Ein Land im Ich-will-Spaß-beim-Hüpfen-Wahn
Zum deutschen Einfamilienhaus-Garten scheint das Trampolin für Kinder inzwischen fest dazuzugehören. Uns wer bislang keines hat, denkt nun im Frühjahr vielleicht darüber nach, sich eines anzuschaffen. Doch warum sind die Hüpfflächen eigentlich meistens leer?
Szene aus Theaterstück:
Sophie Rois schreit: "Was erlauben Sie sich???"
Sophie Rois schreit: "Was erlauben Sie sich???"
In Herbert Fritschs Stück "Die (s)panische Fliege" an der Berlin Volksbühne durfte die Schauspielerin Sophie Rois brüllen. Aber auch hüpfen. Hopsen. Stolpern. Das Bühnenbild bestand aus einem gigantischen Orientteppich, der fast mannshohe Falten schlug. In diesen Teppich war unsichtbar ein Trampolin eingelassen. Slapstick pur.
Herbert Fritsch: "Das Stürzen war für mich als Schauspieler immer das, wo dann die Ekstase losging. Das war für mich immer was Zentrales in den Stücken."
Für Herbert Fritsch, den Regisseur, löst das Stürzen die fröhliche Ekstase aus. Doch betrachtet man sich ein Trampolin mal ohne sein Theaterstück, so geht es da wohl eher um die Ekstase des Springens ohne zu stürzen.
Bei "Big Bounce", der großen Trampolin-Show auf RTL verliert Punkte, wer stürzt. Aber gut möglich, dass sich die Programmentwickler vom Gartentrampolin inspirieren ließen, dem eigentlichen Objekt meines Interesses.
Diese Trampoline sind alle aufgebockt auf Alubeinen und von einem schwarzen Netz umgeben. Und so stehen sie in den Gärten deutscher Einfamilienhaussiedlungen rum. Überall. Es ist, als ob das ganze Land von einem Ich-will-Spaß-beim-Hüpfen-Wahn erfasst worden sei.
Leere Hüpfflächen mit Laub
Benjamin Walter: "2004/05 schwappte das aus Skandinavien zu uns rüber. Das absolute Hoch hatten wir 2010/2011, seitdem ist der Absatz auf relativ hohem Niveau stabil geblieben", sagt Benjamin Walter, Marketingleiter der Firma Hudora, einer von vielen Trampolin-Herstellern in Deutschland.
Auffällig an den Garten-Trampolinen sind zwei Dinge: Sie sind für die kleinen Gärten oft viel zu groß. Oder umgekehrt: Die Gärten für sie zu klein. Und in den seltensten Fällen sieht man wirklich Kinder in ihnen hüpfen. Diese leeren Hüpfflächen, in denen sich im Herbst das fallende Laub sammelt, strahlen alles andere als Ekstase aus. Was nach Meinung des Spielplatzdesigners Hans-Georg Kellner auch mit den Trampolin-Netzen zu tun hat, und deren Verlust der Spannkraft:
Georg Kellner: "Ich kann jedes Kind verstehen. Hopsen macht Spaß, aber nur für 'ne begrenzte Zeit. Und dann sehen die sehr trist aus und traurig, dann hängen die Sicherheitsnetze runter. Und das ist wie so ein altes, verfallenes Gespenst im Allgemeinen. Regengrau und traurig."
"Angst-Netz" laut DIN-Norm überflüssig
Das Nicht-Stürzen, also frei nach Herbert Fritsch die "Nicht-Ekstase", ist beim Gartentrampolin ein ganz zentrales Thema. Die Idee des freien Flugs und freien Falls wird durch das Netz eingesperrt wie ein Vogel in der Voliere. Auch das macht es zu einer traurigen Angelegenheit. Laut DIN-Norm, so Hans-Georg Kellner, bräuchte man dieses Netz gar nicht, solange das Gestell wirklich im Garten, sprich: auf der Wiese steht.
"Das ist ein Angst-Netz ... Da geht's ja um die Psyche, die Seele der Mutter, die Angst hat um das stürzende Kind."
Interessant finde ich auch, dass moderne Eltern heutzutage ihr Kind zwar nicht mehr in den Laufstall sperren wollen, sich aber bereitwillig für einen Hüpfstall entscheiden. Und zwar dort, wo er auch noch das Auge des Nachbarn beleidigt. Sie könnten hingegen beherzt zum Spaten greifen, ein Loch ausheben und ein ebenerdiges Trampolin installieren. Ohne Netz. Das wäre doch 'ne feine Sache ...?
Benjamin Walter: "Es ist so lange fein, wie in die Grube, die da drunter ist, niemand reinfallen kann, sich keine Tiere drin verirren können und bei starkem Regenfall für Entwässerung gesorgt wird. Auf jeden Fall ist es sehr viel komplizierter für den Endverbraucher."
Überlegen Sie sich also gut, ob Sie wirklich zum Gartentrampolin-Endverbraucher werden wollen, wenn Sie es noch nicht sind. Auch wenn die Sonne so herrlich scheint!