Sanfter Tourismus - eine Illusion?
Sie gelten als die schönsten Wochen im Jahr: die Urlaubswochen. Und da soll möglichst alles stimmen. Geht das auch umweltbewusst und sozialverträglich? Oder ist nachhaltiger Tourismus nur ein nettes Feigenblatt? Worauf sollte man achten?
"Es gibt fünf wichtige Punkte, die jeder Urlauber schon bei der Buchung seiner Reise beachten kann“, sagt Prof. Dr. Dirk Reiser, Professor für "Nachhaltiges Tourismus Management" an der Cologne Business School.
"Urlauber sollten Kurzstreckenflüge möglichst komplett vermeiden und stattdessen den öffentlichen Fern- und Nahverkehr wählen. Wer nicht auf das Flugzeug verzichten kann, sollte einen sogenannten Emissionsausgleich zahlen, dafür gibt es verschiedene Anbieter wie z.B. atmosfair oder myclimate. Vor der Reise sollten sich Urlauber über Zertifizierungen im Tourismus informieren und beispielsweise das Hotel danach auswählen. Vor Ort ist es ratsam, lokale Produkte und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, um so die einheimische Bevölkerung direkt zu unterstützen. Und natürlich sollte man auch im Urlaub Wert auf umweltfreundliches Verhalten legen.“
Soweit die Theorie. Dirk Reiser kennt die Realität nur zu genau. Er hat in Australien, Nicaragua und auf Neuseeland gelebt. Er lehrt auf Bali, bereist die Kontinente, um sich vor Ort über die Bedingungen in den Hotels und Urlaubsorten zu informieren oder auch Interessenten zu beraten, die touristische Angebote planen. In vielen Gebieten gebe es ein gravierendes Wasser- und Müllproblem, die heimische Bevölkerung werde durch den Tourismus verdrängt, ihre Kultur und Umwelt zunehmend zerstört. Seine Mahnung:
"Was wir verändern müssen, ist der Massentourismus. Wir können uns noch so sehr um den nachhaltigen Tourismus kümmern: Wir haben mittlerweile über 1,1, Milliarde Reisen pro Jahr. Wenn wir meinen, dass wir die alle nachhaltig und ökologisch machen können, lügen wir uns in die Tasche. Im Moment gibt es noch ein Fenster, wo wir etwas aktiv verändern können. Irgendwann werden wir nur noch reaktiv tätig sein können, weil uns die Umwelt und die Bedingungen dazu zwingen. "
"Wo Massentourismus ist, wird man nicht wirklich etwas verändern können“, sagt der Wolfgang Rössig. Der Reiseautor weiß um die Ambivalenz seines Berufs. Mit seinen Reportagen aus der Karibik, Afrika und Asien weckt er die Reisesehnsucht seiner Leser. Gleichzeitig erlebt er die Folgen des Tourismus hautnah, ob auf Mallorca, in der Dominikanischen Republik oder auf Bali.
"Natürlich gebe ich auch Empfehlungen, aber ich frage mich immer auch, was passiert, wenn ich etwas empfehle. Wie viel Tourismus verträgt das Ziel?"
Seine Erfahrung: Man könne den Menschen nicht das Reisen verbieten, aber man könne versuchen, sie für die jeweiligen Ziele zu sensibilisieren, ihnen Land und Leute und deren jeweilige Bedürfnisse zu vermitteln. "Man kann etwas dort versuchen, wo es noch nicht so überlaufen ist. Man kann versuchen, es in andere Bahnen zu bringen. Aber, was gar nicht klappt ist der Zeigefinger . Dann werden die Leute bockig.“
Auf seiner Homepage zitiert er den Philosophen Augustinus:
"Die Welt ist ein Buch, und wer nicht reist, liest nur eine Seite."
Sanfter Tourismus – eine Illusion?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 07 bis 11 Uhr mit Prof. Dr. Dirk Reiser und Wolfgang Rössig. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de.
Informationen im Internet: