Selbstoptimierung

"Ich denke, dass es schon leistungsfördernd ist"

Moderation: Gabi Wuttke |
Es sei motivierend gewesen, wenn er mit dem Trainer im Anschluss an ein Spiel ein Video mit seiner Leistung durchgegangen sei, sagt Arne Friedrich. Auch die Kontrolle seiner Körperwerte sei sinnvoll gewesen.
Gabi Wuttke: Unser Gesprächspartner heute Morgen war bis vor Kurzem Spitzensportler. Was passiert, wenn an jedem Arbeitstag volle Leistung nicht nur gefordert, sondern das Training gefilmt und analysiert wird, wenn Maschinen neben Trainern, Physiotherapeuten, Masseuren und Psychologen stehen, um Leistung zu kontrollieren? Fragen an Arne Friedrich, 34 Jahre jung. Er hat nach 82 Länderspielen und zwei Weltmeisterschaften seine Karriere als Profifußballer im Sommer beendet, weil der Körper nicht mehr konnte, wie er sollte. Einen schönen guten Morgen, Herr Friedrich!
Arne Friedrich: Schönen guten Morgen, hallo!
Wuttke: Normal ist ein großer Gesundheitscheck für alle Krankenversicherten. Wie oft wird ein Fußballspieler an Maschinen angeschlossen und auf Herz und Nieren geprüft?
Friedrich: Also, in der Vergangenheit war es bei mir immer so, dass die Vereine zweimal im Jahr Gesundheitschecks gemacht haben. Zum einen in der Sommerpause, bevor die Saison begonnen hat, da gab es dann den Komplettcheck mit kardiologischen Untersuchungen beim Internisten, und auch Laktatwerte wurden überprüft. Das Gleiche ist dann in der Winterpause auch noch mal geschehen. Man ist eigentlich schon komplett durchgecheckt gewesen.
Wuttke: Und für Europameisterschaften, Weltmeisterschaften vor den großen Spielen, sind das dann Maschinen oder Menschen, die entscheiden, der ist gut, der ist fit, der darf spielen?
Friedrich: Nein, im Grunde sind es Menschen, die die Entscheidung tragen. Gerade bei der Nationalmannschaft haben wir die wirklich kompetentesten Menschen und Mitarbeiter, die sich da um uns kümmern. Und die Entscheidung fällt im Endeffekt dann doch noch ein Mensch und keine Maschine.
Wuttke: Ein Mensch, der Trainer, oder eine ganze Crew von Experten?
Friedrich: Schon eine Crew von Experten. Wenn ich das mit der Nationalmannschaft noch mal auffassen darf, da ist es natürlich in erster Linie Jogi Löw. Aber er hat eben einen riesigen Stamm an Personal, die sich um uns kümmern und die uns beratend zur Seite stehen. Aber die letzte Entscheidung trifft der Bundestrainer.
"Es gehört heutzutage dazu"
Wuttke: Hat Sie das motiviert, dass Sie so unter Kontrolle stehen, oder war das dann auch Stress? Man muss sich ja vorstellen, dass es Videoaufnahmen gibt von jedem Training, da wurden Sie dann unter die Lupe genommen, jedes Bewegungsspiel, wie ist der drauf. Ist das was wirklich Schönes?
Friedrich: Das ist schön, ich glaube, es gehört heutzutage dazu. Es wurde ja immer vom gläsernen Fußballprofi gesprochen und ich denke, dass es schon leistungsfördernd ist, wenn man nach dem Training oder auch nach den Spielen eben noch mal eine Aufzeichnung von dem Training oder dem Spiel sehen kann, dass der Trainer oder eben auch die Menschen, die sich dann eben kümmern, dass man dann weiß, was man richtig oder falsch gemacht hat, und dass man das in Bildern auch noch mal sehen kann. Es ist immer besser, es auf Bildern zu sehen und sich selbst dann eben in Aktion zu sehen, als dass man es nur erklärt bekommt. Und ich denke, da ist die Technik heutzutage schon sehr, sehr weit, das ist auf jeden Fall ein Vorteil.
Wuttke: Wenn ein Körper so unter Beobachtung steht, von außen als auch durch den Menschen, der in diesem Körper steckt, was hieß das für Ihr ganz normales Leben?
Friedrich: Ach, für mein ganz normales Leben hieß es eigentlich nicht so viel. Im Grunde genommen ist ein Fußballprofi schon sehr bedacht, vernünftig zu essen, auf Bett- und Schlafenszeiten zu achten, abends nicht groß auszugehen und zu feiern, sondern man hat schon sehr professionell gelebt. Aber ansonsten hat es eigentlich nicht so viel damit zu tun in der privaten und in der freien Zeit.
Wuttke: Sie sind immer noch jung, Sie waren jung, als Sie Profifußball gespielt haben, und sagen, ist nicht schlimm, wenn man ins Bett geht statt zu feiern?
Friedrich: Ja, ich bin eh nicht so der Typ, der gerne abends um die Häuser zieht. Ich glaube, da ist jeder Mensch auch verschieden. Und für mich ist es eben ein Beruf gewesen, ich habe den sehr ernst genommen wie eigentlich heutzutage alle Profis, denn im Grunde genommen ist jeder für seine eigene Leistung selbst verantwortlich, und wenn man erfolgreich sein möchte und auch eben gutes Geld verdienen möchte, Titel gewinnen möchte, dann muss man eben auch einiges dafür tun. Und dazu gehört eben auch, auf den Körper aufzupassen und zu garantieren, dass der Körper funktioniert. Denn im Grunde genommen ist beim Fußballer der Körper das Kapital.
Wuttke: Hatte Ihr Selbstkörpergefühl den Vorrang, oder welche Zahlen Ihre Experten aus der Crew auf den Tisch gelegt haben? Hat sich das möglicherweise gegenseitig beeinflusst, fühlten Sie sich besser, wenn die gesagt haben, hey, Arne, deine Werte sind top, obwohl Sie am Morgen dachten, na ja, heute könnte nicht so ein guter Tag sein?
Friedrich: Da ist schon mal vorgekommen. Man muss auch erst mal ganz klar feststellen, dass jeder Spieler, jeder Mensch individuell ist, und wenn einer Blutwerte X hat, dann kann es sein, dass der andere Blutwerte XY hat. Und im Grunde genommen kann man verschiedene Spieler nicht miteinander vergleichen, sondern man muss dann schon wirkliche Vergleiche mit sich selber ziehen. Aber es kam durchaus schon vor, dass man irgendwelche Kreatinwerte beziehungsweise Muskelwerte im Blut hat, die vielleicht etwas erhöht sind, und dass eventuell irgendwelche Muskelverspannungen beziehungsweise Muskelkater angezeigt wurden, aber man sich dann eben gut fühlt, und andersherum auch.
Aber es ist schon auf jeden Fall ein Indikator und ich finde es sehr, sehr wichtig, dass es so was gibt. Es gibt auch viele Trainer, die eben auch wirklich das Blut regelmäßig untersuchen lassen, um eben zu sehen, in welchem Zustand der Körper ist, eventuell auch die Intensität daran festzumachen. Das ist mit Sicherheit eine Hilfe, aber natürlich fühlt man sich manchmal anders als vielleicht dann eben auch an den Blutwerten zum Beispiel aufgesagt wird.
"Die Amerikaner sind in der Beziehung schon sehr weit vorne"
Wuttke: Die Quantified-Self-Bewegung kommt ja aus den USA. Aus Ihrer eigenen Erfahrung, Herr Friedrich, wie halten es die Amerikaner ganz praktisch mit dieser Selbstoptimierung?
Friedrich: Ich erinnere mich damals an Jürgen Klinsmann, der 2006 gerade bei der WM eben mit den amerikanischen Spezialisten zusammengearbeitet hat, und da ist schon eine sehr große Welle rübergeschwappt nach Deutschland. Diese ganzen Fitnesstests und Untersuchungen, das, denke ich immer, hat er natürlich auch einen großen Teil mit rübergebracht. Und die Amerikaner sind in der Beziehung schon sehr weit vorne und haben viele Dinge auch entwickelt. Und ich denke, das habe ich jetzt auch gerade in Amerika wieder erlebt, als ich da war.
Wuttke: Glauben Sie, es ist gesund, ständig um den eigenen Bauchnabel zu kreisen? Sie haben gesagt, als Profifußballer ist der Körper das Kapital für die Karriere. Für Sie jetzt als Nicht-mehr-Profi, wie ist das?
Friedrich: Ja, ich denke, man sollte sich auch nicht verrückt machen lassen. Im Grunde genommen sind die Werte ja nicht für den Spieler selber, sondern für die Verantwortlichen, für den Trainer oder für die Fitnessexperten oder auch für die Physiotherapeuten und die verarbeiten die Daten. Im Grunde genommen muss der Spieler gar nicht so viel davon wissen, denn er legt ja auch nicht das Training fest oder die Intensität. Aber im Grunde genommen finde ich es dennoch vernünftig, gute, regelmäßige Untersuchungen, Kontrollen zu machen, um eben auch für das Trainerteam und für die verantwortlichen Leute einen Indikator zu haben. Aber selber oder persönlich sollte man sich damit nicht zu sehr verrückt machen.
Wuttke: Sagt Exnationalspieler Arne Friedrich über die Selbstoptimierung im Spitzensport. Ich danke Ihnen sehr!
Friedrich: Danke schön, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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