Wo ist die Mutter von Luis Miguel geblieben?
Der Schmusesänger Luis Miguel ist ein Superstar in Mexiko, entsprechend beliebt ist die Netflix-Serie über sein Leben. "Luis Miguel" hat nebenbei ein schwieriges Thema in die Diskussion gebracht: Das Schicksal der vielen Verschwundenen des Landes.
Frühstücksfernsehen à la Mexicana: Eine Gruppe von wildgewordenen Moderatoren schlägt auf eine so genannte Piñata ein, eine lebensgroße Puppe aus Pappmaché. Sie sieht aus wie der Vater des Starsängers Luis Miguel.
Figuren mit einem Holzstil zu zertrümmern, hat in Mexiko Tradition. Gern mal werden da richtige Bösewichte zum Verdreschen rangenommen. Kein Wunder, dass da jetzt symbolisch der Vater des Popstars herhalten muss. Der gehört aktuell zu den meistgehassten Personen im Land – zumindest bei den eingefleischten Fans des mexikanischen Musikers.
Im April ist mit "Luis Miguel" eine neue Serie auf dem Streamingdienst Netflix erschienen, die das Leben des Schmusesängers Luis Miguel nachzeichnet und hinter die Kulissen blicken lässt. Schnell wird deutlich: Luis Vater, ein schmieriger Typ mit Schnurrbart und Drogenproblem, regiert mit harter Hand – cholerisch, egoistisch, autoritär. Die Serie ist fiktiv, aber sie basiert auf der wahren Lebensgeschichte von Luis Miguel, der Sänger selbst hat das Drehbuch abgenickt.
Vom Vater ins Showbusiness gedrängt
In 13 Folgen erzählt die Musik-Serie den Aufstieg des Superstars nach – und vor allem die Entbehrlichkeiten, die damit einhergingen. "Dos enamorados" war der erste Hit von Luis Miguel, da war er gerade einmal zwölf Jahre alt. Sein Vater drängt den Jungen von klein auf ins Showbusiness, gibt ihm Aufputschmittel, um nicht vor Erschöpfung einzuknicken. Richtig geborgen fühlt sich der kleine Luis nur bei seiner Mutter Marcela. Liebevoll sorgt sie sich um ihren Sohn, der so plötzlich zum Kinderstar aufgestiegen ist.
"Du bist meine Sonne" sagt die Mutter in der Serie. Und so nennen ihn seine Fans im echten Leben auch heute noch: "Die Sonne Mexikos". Eine ganze Nation kann vor dem Fernseher mit verfolgen, wie der schüchterne Kinderstar zu einer der größten Ikonen der Latino-Szene heranwächst. Damals in echt, heute auf Netflix. Mit 18 hat Luis Miguel bereits elf Alben aufgenommen. Auch Alejandra Gustavo aus Mexiko-Stadt war in den 80er Jahren ein Fan:
"Es gab keine Feier, auf der wir nicht zu Luis Miguel getanzt haben, keine Disko, wo kein Lied von ihm gespielt wurde. Jeder aus der 80er-Jahre-Generation hat ein Lieblingslied von Luis Miguel. Beispiel: Wenn Du zum Strand gefahren bist, lief den ganzen Tag nur 'Cuando Calienta el Sol'."
Ständchen für die Mutter mit traurigem Ausgang
Mehr als 100 Millionen Platten hat Luis Miguel verkauft. Auch in den Vereinigten Staaten ist der heute 48-Jährige erfolgreich. Entsprechend groß ist auch das Interesse an der Serie. Zumal sich viele Fans eine Antwort auf die Frage erhoffen: Wo ist Luis Miguels Mutter Marcela geblieben? 1986 verschwindet sie. Spurlos. Da war Luis 16 Jahre alt. Bis heute ist ungeklärt, wo die Frau geblieben ist.
Luis Miguels Mutter ist aber bei weitem nicht die Einzige in Mexiko, die einfach verloren geht. Für viele Menschen ist das harte Realität. In der mexikanischen Macho-Kultur werden Frauen verachtet und diskriminiert. Knapp 9000 sind seit 2006 verschwunden. Und etliche werden jedes Jahr ermordet. 2016 waren es laut einem Bericht der Vereinten Nationen 2746.
Die Frauenrechtsorganisation "non violence" nutzt die Serie, um im Internet auf das Thema aufmerksam zu machen: Unter dem Hashtag #nosoloesmarcela" – "Es ist nicht nur Marcela" – hat "Luis Miguel" in den sozialen Netzwerken eine rege Debatte angestoßen. Angehörige von Verschwundenen bleiben oft ratlos zurück. So erzählt es auch der "echte" Luis Miguel in einem Interview:
"Das ist ein Thema, das mir noch heute sehr wehtut und das noch immer ungelöst ist. Und ich glaube auch nicht, dass ich diesen Verlust jemals richtig verarbeiten werde können."
Das letzte Mal gesehen haben sollen Luis Miguel und Marcela sich bei einem Auftritt in Buenos Aires. Und wieder kann die ganze Welt zusehen – das Video dazu ist im Netz zu finden. Der Teenager kommt mit seiner Mutter auf die Bühne und singt ihr liebevoll ein Ständchen. Dass dieser Titel kurze Zeit später zu solch traurigem Ruhm kommen würde, hätte sich wohl auch kein Drehbuchautor besser ausdenken können.
(orm)