Flammen auf, das spirituelle Zentrum vom Burning Man Festival.

Die ganze Woche über meditieren hier die Besucher, finden Ruhe und erinnern mit Bildern und kleinen Notizen an Verstorbene. Beim Abfackeln des "Burning Man” gibt es eine laute Party, beim Verbrennen des Tempel ist es ganz ruhig auf der Playa. All die Kunstobjekte sind loose um den Mann und über die gesamte Weite und Tiefe der Playa aufgestellt. Und das alles nur für eine Woche im Jahr.

Tom hat von seinen Kindern zum 60. Geburtstag eine Karte für "Burning Man" geschenkt bekommen. Er ist Anwalt und wollte schon immer mal hierher kommen. In diesem Jahr war sein erster, doch wie er selbst sagt, nicht sein letzter Burn:

" Mein erster Eindruck ist ´Wahnsinn`. Es macht so viel Spaß, es gibt so viel Denkanstöße. Es ist ein vielschichtige Erfahrung, die man nicht leicht kategorisieren kann. Es ist eine rund um die Uhr Party und gleichzeitig wird man zum Nachdenken angeregt. Die Leute hier können sich frei darstellen, wie sie wollen, ´radical self expression`. Es ist eine sehr befreiende Erfahrung, in der man sich neuen Ideen öffnet, ihnen folgt und dabei Akzeptanz findet."

Deutsche Tradition in der Wüste
"Burning Man" ist mittlerweile eine internationale Gemeinde geworden. Hier trifft man Russen, Polen, Holländer, Südafrikaner, Ungarn, Argentinier und auch viele Schweizer und Deutsche sind dieses Jahr wieder mit dabei. Luke ist mit ein paar Freunden aus München angereist. In Las Vegas haben sie Campingbusse angemietet und einen Laden mit deutschem Bier leer gekauft. Das wird nicht einfach getrunken, sondern hier bei "Burning Man" mit anderen geteilt:

"Ein bisschen deutsche Tradition kann man hier schon mitbringen. Und unsere Freunde aus LA und Santa Barbara, die sind immer ganz froh drum, weil wir gestern auch einen Schnitzel und Kartoffelsalattag gemacht haben. Und heute oder morgen machen wir dann noch Kässspatzen. Unsere Leute im Camp sind total wild drauf."

Meffi ist die Schwester von Luke und kommt etwas verschlafen aus dem Camper. Eine dunkle Sonnenbrille verdeckt die gestrige Nacht. Doch bereitwillig erzählt sie von dem Kunstprojekt, dass die Gruppe aus München um die halbe Welt gebracht hat. Ein Versuch die vielen regionalen Veranstaltungen, "Burns” genannt, in aller Welt zu verbinden.

"Das Kunstprojekt war ´Burning Mail`, wir hatten die Idee, dass man irgendwie Burns miteinander verbinden könnte, die ja überall sind. Und da war die Idee, dass man von einem Burn zum anderen eine Nachricht schicken kann. Deshalb haben wir dann die Idee gehabt, wir könnten zum Tempel Nachrichten schicken, und Leute, die nicht selber zum ´Man´ können, können dann eine Nachricht aus Europa an den ´Man` schicken, wo wir das dann hinbringen, und die Nachricht da dann auch verbrannt wird, auch wenn man da gar nicht hin kann."

Kunstprojekte wie diese gibt es hier viele. Das Gemeinsame steht dabei immer im Vordergrund. Es ist Kunst zum Anfassen, zum Mitmachen. Kunst die fasziniert, die zum Nachdenken anregt und manchmal auch Stirnrunzeln hervorruft.

Um hier beim "Burning Man” zu sein kostet viel Geld, Energie und Kraft, der Staub setzt sich in jede Pore, die Sonne brennt, alles muss mitgebracht werden. Und doch, gerade hier ist man immer wieder erstaunt, man wird ermuntert sich gegenseitig und vieles um einen herum im täglichen Leben zu hinterfragen. Und im nächsten Jahr heißt es dann wieder "Welcome Home”.

Erfahren Sie mehr auf der Homepage des Festivals Burning Man.
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