Der "Hassias" will Bundeskanzler werden
Serdar Somunçu soll als Kanzlerkandidat der PARTEI die Bundestagswahl gewinnen. Er spricht als Politiker, Satiriker und Kunstfigur in einem. Somunçu will sich von "mittelmäßigen Comedians wie Frauke Petry" nicht die Pointen klauen lassen.
Der designierte Kanzlerkandidat Serdar Somunçu der PARTEI hat geladen. Zum Gespräch. In ein Berliner Café. Draußen ist es kalt. Innen dunkel. Eine Bar, um sich stilvoll zu betrinken − bei französischen Häppchen und Klaviermusik.
Serdar Somunçu ist erfolgreich. Kaum eine Satireshow des ZDF geht noch ohne ihn auf Sendung. Eine zweistündige Sendung im RBB-Hörfunk, Kabarett-Programm, gerade erst eine DVD veröffentlicht. Das alles wird aus rechtlicher Sicht ruhen müssen, wenn er im Sommer offiziell in den Wahlkampf geht – zur Eroberung der Bundesbühne:
"Das war ja ausgesprochenes Ziel schon in meinem letzten Programm. In dem ich ja als Stellvertreter Gottes auf Erden gesprochen habe. Dieses Konkordat mit der PARTEI zu schließen. Sprich, wir sind die Staatsreligion, wir Hassisten, der Hassismus, ich als Hassiahs, und Martin Sonneborn ist noch der größte Vorsitzende aller Zeiten der Partei, und wir wollten beide diese unbändigen Energien zusammenführen."
Er spricht als Politiker, Satiriker und Kunstfigur in Einem. Grenzen verwischen, das ist sein Ziel. Bekannt geworden ist er vor 20 Jahren mit seinen Lesungen aus "Mein Kampf". Er steht auf der Bühne, gerne brüllend, bellend, beleidigend.
Es ist ein neues Terrain, auf das sich Somunçu jetzt wagen will. Diplomatisches Feingefühl ist gefragt, auf nationalem und internationalem Parkett. Es ist gespickt mit Stolperfallen, Fettozeanen und einer verklausulierten Sprache. Kanzlerkandidat Somunçu hat eine einfache Antwort auf solche Anforderungen.
"Nein, da muss man zwischendurch auch mal sagen: Halt die Schnauze! Du redest Dünnschiss. Und das kann ich ganz gut."
Sein Programm: Kopftuchpflicht und Homoehe
Populismus. Im Wahlkampf, im Fernsehen, im Internet. Donald Trump hatte Erfolg damit: Mauerbau, Clinton in den Knast und Lobbyisten aus Washington verjagen. Ein Dreipunkteplan für Jedermann. Die Aufmerksamkeit war ihm damit sicher. Vorbild auch für den designierten Kanzlerkandidat der PARTEI:
"Wir haben als allerwichtigstes Thema die generelle Kopftuchpflicht. Oder das Verbot. Das entscheiden wir je nach Bedarf. Kopftuchpflicht allerdings auch für Männer. Wir wollen eine zwingende Einführung der Homoehe. Sprich die Frauen bleiben für mich übrig. Und den Abbruch, den sofortigen, der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei."
Trump, Erdoğan, Putin. Es sind die erklärten Lieblingsfeinde des Neupolitikers. Gerade das Verhältnis in den Osten, zur Russischen Föderation erfordert einen neuen, komplexen Dialog mit Putin:
"Ich würde erstmal gucken, dass ich Kopfschmerztabletten dabei habe. Weil ich glaube, bei so einem Amtstreffen mit Putin wird relativ viel gesoffen. Wodka. Ansonsten auch da Klartext. Schnauze halten. Ruhe geben. Sich an die Regeln halten, die ich aufstelle und wenn nicht, dann gibt’s Kasalla. Um mit einem berühmten Philosophen zu sagen, der auch schon mal im Dschungelcamp war: Thorsten Legat, den ich zum Verteidigungsminister hiermit erkläre."
"Wir machen die bessere Realsatire"
Satire und Politik. In den letzten Monaten ist nicht immer zweifelsfrei zu sagen, welche Stimme gerade spricht. In Zeiten von Populismus und Diktatoren haben Satiriker bekanntlich viel zu tun. Nur, was passiert, wenn die Realität rechts an der Satire vorbeizieht?
"Das ist uns schon seit längerem bewusst, dass das auch der Fall ist. Mittlerweile sind ja mittelmäßige Comedians wie Frauke Petry und Beatrice von Strolch, aber auch Elmar Brok auf dem Markt unterwegs, um uns die Pointen abzugreifen. Davon lassen wir uns nicht irritieren. Wir machen immer noch die bessere Realsatire. Und die ist bekanntlich auch sehr nah an der realen Politik. Und das, was wir erleben, nicht nur in den letzten Monaten, nämlich, dass der Populismus immer näher an den Zynismus eines Satirikers ranrückt."
Wird der Zynismus des Satirikers vom Populismus in die Enge getrieben, wird der Satiriker ernst. Und wird plötzlich wirklich zum Politiker. Vielleicht sogar zu einem, der dem Land gut tun würde?
"Und die Frage danach, wie dieses Land sein soll, in dem wir leben. Ob es ein Land sein soll von Diversifikation, von Vielfalt geprägt von unterschiedlichen Einflüssen. Oder ob wir zurück wollen in ein einfältiges Deutschlandbild, das so vielleicht vor 1933 oder nach 1945 kurzzeitig existiert hat. Das sind wichtige Fragen, auf die es eigentlich schon Antworten gibt. Es gibt nämlich kein Zurück mehr. Wir können nicht mehr in ein Deutschland zurück, das es nie gab. Und diese Fragen müssen wir souverän beantworten. Und nicht mit Angst, so wie es ja die meisten machen. Das AfD-Schreckgespenst wird gerne aufgezeigt. Und schnell verschanzt man sich hinter einfachen Parolen, aber auch mit der AfD müssen wir in einen Dialog treten. Um herauszufinden, was die besseren Lösungen sind. Und da scheue ich mich nicht vor."