Sendungen für und über Schwule

Von Camilla Hildebrandt |
Deutschlands erster Fernsehsender für schwule Männer geht am 1. November auf Sendung. Timm strahlt ein Vollzeitprogramm mit Nachrichten, Serien und Talks aus. Geschäftsführer und Gründer des Senders ist Frank Lukas.
"Am 1. November wird Fernsehgeschichte geschrieben - am 1. November kommt Timm, der erste Fernsehsender für alle, die Männer lieben..."

Frank Lukas: "Es geht überhaupt nicht um Gettoisierung, bei uns sind alle ganz herzlich eingeladen: Schwule, Lesben und natürlich auch Heteros, wir sind nämlich straight friendly, trotzdem glaube ich, dass die schwule Zielgruppe auch ein Recht auf Unterhaltung und Infos hat."

"Timm bringt endlich Vielfalt in die deutsche TV-Landschaft."

Frank Lukas: "”Wir sagen: Bei uns könnt ihr so sein wie ihr wollt. Jede Männlichkeit wird akzeptiert, ohne dass wir es erklären müssen. Herzlich Willkommen bei Timm.""

Denn Homosexualität sei in Deutschland immer noch nicht Normalität, meint der 39-jährige Frank Lukas.

"normal, ich hasse dieses Wort!"

Und Timm soll nun zu mehr Selbstverständlichkeit beitragen.

Frank Lukas: "Weil wir nicht in die Klischeekiste greifen, und weil wir versuchen, auch die realen Lebenswelten abzubilden und nicht die fünf Klischeeschwulen, die es im TV schon gibt, zeigen. Schauen sie mal, wenn wir bei den großen Sendern immer nur dieselben Familienmodelle, Rollenmuster sehen, das langweilt den schwulen Mann vielleicht auch mal, weil er tatsächlich auch mal seinen realen Lebensentwurf abgebildet sehen möchte."

Frank Lukas - kurze braune Haare, ein ehrliches, freundliches Lächeln im Gesicht - weiß genau, wovon er spricht, denn seit rund 15 Jahren arbeitet er für das Fernsehen. Wäre es nach seinen Eltern gegangen, würde er heute hinter irgendeinem Bankschalter stehen, aber von dieser Vorstellung konnte er sie glücklicherweise abbringen, erzählt er.

Frank Lukas: "Ich wollte eigentlich Sänger werden, hatte auch einen Studienplatz, aber meine Eltern damals wollten das nicht finanzieren. Und dann konnte ich sie doch überreden, etwas Kreativeres zu studieren, nämlich Publizistik und Film- und Fernsehwissenschaften in Berlin."

Noch im Studium beginnt der in Braunschweig geborene Lukas mit einem studentischen Hilfsjob im Archiv eines Fernsehsenders und wird schließlich Redakteur und Moderator. 1999 gründet er seine eigene Produktionsfirma "south&browse" - aus einer Notsituation.

Frank Lukas: "”Ich hatte bei verschiedenen Fernsehproduzenten in Berlin angeheuert, der Letzte war plötzlich von der Bildfläche verschwunden und damit auch unser Produktionsgeld. Dann sind wir zum Sender gegangen, Pro7, die sagten, macht euch selbstständig, arbeitet weiter mit uns zusammen.

Das war überhaupt nicht so geplant und fand dann erstmalig in meiner Hinterhauswohnung in Charlottenburg statt, und tatsächlich hat das selbständig sein mich so geprägt, dass ich mir nichts mehr anderes vorstellen kann.""

Die Idee für Timm entstand schließlich, weil Lukas klar wurde, dass es für die großen TV-Sender fast unmöglich ist, Minderheiten zu bedienen. Ein Anfang war zwar 1999 gemacht mit der Sendung "AndersTrend" auf RTL - moderiert und letztendlich produziert von Lukas selbst -, aber Mitte 2007 wurde die Sendung eingestellt.

Ausschnitt aus dem Film:
"Die Fernsehwoche beginnt mit dem langen Samstag..."

Schwule Männer hätten nun mal andere Fernsehbedürfnisse als Heterosexuelle.

Frank Lukas: "”Zum Beispiel schauen sie lieber Talk, Politik-Talk als Western oder Boxen an. Natürlich ist es auch so, das wir Sendungen ausstrahlen, die es so im deutschen Programm noch gar nicht gibt. Zum Beispiel ein Männermodemagazin oder aber das Thema Reise, was im bewegten Bild in keinster Weise für die schwule Zielgruppe aufbereitet wurde. Also zum Beispiel kann ich mit meinem Freund in Dubai Händchen-haltend über die Straße gehen, diesen Mehrwert wollen wir bieten.""

Timm, als Vollprogramm, bietet sowohl Serien und Spielfilme, als auch Nachrichten und Polit-Talks, zum Beispiel über Schwule und Religion.

"Manchmal muss Timm auch ganz schön nerven: ‚Ihr stellt heute wieder so super doofe Fragen." Coming-Out-Stories, der große Schritt in ein freies Leben...’"

Das "Coming Out", ja, das sei ein großes Thema. Bei ihm sei das nicht anders gewesen. Der erste schwule Mann, den er kennengelernt hat, war Sänger Peter Plate vom Duo "Rosenstolz", der damals einen Sänger suchte.
Frank Lukas: "Das war dann tatsächlich auch meine erste Konfrontation mit diesem Sujet, und mir ging damals wahnsinnig schlecht – übrigens erst mit 19 - weil ich gemerkt habe: Oh je, das, was meine Eltern als "krank" darstellen, das bin ich dann letztendlich auch. Es ist eine ganz schwierige Phase gewesen, ich habe da auch lange Kämpfe mit meinen Eltern ausstehen müssen..."

Frank Lukas: "”... aber sie haben sich sehr verändert in den letzten Jahren, wir haben jetzt ein sehr gutes Verhältnis.""

Zeit für etwas anderes als sein Projekt "Timm" hat Frank Lukas momentan nicht. Höchstens Rachmaninoff hören, zuhause in Berlin auf dem Sofa. Die Aufregung kurz vor Sendestart ist enorm. Aber wenn es nach der Fanpost geht, die er seit Wochen bekommt, müsste alles gut gehen.

Frank Lukas: "”Das Schönste ist, wenn wir Briefe bekommen, in denen steht: Wir können es kaum abwarten, dass Timm kommt. Aber wir haben nicht nur Fanpost. Uns schreiben regelmäßig christliche Fundamentalisten und versuchen, unsere Mitarbeiter zu bekehren und von dieser schlimmen Krankheit Homosexualität zu heilen.""

Musik:
"Timm, das volle Programm, jeder Tag ist besonders, am 1. November kommt Timm. "Wollen wir nicht das Licht ausmachen? Gute Idee."