Serie "The Handmaid's Tale"

"Wir wollen die Welt nur besser machen"

Szene aus "The Handmaid's Tale". Frauen in roten Roben und weißen Häubchen auf grüner Wiese. Dahinter Wachmänner.
Szene aus "The Handmaid's Tale". © 2016 Hulu
Von Jörg Taszman |
In den USA wurde "The Handmaid's Tale" in Zeiten Donald Trumps als düstere Warnung vor Totalitarismus interpretiert. Jetzt ist die mit acht Emmys ausgezeichnete Serie nach einem Roman von Margaret Atwood auch in Deutschland zu sehen.
Es beginnt mit einem gescheiterten Fluchtversuch. Eine dreiköpfige Familie flieht in einem Auto vor dunklen SUVs mit schwerbewaffneten Paramilitärs in schwarzen Uniformen. In einem Waldstück wehrt sich June verzweifelt, aber erfolglos dagegen, dass ihr ihr Kind weggenommen wird. Die junge Frau kommt in ein Umerziehungsheim. In roten Gewändern und weißen Hauben werden hier viele Frauen zu Gebärmaschinen für die Oberklasse gedrillt. Denn die USA gibt es nicht mehr.

Biblischer Faschismus

Sie ist dem totalitären Nachfolgestaat Gilead gewichen, in dem sich ein biblischer Faschismus etabliert hat, der sich auf Teile des alten Testaments beruft. Die meisten Frauen in Gilead sind unfruchtbar. Wer noch Kinder zur Welt bringen kann, wird euphemistisch Dienstmagd – im englischen Handmaid – genannt. June teilt man dem Commander Fred Waterford und seiner Frau zu. Ihr neuer Name ist Desfred und im Off erinnert sie sich an andere Zeiten:
Vorher habe ich geschlafen, so haben wir es geschehen lassen. Als sie den Kongress abgeschlachtet haben, sind wir nicht aufgewacht. Als sie Terroristen die Schuld gaben und die Verfassung außer Kraft setzten, da sind wir nicht aufgewacht. Nun bin ich wach. Mein Name ist Desfred.
Elisabeth Moss als Desfred in "The Handmaid's Tale".
Elisabeth Moss als Desfred.© 2016 Hulu
Elisabeth Moss spielt diese Hauptfigur und sie ist derzeit wohl die angesagteste US-Schauspielerin. Schon in "Mad Men" überzeugte sie als Peggy Olsen, demnächst sieht man sie auch im Cannes-Gewinner "The Square" und in Jane Campions "Top of the Lake – China Girl". Sie verkörpert Desfred als eine Kämpferin mit einer Mischung aus Angepasstheit, Verzweiflung und Auflehnung.

Emmys für die Serie

Völlig zurecht bekam Elisabeth Moss den Emmy als Beste Darstellerin. Ihr ebenbürtig als fanatische Oberschwester, die Frauen auf ihre neue Aufgaben als Leihmütter drillt, ist Ann Dowd, die den Emmy als beste Nebendarstellerin bekam und im amerikanischen Original besonders bedrohlich klingt.
Sonequa Martin-Green und Jeremy Piven überreichen Ann Dowd den Emmy für ihre Nebenrolle in "The Handmaid's Tale".
Ann Dowd erhält den Emmy für ihre Nebenrolle in "The Handmaid's Tale".© imago / UPI Photo

Gottesgeschenk Fruchtbarkeit

Wenn Ann Dowd als Tante Lydia die Fruchtbarkeit ihrer Dienstmägde wie ein Geschenk Gottes anpreist, sich dabei selber in Extase versetzt, wird es gruselig, weil sie sich so sicher ist, den Frauen etwas Gutes zu tun. Die Dystopie, die in "The Handmaid’s Tale" entworfen wird, hat etwas Bedrückendes, weil so vieles überhaupt nicht mehr wie Science-Fiction wirkt sondern erschreckend realistisch.
In diesem faschistoiden Überwachungsstaat fahren schwarze SUVs durch die Straßen, werden Menschen auf offener Straße verhaftet und viele Gegner öffentlich gehängt. Frauen haben überhaupt keine Rechte mehr. Sie dürfen weder arbeiten noch sich bilden. In einem Wortwechsel zwischen Desfred und dem Commander Waterford gespielt von Joseph Fiennes, drückt sich der ganze Zynismus der regierenden Oberschicht aus.
Wir wollen die Welt nur besser machen.
Besser?
Besser bedeutet nie besser für alle.
In den USA traf diese Originalserie des Videoportals Hulu einen Nerv. Viele Kommentare in Medien wie der "New York Times" analysierten die Parallelen zu Trump, den überzogenen Nationalismus und das Erstarken der radikalen, christlichen Rechte, die gegen die Ehe für Alle, gegen Abtreibung und für ein traditionelles Familienbild kämpft.

Parallelen zu aktuellen Ereignissen

In Zeiten, in denen Viktor Orbán in einem EU-Land den illiberalen Staat ausruft, Erdogan vom Volk diktatorische Vollmachten bekommt, in Polen in letzter Sekunde ein fast völliges Verbot von Abtreibungen scheiterte und in vielen Ländern die Pressefreiheit eingeschränkt wird, kann man "The Handmaids Tale" auch als eine "warnende Prophezeiung" verstehen. Abgesehen von dieser inhaltlichen Aktualität ist diese Serie aber auch gut gemacht, exzellent ausgestattet und fotografiert und in gewisser Weise schaurig-gut.
Die Serie basiert auf dem Roman "The Handmaid’s Tale" von Margaret Atwood aus dem Jahr 1985. Das "Kultbuch einer ganzen Generation", schreibt der Verlag über den Roman.
Das Cover der deutschen Ausgabe von "The Handmaid's Tale".
Cover© Piper
Hulu gelang mit der Auszeichnung für die Beste Drama-Serie ein Coup, der den beiden großen Streamingdiensten wie Netflix und Amazon bisher bei den Emmys – dem wichtigsten amerikanischen Fernsehpreis – verwehrt blieb. Damit ist The Handmaid’s Tale auch ein Favorit für die Golden Globes.

Nicht zum ersten Mal

Die neue Serie ist nicht die erste Verfilmung des Romanstoffs. Schon 1990 verfilmte Volker Schlöndorff den Bestseller unter dem Titel "Die Geschichte der Dienerin". Uraufgeführt bei der Berlinale im Zoo Palast und damals ausgebuht. Der deutsche Regisseur distanzierte sich damals von dieser "Auftragsarbeit".
Nun 2017, also genau 27 Jahre später feiert die TV Serie riesige Erfolge und gewann kürzlich acht Emmys als beste Drama Serie. In den USA vom Streamingdienst HULU produziert, kommt die Serie ab 4. Oktober auf der Telekom Plattform Entertain als deutsche Erstaufführung heraus.
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