Serie: Kulturbaustellen in Deutschland

Elbphilharmonie - Skandalprojekt mit Fanpotenzial

Das Konzertgebäude der Elbphilharmonie ist in Hamburg an der Elbe zu sehen.
Die Hamburger Elbphilharmonie sollte eigentlich schon 2010 eröffnet werden. Nun wird es - vermutlich - 2017. © dpa/ picture-alliance/ Markus Scholz
Von Swantje Unterberg |
Deutschlands vermutlich spektakulärste Kulturbaustelle könnte bald abgeschlossen sein: Die Hamburger Elbphilharmonie soll 2017 eröffnen, nach zehn Jahren Bauzeit. Inzwischen fangen die Hamburger wieder an, sich darauf zu freuen. Grund genug, sie auf Platz eins unserer Serie zu setzen.
Die Elbphilharmonie schmückt sich mit Superlativen: Der erste Konzertsaal in einem Hochhaus, die Glasfassade eine Weltneuheit, eine konvex gebogene Rolltreppe, so noch nie gebaut. Der Blick über die Elbe: einmalig. Der Klang auf jedem einzelnen Platz: perfekt. Kurz, die Philharmonie sei ein Gesamtkunstwerk aus atemberaubender Architektur, exzellenter Musik und einzigartiger Lage.
Nur fertig ist sie noch nicht.
Schorsch Kamerun: "Ich glaube, man hat sich an etwas gewöhnt, was es noch gar nicht gibt. Das ist ein merkwürdiger Zustand."
Dabei war die Elbphilharmonie an Negativassoziationen kaum zu überbieten: Hamburgs teuerste Baustelle, Schandmal, Skandalprojekt. Oder mit dem feinen Spott des Künstlers Schorsch Kamerun gesprochen: "Wenn man Donald Duck liest, dann ist das der Geldspeicher, so sieht es jedenfalls aus."

Elbphilharmonie - das Problemkind Hamburgs

Der Regisseur und Sänger betreibt mit einem Kollektiv den Golden Pudel Club, den das Team liebevoll "Elbphilharmonie der Herzen" nennt. Doch während der kleine, aber legendäre Nachtclub nach einem Brand und einer anstehenden Zwangsversteigerung gefährdet ist, erhebt sich in Sichtweite die Elbphilharmonie schimmernd über den Hafen. Die Kräne sind weg, das Dach geschlossen, von außen ist Hamburgs neues Wahrzeichen fast fertig. Und Kritik und Spott werden weniger.
Christoph Lieben-Seutter: "Klar, jahrelang war es das Problemkind der Stadt und wir konnten uns vor schlechten Schlagzeilen gar nicht schützen. Jetzt, wo wir kurz vor der Vollendung sind, ist in der Stadt die Begeisterung wieder absolut zu spüren. Und die Kosten sind erstaunlicherweise schon jetzt kaum noch ein Thema."
Christoph Lieben-Seutter ist seit der Grundsteinlegung vor bald zehn Jahren als Intendant im Amt. Baubeginn 2007, Eröffnung 2010. Das war der Plan. Und dass die Stadt nicht mehr als 77 Millionen Euro für den Prestigebau zahlt. Die Baukosten für die Konzertsäle sollten durch 45 Luxuswohnungen, ein Fünf-Sterne-Hotel, Gastronomie und Parkhaus wieder eingespielt werden.
Doch die Stadt übernahm immer mehr die Rolle des Investors - mit allen Kostenrisiken. Dabei verschwieg der damalige Senat, so der parlamentarische Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie, dass umgekehrt das Luxushotel subventioniert werde. Schon kurz nach Baubeginn stiegen die Kosten auf über 300 Millionen Euro. 2011 wechselt die Regierung, doch die Probleme blieben gleich.
Barbara Kisseler: "Ich werde weder zu den Kosten noch zu dem Termin eine dezidierte Aussage treffen können, weil ich das im Augenblick nicht sagen kann."
Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler in der ARD. Die Stararchitekten Herzog & de Meuron, die Baufirma Hochtief und die Stadt kommunizierten im Streit über Planungsfehler, Bauverzögerung und Kostensteigerungen nur noch über Anwälte. 2011 dann der Baustopp. Und nichts war mehr gewiss. Ein Neustart musste her. Oder der Ausstieg aus dem Projekt.
"Dass das hier eine schwierige Entscheidung ist, das will ich ausdrücklich sagen", so der Erste Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, im Juni 2013. Zu dem Zeitpunkt hatte er sich bereits entschieden: Er warb vor der Hamburgischen Bürgerschaft um Zustimmung für die Neuordnung der Zuständigkeiten."
Lieben-Seutter: "Da wurden viele der ursprünglichen Konstruktionsfehler im Vertragsgerüst gut gemacht, natürlich mit noch mal mehr Geld und einem neuen Zeitplan."

2011 Baustopp und neuer Zeitplan - plus Mehrkosten

789 Millionen Euro. Eröffnung 2017. So der Plan. Doch Intendant Lieben-Seutter blieb erst einmal skeptisch: "Jetzt haben wir dreimal verschoben, jetzt warten wir mal ab, ob das auch wirklich so hält. Haben ein ganzes Jahr lang nicht gewagt, wirklich an eine künstlerische Planung ranzugehen, aber haben die Baustelle beobachtet, haben Feedback bekommen und haben dann gemerkt: scheint zu halten."
Seither läuft alles glatt. Und Lieben-Seutter plant wieder für die Eröffnung und den Betrieb. Ein Haus für alle soll die Elbphilharmonie sein. Das schlage sich in Eintrittspreisen ab sechs Euro und im Programm nieder.
"Im Kern natürlich Klassik, dafür ist der Saal auch gebaut, für große Orchestermusik, aber es kommen andere Musikstile nicht zu kurz. Es ist vielfältig programmiert, wir sind sehr neugierig, wir lassen auch Künstler ran, von denen Sie noch nie etwas gehört haben."
Auch die Architektur soll für alle erlebbar sein, auf einer frei zugänglichen Aussichtsplattform zwischen dem alten Kaispeicher und dem gläsernen Neubau. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, findet Kamerun. Nur: In puncto Partizipation habe die Elbphilharmonie bis dato gründlich versagt. Für den Künstler ist der Glaspalast damit immer noch negativ konnotiert.
Kamerun: "Was haben wir gegen ein Konzerthaus? Wir haben nur dann was dagegen, wenn wir nicht mitgenommen werden. Und möglicherweise hätten wir uns ja echt drauf gefreut. Wenn es dann auf macht, mal sehen. Vielleicht sind wir ja nicht nachtragend, kann ja sein."

Die weiteren Sendetermine:
29.3. Mathildenhöhe in Darmstadt
30.3. Schwarzes Loch statt neues Kölner Stadtarchiv
31.3. KINDL – neues Zentrum für zeitgenössische Kunst in Berlin
1.4. Schauspiel und die Oper in Köln
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