Serbien nach dem Mladic-Urteil

"Eine Art Ungerechtigkeit"

Wandbild des serbischen Ex-Generals Ratko Mladic. Aufgenommen in Belgrad, Serbien, am 12. Dezember 2016.
Wandbild des serbischen Ex-Generals Ratko Mladic in Belgrad © EPA / dpa / Koca Sulejmanovic
Jelena Volic im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke · 22.11.2017
Die serbische Autorin Jelena Volic begrüßt das Urteil gegen Ratko Mladic vor dem Haager Tribunal. Der ehemalige General wurde unter anderem wegen Völkermord zu lebenslanger Haft verurteilt. Trotzdem spüre die Bevölkerungsmehrheit eine Art Ungerechtigkeit, weil serbische Opfer kaum Erwähnung finden.
Lebenslange Haft für den ehemaligen serbischen General Ratko Mladic. So lautet das Urteil des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag. Der ehemalige serbische General wurde wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen.
In Belgrad fallen die Reaktionen auf das Urteil sehr unterschiedlich aus, sagt die Schriftstellerin Jelena Volic, die in Berlin und Belgrad lebt. "Es gibt sowohl Stimmen, die das Urteil begrüßen und sagen, das ist nun endlich beendet und das ist ein richtiger Entschluss." Nun könne Serbien "nach vorne schauen" und sich auch in der innenpolitischen Diskussion weiterbewegen.

Junge Generation "sehr europäisch" gestimmt

Generell gebe es zahlreiche Jugendliche in Serbien und Bosnien, für die keine tiefen Gräben zwischen den Ländern und Volksgruppen mehr herrschen. "Und zwar viel mehr, als man das aus Europa sieht."
"Die junge Generation ist sehr international und europäisch gestimmt, besonders in den urbanen Umgebungen, wie Belgrad."
Es gebe aber auch sehr viele Serben und Serbinnen, die die Rechtmäßigkeit des Haager Tribunals infrage stellen, sagt Volic. Und die darauf hinweisen, dass das Tribunal hauptsächlich auf die serbische Schuld gepocht habe. "Und dass die serbischen Opfer gar nicht erwähnt wurden." Diesbezüglich spüre die "Mehrheit der Bevölkerung" eine Art Ungerechtigkeit.

Wer schützte Mladic vor Strafverfolgung?

Sie selbst sei "sehr zufrieden" mit dem Urteil, auch wenn viele Fragen auch nach dem Prozess offen bleiben – beispielsweise, wer Ratko Mladic jahrelang versteckt und so vor einer Strafverfolgung geschützt habe. Lange lebte dieser relativ offen in Belgrad oder in diversen serbischen Militärunterkünften.
Mladic gilt als Hauptverantwortlicher für den Völkermord von Srebrenica. Unter seinem Kommando hatten bosnisch-serbische Einheiten 1995 in der UN-Schutzzone rund 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet.
Das UN-Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien hat Anklage gegen insgesamt 20 Personen für die Verbrechen in Srebrenica erhoben. 15 Angeklagte wurden bisher für schuldig befunden. Neben Mladic gilt der frühere Serbenführer Karadžić als Hauptverantwortlicher. Er wurde zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Momentan läuft das Berufungsverfahren. Nur wenige Angeklagte haben ihre Schuld eingeräumt.
(lk)
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