Forscher rechnen mit bis zu 20 Erdzwillingen
Außerirdisches Leben kann es nur auf Planeten geben, die Gemeinsamkeiten mit der Erde haben. Davon sind die meisten Wissenschaftler überzeugt. Die Planetenforscherin Heike Rauer leitet die Plato-Mission, die ab 2026 nach genau solchen Planeten suchen soll - und erklärt, welche Hürden es dabei gibt.
Dieter Kassel: Außerirdisches Leben kann es eigentlich nur auf Planeten geben, die Gemeinsamkeiten mit der Erde aufweisen. Davon sind die meisten Wissenschaftler im Moment überzeugt, das haben wir auch schon gehört in dieser Woche in unserer Reihe, und deshalb wird die Plato-Mission ab 2026 nach genau solchen Planeten suchen, und zwar unter der Leitung von Heike Rauer, Abteilungsleiterin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Professorin für Planetenphysik an der Technischen Universität Berlin. Ich hab ein Gespräch mit ihr geführt und sie da gefragt, wie denn eigentlich überhaupt aus heutiger wissenschaftlicher Sicht ein erdähnlicher Planet aussehen muss.
Heike Rauer: Ein erdähnlicher Planet ist aus unserer Sicht ein Planet, der ein Gesteinsplanet ist so wie die Erde – die Erde besteht ja hauptsächlich aus Gestein mit einem Eisenkern und einer sehr dünnen Atmosphäre, die aus Stickstoff besteht, mit einem hohen Sauerstoffanteil, der uns Leben auf der Erde anzeigt –, das wäre ein erdähnlicher Planet. Seitdem wir Exoplaneten entdeckt haben, hat sich dieser Begriff ein bisschen ausgeweitet. Heute fasst man auch Planeten, die etwas schwerer und etwas größer sind als die Erde, unter mögliche erdähnliche Planeten.
Lichtjahre von uns weg
Kassel: Wie genau wird denn diese Suche der Plato-Mission ab 2026 aussehen?
Rauer: Plato soll nach weiteren erdähnlichen Planeten suchen, und zwar konkret schauen, ob es Systeme gibt, die unseren ähnlich sind – also eine Erde um eine Sonne. Das unterscheidet sich zum Beispiel von der TESS-Mission der Nasa, die nächstes Jahr starten wird, die auch nach erdähnlichen Planeten mit vielleicht Leben auf ihnen suchen wird, aber die TESS-Mission wird es um kühle M-Zwerge gehen, also Sterne, die viel kleiner und weniger energiereich sind als die Sonne. Und Plato wird dann den nächsten Schritt gehen, zu schauen, gibt es wirklich Systeme, die uns gleichen.
Kassel: Wie weit wird denn Plato schauen können, was die Entfernung angeht?
Rauer: Plato soll helle Sterne suchen, damit man später, zum Beispiel mit dem James-Webb-Teleskop oder dem großen 30-Meter-Teleskop, dem ELT der ESO, auch nach Atmosphären schauen kann – da müssen die Sterne hell sein, um die die Planeten kreisen. Das heißt, wir bewegen uns im Bereich von wenigen 700 Lichtjahren von uns weg, das ist für Astronomen nah dran.
Kassel: Wenn man nur gucken will – wenn man hinfahren will, natürlich nicht, das ist ja dann schon eine ganze andere Herausforderung.
Rauer: Ja, da haben Sie Recht, da haben Sie dann auch gleich ein Problem angesprochen, nämlich wie man Leben nachweisen kann, wenn man doch nicht hinfahren kann, um nachzuschauen, was da passiert auf der Oberfläche eines anderen Planeten.
Kassel: Was werden Sie denn am Ende – sechs Jahre soll ja die Mission aktiv sein voraussichtlich –, was werden Sie am Ende haben? Ich als Laie denke ich natürlich an Bilder, an Fotografien – wird das so konkret sein oder sind das eher Datenberge, die Sie am Ende bekommen?
Rauer: Ja, ich fürchte, das sind eher Datenberge, aber sehr informative Datenberge. Plato wird mit der sogenannten Transitmethode nach Planeten suchen. Die ist schon sehr gut erprobt, die wurde schon von dem europäischen Satelliten, der zuerst Exoplaneten aus dem Weltall gefunden hat, angewandt, von der Kepler-Mission, die jetzt im Orbit ist, und sie bedeutet, dass wir Planeten entdecken können, wenn sie vor ihrem Stern vorbeiziehen.
Also wir schauen zum Stern, der Stern wird von einem Planeten umkreist und zieht dabei immer wieder durch die Sichtlinie zu uns. Dann steht er ja auch immer für eine gewisse Zeit vor dem Stern und dunkelt die Sternoberfläche etwas ab, und diese Abnahme der Sternintensität, die können wir messen. Und was ganz wichtig ist: Es ist die einzige Methode, mit der wir eine direkte Messung der Größe des Planeten bekommen.
Teleskope werden in den Weltraum geschossen
Kassel: Was ist denn das insgesamt für eine Anlage, mit der Sie diese Daten einsammeln werden?
Rauer: Plato ist eine Satellitenmission, die etwas anders ist als herkömmliche Weltraumteleskope. Sie besteht nämlich aus 26 einzelnen Kameras, 20 Zentimeter Öffnung in jeder Kamera, die auf einer Plattform, einer sogenannten optischen Bank montiert sind, und dann nach diesen Verdunkelungen von Sternen suchen. Warum 26 Kameras? Das liegt daran, dass wir natürlich Planeten suchen um helle Sterne, und je heller, je besser. Aber Sie können sich vorstellen, wenn Sie ein Teleskop haben und der Stern ist zu hell, dann überbelichten Sie Ihre Aufnahme.
Das heißt, für die ganz hellen Sterne möchten Sie eigentlich ein kleines Teleskop haben, um nicht zu viel Licht zu bekommen, für die lichtschwächeren Sterne möchten Sie aber eine größere Lichtsammelfläche haben. Und das ist das Problem gewesen beim Design. Der Missionem hat es so gelöst, dass man gesagt hat, wir machen nicht ein großes Teleskop mit einem großen Spiegel, sondern 26 einzelne Kameras, dann reicht für die hellsten Sterne das Licht einer Kamera aus, und für die schwächsten schalten wir alle Kameras zusammen.
Kassel: Und jetzt müssen Sie mir bitte erklären, wo genau diese Teleskope sein werden. Ich hab das an mehreren Stellen gelesen und wenn ich ehrlich bin nicht genau verstanden. Wo und warum genau da werden diese Teleskope positioniert sein?
Rauer: Die Teleskope werden also 2026 starten von Kourou aus mit einer Rakete der ESA und fliegen in den sogenannten L2-Punkt, den Lagrange-2-Punkt. Das ist ein Punkt, wenn Sie von der Sonne schauen, hinter der Erde – Sie machen eine gedankliche Verbindungslinie von der Sonne zur Erde und darüber hinaus. Dort kommen Sie dann an einen Punkt, wo die Anziehungskraft der Sonne zusammen mit der Anziehungskraft der Erde sich genau aufhebt gegen die Fliehkraft, die ein Satellit an dieser Stelle erfährt.
Das ist ein sehr beliebter Aufenthaltsort für astronomische Satelliten, weil man nämlich von dort ins Weltall schauen kann, ohne dass einem die Erde in den Weg kommt. Sie können sich vorstellen, wenn Sie um die Erde kreisen, dann haben Sie nur einen eingeschränkten Zugang zum Himmel, weil Sie sonst immer wieder auf die Erde schauen würden – die Erde kommt eben in den Weg oder die Sonne würde Ihnen ins Blickfeld kommen. Dort draußen kann man über mehrere Jahre konstant den Himmel beobachten.
Kassel: Sie haben es geschafft, ich hab’s jetzt verstanden. Aber das führt natürlich zu weiteren Fragen, zwei habe ich noch, Frau Rauer. Die eine ist: Haben Sie eine Vorstellung – Sie und Ihre Kollegen meine ich damit natürlich –, wie viele erdähnliche Planeten Sie wahrscheinlich finden werden? Also reden wir jetzt darüber, dass Sie froh sind, wenn diese Mission ein, zwei entdeckt, oder reden wir bei diesem Aufwand über Dutzende oder vielleicht sogar Hunderte?
Rauer: Da müssen wir jetzt wieder zurückkommen auf die Frage, was meinen wir mit erdähnlich. Wenn wir mit erdähnlich meinen Gesteinsplaneten, dann werden wir Tausende entdecken. Wenn wir mit erdähnlich meinen einen Erdzwilling, also so groß wie die Erde, so viel Masse wie die Erde und in der sogenannten habitablen Zone vom Stern, nämlich dort, wo der Planet Wasser auf der Oberfläche haben könnte und sich Leben entwickelt haben könnte, da sind wir im Bereich von sagen wir einem Dutzend Planeten bis 20 Planeten, die wir finden werden und die wir dann charakterisieren werden im Laufe der darauffolgenden Jahre.
Fernziel: außerirdisches Leben finden
Kassel: Vor der letzten Frage fürchten Sie sich vermutlich schon die ganze Zeit, aber Sie sind sie gewöhnt. Ich hab jetzt sechs Minuten Sie damit verschont, aber die Frage ist natürlich: Suchen Sie streng genommen, wenn man über das Wissenschaftliche hinausgeht, nur nach erdähnlichen Planeten oder suchen Sie tatsächlich nach außerirdischem Leben?
Rauer: Das Fernziel ist natürlich, außerirdisches Leben zu finden. Deswegen suchen wir nach erdähnlichen Planeten, weil wir wissen ja gar nicht, wie außerirdisches Leben aussehen kann. Es gibt Hollywood und Science-Fiction-Romane und die Fantasie der Menschen, aber wenn wir sagen, dass wir wirklich suchen wollen, dann sind wir beschränkt auf Leben, wie wir es kennen. Das beinhaltet auch Extremophile, also nicht nur das Leben, was wir jetzt beide hier vor uns sehen aus unseren Büros, aber eben Leben, wie wir es auf der Erde hier kennen. Deswegen ist es so wichtig, Planeten zu finden, Planeten-Sterne-Kombinationen zu finden, die wirklich der Erde ähnlich sind, weil man dann hoffen kann, dass diese Planeten auch eine ähnliche Entwicklung durchgemacht haben, wir dort also vielleicht Sauerstoff produzierende Bakterien finden.
Auf der Erde ist es ja so, dass wir nur deswegen so einen hohen, über 20 Prozent, Sauerstoffanteil in unserer Atmosphäre haben, weil es Leben gibt, weil es Blaueisen gibt, weil es Fotosynthese gibt, die Sauerstoff in großen Mengen produzieren. Ohne dieses Leben wäre hier nicht so viel Sauerstoff. Wenn wir so etwas in Kombination mit Wasser, in Kombination mit CO2, mit Methan auf einem anderen Planeten finden würden, dann wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, dass wir es auch mit einem Planeten zu tun haben, der Leben wie die Erde entwickelt hat. Also suchen wir nach solchen, ich nenn’s jetzt mal Erdzwillingen. Die sind sehr, sehr schwer zu finden. Die Zahl, die man finden kann in einer begrenzten Missionslebensdauer, ist nicht so hoch. Deswegen ist es so wichtig, dieses Instrument mit einer sehr guten technischen Performance zu bauen, sodass uns das dann auch tatsächlich gelingt. Ich muss dazusagen, vor Plato wird es kein Instrument geben, was das kann.
Kassel: Und die Plato-Mission startet voraussichtlich im Jahr 2026. Die Leiterin der Plato-Mission ist Heike Rauer, und mit ihr habe ich dieses Gespräch vor ein paar Tagen aufgezeichnet.
Sie können es auch im Internet natürlich hören unter deutschlandfunkkultur.de, da finden Sie unsere ganze Reihe "Ferne Welten", die wir morgen mit dem Wissenschaftsautor Daniel Gerritzen fortsetzen, und auch mit ihm reden wir über Außerirdische.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.