Separatismus

Ukrainische Ratlosigkeit

Von Sabine Adler |
Die zwölf Geiseln befinden sich immer noch in der Hand der Separatisten von Slawiansk. Zahlreiche Verwaltungsgebäude sind besetzt, pro-ukrainische Aktivisten werden angegriffen. Die ukrainische Regierung wirft Russland vor, die Proteste zu steuern.
Die Separatisten in Slawiansk haben offenbar keinerlei Eile, mit der Freilassung der zwölf Geiseln, unter denen sich vier Deutsche befinden. Die ukrainische Regierung wirkt hilf- und ratlos, der Vizechef der Präsidialverwaltung, Alexander Sentschenko, beschreibt das Dilemma:
"Sie haben nicht nur die ausländischen OSZE-Beobachter als Geiseln genommen, sondern auch die Bürger, die Einwohner in diesen Städten, in Slawiansk, Konstatiniwka. Selbstverständlich versuchen wir, Druck auf die Geiselnehmer auszuüben, Verhandlungen zu führen."
In Konstantiniwka, ebenfalls im Donezker Gebiet, haben Bewaffnete das Polizeigebäude und die Stadtverwaltung besetzt, ohne jeden Widerstand der Miliz, deren Sprecher daran nichts Ungewöhnliches findet.
"Die Mitarbeiter gehen ihren Fällen nach, sie ermitteln, nichts hindert sie daran."
Gewalt gegen pro-ukrainische Demonstranten
Ein pro-ukrainischer Marsch in Donzek ist gestern brutal angegriffen, ein Dutzend Demonstranten sind verletzt worden. Ein Teilnehmer mit einem blutdurchtränkten Kopfverband sagt:
"Wir sind es leid. Man kann abends kaum einschlafen und fragt sich morgens als erstes, ob wohl Russland einmarschiert ist."
Der Bürgermeister von Charkiw, Gennadi Kernes, ist gestern angeschossen worden, musste notoperiert werden. Die ukrainische Übergangsregierung bestreitet, der Lage nicht mehr Herr zu sein.
"Wir kontrollieren den Osten des Landes, aber wir kämpfen hier nicht nur gegen irgendwelche Radikale oder Separatisten, wir haben es hier mit einem Krieg zu tun, den Russland gegen uns führt. Das ist vielleicht nicht die Art von Kriegsführung, die wir aus Filmen kennen und dennoch ist das Krieg. Die russischen Geheimdienste koordinieren die Handlungen, für die sie Kriminelle anheuern. Die werden von ihnen bezahlt."
In zahlreichen Städten des Donzeker Gebietes wollen die Separatisten am 11. Mai, also zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl, ein Referendum abhalten. Es soll entscheiden, ob die sogenannte Donezker Volksrepublik zur Russischen Föderation bzw. zur Ukraine gehört oder eigenständig besteht.
Die selbst ernannten Bürgermeister fordern dafür von der Regierung in Kiew ultimativ die Bereitstellung der Wahlunterlagen und Geld für die Durchführung der Abstimmung, ansonsten drohe man mit Überfällen und zwar am 6. Mai, berichtete das ukrainische Fernsehen.

Die OSZE in der Ukraine

Im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind derzeit Militär- und zivile Beobachter in der Ukraine im Einsatz.

Die OSZE beschloss am 21. März mit der Zustimmung aller 57 Mitgliedsstaaten - also auch Russlands - einen zivilen Beobachtereinsatz in der Ukraine. Diese Mission begann einige Tage später. Etwa 100 Beobachter sind vor allem im Osten und Südosten der Ukraine tätig, sechs weitere in der Hauptstadt Kiew.

Parallel dazu sind Militärbeobachter auf bilateraler Basis in die Ukraine entsandt worden. Grundlage für den Einsatz ist das sogenannte Wiener Abkommen. Es wurde 1990 beschlossen und gilt in den 57 OSZE-Staaten vom Atlantik bis zum Ural. In ihm sind Mechanismen verankert, die das Risiko einer militärischen Konfrontation verringern und mehr Vertrauen zwischen den Mitgliedsländern schaffen sollen.

Während Russland dem zivilen Einsatz zustimmen musste, war dies bei der Mission der militärischen Inspektoren nicht der Fall. Es sind Mitglieder dieser militärischen Mission, die seit Freitag, 25. April, von Separatisten festgehalten werden. Unter ihnen sind drei Bundeswehroffiziere und ihr Dolmetscher. Sie waren auf Einladung der Ukraine im Land und waren unbewaffnet. Deutschland führt den Einsatz, ein Oberst der Bundeswehr ist Chef der Inspektorengruppe.

Die ersten Inspektoren wurden Anfang März in die Ukraine geschickt, als sich die Situation auf der Krim zuspitzte. Die damals 51 Offiziere aus 28 Staaten sollten eigentlich die Lage auf der Halbinsel überprüfen, wurden aber nicht dorthin durchgelassen. Mit der Eingliederung der Krim in das russische Staatsgebiet Ende März verlagerten die Inspektoren ihren Einsatz in den Osten und Süden der Ukraine. Die Bundeswehr entsandte mehrfach Offiziere in die Inspektorenteams.

Die deutschen Beobachter, auch der Dolmetscher, stammen vom Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen. Dort gibt es 140 Militärbeobachter, die speziell für solche Einsätze ausgebildet sind.