"Narzisstisch gestörter Trittbrettfahrer des Terrorismus"
In unser Rubrik "... liest ein Bild" lesen und interpretieren wir Bilder, die zu Ikonen unserer Zeit werden können. Diesmal geht es um ein Selfie des Orlando-Attentäters. Das Bild sei "paradigmatisch für unsere Gegenwart", sagt die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken.
Das Foto zeigt ein Selfie des Orlando-Attentäters Omar Mateen vor einem Spiegel. Durch den Spiegel sei es eine Art doppelte Reflexion, sagt Barbara Vinken, und: "Die Verneinung eines anderen Blicks ist hier gedoppelt".
Auf dem Foto sehe man einen jungen Mann, "der kontrolliert, wie er ins Bild fällt, wie er sich inszeniert, ob das gelungen ist. Das heißt, das ist jemand, der guckt, ob er den Klischees entspricht, so ein bisschen Gangsterrapper mit teurer Uhr mit goldenem Armband".
Man könne in dem Foto gut sehen, dass Omar Mateen unfähig sei, die Realität wahrzunehmen:
"Ein klassisches Bild für die narzisstische Störung, in der man nur noch ist, in der man ins Bild fällt, in der man auch nur noch dafür da ist, ins Bild zu fallen, und die Pose kontrollliert."
Wohl andere Deutung vor dem Attentat
Man könne auf dem Bild erkennen: Die Person sei so etwas wie ein narzisstisch gestörter Trittbrettfahren des Terrorismus, so Vinken. Denn "die Unfähigkeit, Realität anzuerkennen" beziehe sich auch auf das Schießen. So sei nicht mehr klar, ob Menschen in der Realität sterben oder lediglich auf einem Bild zu sehen seien.
Auch wenn man das Bild vor dem Attentat sicher ganz anders gedeutet hätte, etwa als Gangster-Rapper, ändere das nichts an der Leugnung des Hier und Jetzt, erklärt Vinken. Diesen Mechanismus könne man etwa auch bei Touristen beobachten, die Selfies produzierten. "Die sagen: Ich bin war hier und jetzt. Aber nicht für jetzt, sondern für später." Das bedeute aber selbstverständlich nicht, dass dieser Mechanismus automatisch in den Terrorismus führe.