Eiserner Vorhang gegen Flüchtlinge
Ungarn will einen vier Meter hohen Zaun bauen, um die Grenze nach Serbien abzuschotten. Die Flüchtlinge, die im Grenzgebiet stranden, werden verfolgt, verprügelt, ausgegrenzt und haben teils große gesundheitliche Probleme.
Schon von Weitem ist der Schornstein zu sehen: Die verlassene Ziegelfabrik in der nordserbischen Grenzstadt Subotica. Von hier bis nach Ungarn sind es nur wenige Kilometer. Müll liegt herum, Schlafsäcke. Es gibt keinen Strom, keine Wasserleitungen, nur einen Brunnen.
Einer verlangt nach Wasser. Einige Dutzend Flüchtlinge wohnen hier. Auch der Journalist Adschmir. Der 25-Jährige stammt aus Afghanistan. Und er will weiter.
"Ich mag Deutschland", sagt der junge Afghane. Er wolle studieren, Sport treiben, erzählt er. Adschmir glaubt, dass er willkommen sein wird in Deutschland.
In Kabul sei er bedroht worden, erzählt Adschmir, der seit zwei Monaten unterwegs ist. Die Flüchtlingsrouten sind die üblichen: Über die Türkei und Bulgarien oder Griechenland geht es weiter nach Mazedonien, Serbien, bis nach Ungarn.
Krank durch die Flucht, misshandelt durch Polizisten
Einmal in der Woche bekommen die Flüchtlinge Besuch von Fabiola Gasperini. Die Belgraderin arbeitet für Ärzte ohne Grenzen. Anfangs waren die Flüchtlinge skeptisch, erzählt sie. Jetzt hätten sich die Flüchtlinge an sie gewöhnt. Aus Bürgerkriegsgebieten kommen die meisten: Syrien, Irak, Afghanistan. Die Flucht macht sie krank.
"Im Winter gab es Erfrierungen", erzählt die Medizinerin. Sie haben Probleme mit den Atmungsorganen: Bronchitis, Halsentzündungen, Grippe. Sehr oft auch Magenprobleme. Wegen der ständig wechselnden Kost, die Flüchtlinge seien gestresst, müssten oft hungern. Vom vielen Gehen hätten sie auch Gelenk-, Rücken- und Knochenschmerzen.
Manche der Schmerzen kommen auch von Misshandlungen durch Polizisten. Ein anderer junger Afghane berichtet folgendes.
"In Ungarn haben sie uns geschlagen und nach Serbien zurück gebracht. In Serbien hat die Polizei uns Geld abgenommen", erzählt er "Überall, wo wir hinkommen, gibt es Probleme, werden wir verprügelt". Am ganzen Körper habe er Schmerzen, sagt er.
Ein Vier-Meter-Zaun soll die Flüchtlinge abhalten
Auf der anderen Seite der Grenze, beim kleinen Ort Ásotthalom, durchstreift Zoltán Sáringer einen kleinen Wald. Der Ungar ist Feldhüter, eine Art Bürgerwehr.
"Manche laufen weg, andere bleiben am Straßenrand stehen", erzählt er. Schlepper kämen hier nicht hin, sagt Sáringer. "Die machen einen Treffpunkt auf der Straße nach Baja aus. Hier ist immer nur einer, der sie zu Fuß begleitet."
Ásotthalom wird von einem Rechtsextremen regiert. László Toroczkai ist der Bürgermeister des kleinen Ortes. Er beschwert sich über den Müll, den die Flüchtlinge hinterließen: Die Plastikflaschen, Zigarettenschachteln, all das, was unnötiger Ballast auf der Flucht ist. Wegen der illegalen Einwanderer kämen keine Investoren in das Viertausend-Seelen-Dorf, gebe es keine Chance auf Touristen, behauptet das Stadtoberhaupt. Den Vier-Meter-Zaun, den die Regierung Orbán hier errichten will, sieht er trotzdem mit gemischten Gefühlen.
"Ich freue mich nicht gerade über den Eisernen Vorhang, schon deshalb nicht, weil ich von meinem Hof aus darauf schauen werde. Als ob ich in einem Gefängnis bin", sagt er. Dennoch sei der Zaun nötig, meint der Rechtsextreme: Denn diese Art Migration werde gesellschaftliche Spannungen erzeugen, Terrorismus gar, und Zwietracht säen.
"Hasskampagne" in Budapest
Etwa 50.000 Einwanderer alleine in diesem Jahr haben die ungarischen Behörden gezählt. Die meisten wollen ohnehin weiter – nach Deutschland etwa. Mit einer Plakat-Kampagne macht die Regierung in Budapest Stimmung gegen die Zuwanderer: Gábor Gyulai vom ungarischen Helsinki-Komitee schimpft, der geplante Zaun sei eine Schande – und es sei in Europa beispiellos, dass eine Regierung fünf Millionen Dollar Steuergeld für eine Hasskampagne gegen Migranten ausgebe.
"Mit der Hasskampagne wolle die Regierung Wähler und verlorene Popularität zurück gewinnen", sagt er. Migration sei nicht das eigentliche Thema. Korruption, Armut – all das wird von dieser Hasskampagne verdeckt, schimpft Gyulai. Die ungarische Regierung wolle diese Themen hinter einem vorgeschobenen Thema verstecken.