Sensibel und erfrischend
Der Deutsche Buchpreis schafft wie kaum eine andere Auszeichnung hierzulande Öffentlichkeit für Autoren und ihre Bücher, und die Öffentlichkeit reagiert auf das Spektakel, bei dem es Sieger und Verlierer gibt.
Die Jury hat sich für einen Roman entschieden, der die Geschichte einer scheinbar geglückten Einwanderung aus der Vojwodina in die Schweiz erzählt. Die Familie, inzwischen Betreiber eines Cafés in bester Lage, hatte diesen von der ungarischen Minderheit geprägten Teil Jugoslawiens einst verlassen und besucht regelmäßig mit ihren Töchtern das einstige Zuhause, das nach dem Krieg nunmehr in der Serbischen Republik liegt. Die alten Erinnerungen reiben sich an den neuen Verhältnissen. Melinda Nadj Abonji hat vor allem in der Mamika, der Großmutter, eine fein gezeichnete Figur erfunden, die den Besuchern aus der Schweiz Vertrautheit und Herzenswärme entgegenbringt. Der Roman öffnet sensibel und erfrischend den Blick für eine gewesene Welt, in der die Folgen des Krieges bis in die "heile Schweizer Welt" zu spüren sind.
Der Ortswechsel in diesem multikulturell geprägten Europa - das Leben in verschiedenen Kulturen ist gerade in diesem Herbst auffällig oft in der deutschsprachigen Literatur thematisiert, erscheint fremd und gleichsam vertraut.
Die Endscheidung der Jury hat an diesem Abend auch einen Verlierer, der heißt Thomas Lehr. Sein Roman "September. Fata Morgana" ragt heraus aus der Lektüreschwemme dieses Jahrgangs, er ist einzigartig, in seiner Erfindungswelt überraschend und sprachlich innovativ. Seine literarische Qualität hätte die Marke "Deutscher Buchpreis" veredelt, mit dem "besten Roman in deutscher Sprache" über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autoren.
"September" hat die Zutaten einer gut erzählten Geschichte, die spannend und mit poetischer Kraft aus der Mitte der Gesellschaft spricht, die - und mit ihr die westliche Zivilisation -, seit dem 11. September 2001 einen tiefen Einschnitt in ihrem Selbstverständnis erlebt, in dessen Folge der Irakkrieg auch den Nahen Osten und die ganze Islamische Welt verändert hat. Vergleichbares findet man derzeit auf dem Buchmarkt nicht.
Zwei Väter verlieren durch äußere Gewalt ihre Töchter. Die Lebenswege an sehr verschiedenen Orten dieser Welt kreuzen sich nicht. Dennoch scheinen sie sich nah, sind sie durch ihr Schicksal verknüpft, zufällige Opfer von Gewalt zu sein, die christliche und islamische Kultur gegeneinander aufbringen. Thomas Lehr verzichtet bis auf den letzten Punkt auf Satzzeichen, lässt direkte Rede in den Erzählstrom seiner Figuren einfließen. So entsteht ein stark rhythmisierter Text, ein Geflecht, das die mündlichen Erzähltraditionen der orientalischen Kultur aufnimmt und mit der modernen assoziativen Erzählweise verbindet. Das ist einmalig in der gegenwärtigen Literatur. "September. Fata Morgana" von Thomas Lehr, dem gerade der Berliner Literaturpreis 2011 zuerkannt worden ist, sollte man kennen und gelesen haben! Auch wenn die Entscheidung der Jury eine andere Autorin ins Blickfeld rückt.
Nach den Preisträgern Arno Geiger, Katharina Hacker, Julia Franck, Uwe Tellkamp und Kathrin Schmidt wird sicher und verdient auch der Schweizerin Melinda Nadj Abonji und mit ihr dem ambitionierten österreichischen Jung und Jung Verlag der Sprung auf die Bestsellerliste gelingen.
Der Ortswechsel in diesem multikulturell geprägten Europa - das Leben in verschiedenen Kulturen ist gerade in diesem Herbst auffällig oft in der deutschsprachigen Literatur thematisiert, erscheint fremd und gleichsam vertraut.
Die Endscheidung der Jury hat an diesem Abend auch einen Verlierer, der heißt Thomas Lehr. Sein Roman "September. Fata Morgana" ragt heraus aus der Lektüreschwemme dieses Jahrgangs, er ist einzigartig, in seiner Erfindungswelt überraschend und sprachlich innovativ. Seine literarische Qualität hätte die Marke "Deutscher Buchpreis" veredelt, mit dem "besten Roman in deutscher Sprache" über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autoren.
"September" hat die Zutaten einer gut erzählten Geschichte, die spannend und mit poetischer Kraft aus der Mitte der Gesellschaft spricht, die - und mit ihr die westliche Zivilisation -, seit dem 11. September 2001 einen tiefen Einschnitt in ihrem Selbstverständnis erlebt, in dessen Folge der Irakkrieg auch den Nahen Osten und die ganze Islamische Welt verändert hat. Vergleichbares findet man derzeit auf dem Buchmarkt nicht.
Zwei Väter verlieren durch äußere Gewalt ihre Töchter. Die Lebenswege an sehr verschiedenen Orten dieser Welt kreuzen sich nicht. Dennoch scheinen sie sich nah, sind sie durch ihr Schicksal verknüpft, zufällige Opfer von Gewalt zu sein, die christliche und islamische Kultur gegeneinander aufbringen. Thomas Lehr verzichtet bis auf den letzten Punkt auf Satzzeichen, lässt direkte Rede in den Erzählstrom seiner Figuren einfließen. So entsteht ein stark rhythmisierter Text, ein Geflecht, das die mündlichen Erzähltraditionen der orientalischen Kultur aufnimmt und mit der modernen assoziativen Erzählweise verbindet. Das ist einmalig in der gegenwärtigen Literatur. "September. Fata Morgana" von Thomas Lehr, dem gerade der Berliner Literaturpreis 2011 zuerkannt worden ist, sollte man kennen und gelesen haben! Auch wenn die Entscheidung der Jury eine andere Autorin ins Blickfeld rückt.
Nach den Preisträgern Arno Geiger, Katharina Hacker, Julia Franck, Uwe Tellkamp und Kathrin Schmidt wird sicher und verdient auch der Schweizerin Melinda Nadj Abonji und mit ihr dem ambitionierten österreichischen Jung und Jung Verlag der Sprung auf die Bestsellerliste gelingen.