Selbsthilfe in Kommunen

Von Bürgerbussen und Breitbandbesorgern

Der Ebersbacher Bürgerbus verbindet das Dorf mit dem Umland.
Wie in Ebersbach sorgt der Bürgerbus in Heiligenstadt für die Anbindung der ländlichen Gemeinden. © Imago
Von Tobias Krone |
Ehrenamtliche Fahrer bringen die Einwohner der bayrischen Gemeinde Heiligenstadt in nächstgrößere Städte wie Bamberg. Ein regulärer Busbetrieb wäre nicht finanzierbar. Auch den Internetausbau musste ein Unternehmer selbst in die Hand nehmen.
Der VW-Bus ist neu – und der ganze Stolz der Gemeinde Heiligenstadt in Oberfranken, er kurvt durch die verschneite fränkische Schweiz. Margarethe Linhart, 77, stammt aus einem der 24 kleinen Ortsteile – wie jeden Donnerstag fährt sie zum Einkaufen. Das heißt. Sie lässt sich fahren.
"Das ist wichtig, weil wir können ja von den Ortschaften nicht laufen mit dem Gepäck. Also fahren wir erst nach Heiligenstadt – Norma. Und von oben von der Norma fahren wir dann runter, kaufen da ein. Wo man eben hin muss. Oder zum Doktor oder Apotheke. Und dann gehen wir Kaffee trinken."
Der Fahrer Harald Schöttgen, ein drahtiger Endsechziger, war bis zu seiner Pensionierung Polizist. Jetzt ist er Fahrer des Heiligenstädter Bürgerbus. Ehrenamtlich. Auch auf den manchmal schlecht geräumten Straßen hält er den Kleinbus in der Spur.
"Nur keine Panik. Ist alles zu meistern."

Leben ohne Auto ist schwierig auf dem Land

Ein Leben ohne Auto ist hier, 20 Kilometer von der Universitätsstadt Bamberg entfernt, nicht möglich. Sagt Helmut Krämer, seit 26 Jahren Bürgermeister der Gemeinde.
"Das geht nicht, das geht nicht. Da sind Sie abgehängt. Also Sie brauchen ein Auto, wenn Sie mal ins Kino wollen, ins Konzert wollen. Mal ein Fußballspiel anzuschauen. Da kommen Sie nicht weg."
Für die Älteren wie die Witwe Margarethe Linhart ist der Bürgerbus die einzige Möglichkeit rauszukommen. Mit dem Auto fährt sie nicht mehr. Ein Ortsbus würde sich für das finanziell klamme Heiligenstadt nicht lohnen.
Also übernehmen seit knapp 20 Jahren ehrenamtliche Fahrer den Job – immer dienstags und donnerstags. Denn da haben Behörden und Arztpraxen geöffnet. Den Bus sponserte eine Bank, am Unterhalt beteiligt sich der Landkreis Bamberg.
Im Landratsamt sieht man den Bürgerbus von Heiligenstadt als Vorbildmodell für andere Flächengemeinden. Der Landkreis will künftig die Hauptlinien von den Ortszentren nach Bamberg stärken – und die verlustreichen Zubringerlinien durch neue Konzepte wie den Bürgerbus ersetzen.
Die Senioren aus Heiligenstadt, wie Margarethe Linhart, schätzen schon lange den Fahrdienst mit der persönlichen Betreuung.
"Wir sind immer zusammen. Das gibt immer a Gaudi."

Nur langsames Internet in abgelegenen Gebieten

Weniger Gaudi ist es dagegen, in ländlichen Gebieten wie Heiligenstadt im Internet zu surfen. Hier ist die Verbindung wie in vielen kleinen Gemeinden langsam. Während Städter mit hoher Geschwindigkeit Filme gucken können und Betriebe in Ballungsräumen schnell große Datenmengen verschicken können, bleibt das Netz in abgelegenen Orten langsam. Bürgermeister Helmut Krämer:
"Unsere Leute sagen, in einem Dorf außerhalb, wo ich zum Beispiel nur einen Megabit habe, dass ihr Betrieb dort keine Chance in Zukunft hat, und das ist ganz einfach, da muss man was tun."
Viele Kommunen in Bayern tun was. Doch der Ausbau der Internetleitungen im ländlichen Raum auf Breitbandstärke ist aufwändig und lohnt sich für die Anbieter nicht. Daher müssen die Kommunen ihn mitbezahlen.
Der Freistaat Bayern hilft mit. 1,5 Milliarden Euro steckt das Finanzministerium in die Breitband-Förderinitiative. In Breitengüßbach, einer Gemeinde im Norden des Landkreises Bamberg, führt das zu einer skurrilen Situation: Die kleinen Ortsteile bekommen durch die Förderung bis 2017 schnelle Glasfaserleitungen – im Ortskern hingegen betreibt die Telekom eigenwirtschaftlich die langsamere Technik über die alten Kupferkabel.

Den Internetausbau selbst in die Hand nehmen

Dem örtlichen Unternehmer Gerhard Förtsch war das zu langsam.
"Wir sind ja in der EDV angekommen, wir müssen ja ständig Updates fahren. Und deshalb müssen wir einfach ein schnelles Internet haben."
Mit seinem Unternehmen namens Telesys liefert Gerhard Förtsch Telefonsysteme für große Firmen. Sein Unternehmen in Breitengüßbach, im Norden des Landkreises Bamberg nahm 2008 den Internetausbau für die ortsansässigen Firmen selbst in die Hand. Auf die Idee brachte ihn der Chef der Stadtwerke Bamberg, keine zehn Kilometer entfernt.
"Wir könnten nämlich die Datenautobahn, die von Bamberg nach Coburg geht, die läuft ja hier - vielleicht 300 Meter, 400 Meter von unserem Grundstück weg, läuft die vorbei an der Autobahn, die ist ja gleich bei uns. Wenn wir hier aufbuddeln würden, dann könnten wir hier Glas rüberkriegen und könnten das anzapfen. Allerdings würde das teuer werden. Man müsste noch schauen, ob man nicht Kollegen finden würde, also Unternehmerkollegen hier im Industriering. Die haben ja das gleiche Bedürfnis."
Auch die benachbarten Unternehmen beteiligten sich. Und so ließ sich Telesys das Glasfaserkabel bis in den Firmensitz legen. Mit etwas Glück und unternehmerischem Geschick holten sich die Unternehmer das schnelle Internet aufs Land.
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