Selbstzerstörung eines Modellathleten
Im Roman "Schlagmann" erzählt Evi Simeoni die Geschichte eines Mannes, der 1988 Olympiasieger im Rudern war, doch nach seiner Karriere keine Freude mehr am Leben fand - und sich zu Tode hungerte. Es ist ein Buch nach einer wahren Begebenheit.
In der Realität hieß der Schlagmann und damit Taktgeber des Deutschland-Achters Bahne Rabe. Im Roman heißt er Arne Hansen und gleicht seinem Vorbild aus der Wirklichkeit bis aufs stattliche Körpermaß von 2,03 Meter.
Ein norddeutscher Hüne, ein Modellathlet, Medaillengewinner und – ein Magersüchtiger, der sich nachgerade systematisch zu Tode hungern sollte, ohne dass ihn daran Verwandte oder Freunde hindern konnten. Eine erschütternde Geschichte. Als Bahne Rabe 2001 starb, schrieb Evi Simeoni einen Nachruf. Bis heute aber, das beweist ihr packendes Buch, hat sie sein Schicksal nie losgelassen. In "Schlagmann" erzählt sie die Geschichte von Arne Hansen alias Bahne Rabe aus der Sicht dreier fiktiver Figuren: da ist der Sportreporter Rolf "Paco" Müller, der Hansen viele Jahre auf Regatten begleitet hat, da ist Hansens Freundin Anna Amalia von Osterthal, genannt "Anja" und da ist sein Trainingspartner Wolfgang "Ali" Alt.
Sie alle rekapitulieren den schleichenden Prozess der Selbstzerstörung eines Mannes, dessen Leistungsparameter am Ergometer außergewöhnlich waren, der aber nicht die Kraft hatte, sich den ihn beherrschenden Dämonen der inneren Leere, des "verödeten Innenlebens" zur Wehr zu setzen. Er schneidet sich mit Rasierklingen, schlägt sich nach Rennsiegen an der Wand den Kopf blutig, fängt schließlich an zu trinken und zu rauchen, nimmt kaum mehr Nahrung zu sich, bis er am Ende nur noch 60 Kilo auf die Waage bringt.
Das Beängstigende an dieser gelungenen, nachdenklich stimmenden "sports novel" ist die Tatsache, dass keiner der Weggefährten Arne Hansens ihn von seinem Selbstmord auf Raten abzuhalten vermag. Zusehends schottet er sich von seiner Umwelt ab – auch von seiner Familie, die das dunkle Zentrum dieser Tragödie bildet. So gelingt Simeoni ein feinfühliges Psychogramm: Mutmaßungen über Arne. Sein langsames öffentliches Sterben ist das Trauma der ihm Nahestehenden.
Im Nachhinein kommen die Selbstvorwürfe: Warum habe ich nicht eingegriffen, wieso habe ich tatenlos zugesehen, als er sich weigerte zu essen und sich langsam aber sicher selbst auslöschte, zum Skelett abmagerte? Es fällt auf, dass dieser Mensch extrem fixiert ist aufs Zahlenwerk, auf Mess- und Körperfettwerte, die sich exakt beziffern lassen. Offenkundig eine öfter auftauchende Gefahr, dass im Spitzensport abzudriften oder "durchzuknallen" droht, wer sich allein auf Numerisches fokussiert.
Der Außenstehende sagt vermutlich: Wer sich als Ruderer bis zum Erbrechen schindet wie ein Galeerensklave, wer sich diesen Schmerzen und dieser Monotonie aussetzt, die Evi Simeoni sehr gut beschreiben kann, der ist doch Masochist. Nicht ohne Grund spricht eine der Figuren dieses gelungenen Romans mit Blick auf das Faszinosum Hochleistungssport vom "kreischenden Zirkus der Masochisten".
Besprochen von Knut Cordsen
Evi Simeoni: Schlagmann. Roman
Klett-Cotta, Stuttgart 2012
276 Seiten, 19,95 Euro
Ein norddeutscher Hüne, ein Modellathlet, Medaillengewinner und – ein Magersüchtiger, der sich nachgerade systematisch zu Tode hungern sollte, ohne dass ihn daran Verwandte oder Freunde hindern konnten. Eine erschütternde Geschichte. Als Bahne Rabe 2001 starb, schrieb Evi Simeoni einen Nachruf. Bis heute aber, das beweist ihr packendes Buch, hat sie sein Schicksal nie losgelassen. In "Schlagmann" erzählt sie die Geschichte von Arne Hansen alias Bahne Rabe aus der Sicht dreier fiktiver Figuren: da ist der Sportreporter Rolf "Paco" Müller, der Hansen viele Jahre auf Regatten begleitet hat, da ist Hansens Freundin Anna Amalia von Osterthal, genannt "Anja" und da ist sein Trainingspartner Wolfgang "Ali" Alt.
Sie alle rekapitulieren den schleichenden Prozess der Selbstzerstörung eines Mannes, dessen Leistungsparameter am Ergometer außergewöhnlich waren, der aber nicht die Kraft hatte, sich den ihn beherrschenden Dämonen der inneren Leere, des "verödeten Innenlebens" zur Wehr zu setzen. Er schneidet sich mit Rasierklingen, schlägt sich nach Rennsiegen an der Wand den Kopf blutig, fängt schließlich an zu trinken und zu rauchen, nimmt kaum mehr Nahrung zu sich, bis er am Ende nur noch 60 Kilo auf die Waage bringt.
Das Beängstigende an dieser gelungenen, nachdenklich stimmenden "sports novel" ist die Tatsache, dass keiner der Weggefährten Arne Hansens ihn von seinem Selbstmord auf Raten abzuhalten vermag. Zusehends schottet er sich von seiner Umwelt ab – auch von seiner Familie, die das dunkle Zentrum dieser Tragödie bildet. So gelingt Simeoni ein feinfühliges Psychogramm: Mutmaßungen über Arne. Sein langsames öffentliches Sterben ist das Trauma der ihm Nahestehenden.
Im Nachhinein kommen die Selbstvorwürfe: Warum habe ich nicht eingegriffen, wieso habe ich tatenlos zugesehen, als er sich weigerte zu essen und sich langsam aber sicher selbst auslöschte, zum Skelett abmagerte? Es fällt auf, dass dieser Mensch extrem fixiert ist aufs Zahlenwerk, auf Mess- und Körperfettwerte, die sich exakt beziffern lassen. Offenkundig eine öfter auftauchende Gefahr, dass im Spitzensport abzudriften oder "durchzuknallen" droht, wer sich allein auf Numerisches fokussiert.
Der Außenstehende sagt vermutlich: Wer sich als Ruderer bis zum Erbrechen schindet wie ein Galeerensklave, wer sich diesen Schmerzen und dieser Monotonie aussetzt, die Evi Simeoni sehr gut beschreiben kann, der ist doch Masochist. Nicht ohne Grund spricht eine der Figuren dieses gelungenen Romans mit Blick auf das Faszinosum Hochleistungssport vom "kreischenden Zirkus der Masochisten".
Besprochen von Knut Cordsen
Evi Simeoni: Schlagmann. Roman
Klett-Cotta, Stuttgart 2012
276 Seiten, 19,95 Euro