Das Loop-Theater feiert die Wiederholung
Der Begriff stammt eigentlich aus der elektronischen Musik: Loops finden sich in Avantgarde-Kompositionen des 20. Jahrhunderts aber auch bei DJs und Musikern der Rap- und Hiphopkultur. Nun aber nutzt verstärkt das Theater die Loop-Technik, um zu neuen Erzählformen zu gelangen.
"Es fehlt euch was, es reicht euch nicht. Es fehlt euch was, es reicht euch nicht."
Dramatiker verwenden schon lange sprachliche Loops in ihren Bühnentexten. Zum Beispiel René Pollesch, dessen Sätze sich oft wiederholen. Früher haben sie sich hysterisch überschlagen, die Sprache wurde zu einer heiß laufenden Maschine, die den Wahnsinn einer entindividualisierten, entmenschlichten Gesellschaft spiegelt.
Wiederholungen dienen zur Verstärkung
Heute nutzt Pollesch Loops auch in anderen Tempi wie im Stück "Kill your Darlings. Streets of Berladelphia" an der Berliner Volksbühne. Bei Thomas Bernhard und Elfriede Jelineks gibt es Wut-Loops, die Wiederholung der Sätze intensiviert die Schimpfkanonade, kleine Veränderungen geben ihnen zusätzliche Spitzen.
In großen Schauspielinszenierungen ist der Loop als ästhetisches Mittel hingegen verhältnismäßig neu. Kay Voges hat ihn oft eingesetzt, in seinen Inszenierungen am Theater Dortmund. Sein Partner ist dabei fast immer der Dramaturg Alexander Kerlin:
"So richtig begonnen hat das bei 'Das Fest', wo wir diesen Loop hatten von einer Kamera, die an einer Schiene befestigt in einem ewigen Kreis fuhr. Und wir das erste Mal bemerkt haben, dass der Kreis eine Form ist, die Ewigkeit verkörpert, weil sie kein Ende findet. Die Kamera läuft und läuft und läuft und läuft."
Im Fokus einer unablässig kreisenden Kamera
Die Schauspieler kämpften in dieser Inszenierung darum, ins Bild zu gelangen. Nur wenn sie sich in den Fokus der unablässig kreisenden Kamera bewegten, waren sie für das Publikum sichtbar. So entstand in diesem Familiendrama jenseits der Psychologie ein Krieg ums Gesehen werden. Was wiederum viel mit den unterschwelligen Abläufen einer Familienfeier zu tun hat. Dieses Stilmittel nahmen Kay Voges und Alexander Kerlin mit in ihr bisher erfolgreichstes Stück "Die Borderline-Prozession":
"In der 'Borderline-Prozession' haben wir die Kamera gehabt, die in einem endlosen Kreislauf – wir haben das untertitelt mit 'ein Loop um das, was uns trennt' - in einem endlosen Kreislauf um das Bühnenbild drum rum fährt und trotzdem passieren da drin wieder lineare Geschichten. Es geht nie darum, die eine Art, Geschichten zu erzählen gegen die andere Art, Geschichten zu erzählen, auszuspielen, sondern auch das dialektisch zu denken."
Die Welt in Einzelteilen vorführen
Wenn sich Regisseure für so einen Loop entscheiden, sind zwar kleine Spannungsbögen weiterhin möglich. Aber keine geschlossene, linear erzählte Handlung. Die Welt wird zerlegt, in Einzelteilen vorgeführt, die Wiederholungen zwingen das Publikum, die Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu lenken. Auf die kleinen Veränderungen, die Details, die Störungen des Ablaufs.
Alexander Kerlin: "Andere Sparten wie zum Beispiel der Tanz, wo die Proben ja schon Repetition heißen, also Wiederholung, die haben viel, viel mehr Erfahrung damit, dass man Dinge wiederholt, noch mal macht und in dieser Wiederholung eine Abweichung erzählt."
Auch das Musiktheater kennt diese Ästhetik schon länger als das Schauspiel, in den Opern von John Adams oder Philip Glass. In Bonn läuft gerade "Echnaton" von Glass, ein Stück ohne erzählbare Handlung, die Musik entfacht einen rhythmischen, pulsierenden Rausch.
Monotones Zählen von der Tonspur
Etwas Ähnliches geschah auch in der Performance "Das goldene Zeitalter" im Dortmunder Schauspiel. Von der Tonspur klang monotones Zählen mit einem Grundrauschen, während die Schauspieler wie Puppen eine Treppe hinunter schritten. Frauen und Männer trugen Schulmädchenuniformen mit kurzen Röcken und blonde Perücken.
Diese Art des Loop-Theaters hat Elemente des Spontanen und Intuitiven, den Rahmen jedoch gibt die Technik vor. Es sind komplexe Abende, die sich in ihrer Gesamtheit gar nicht fassen und analysieren lassen. Aktionen passieren parallel, jeder Zuschauer erlebt seine eigene Aufführung.
"Hin zu einer anderen Dimension von Sein"
Ist das ein Theater, das sich vom Menschen fort bewegt in technische Sphären, ein transhumanes Theater? Alexander Kerlin widerspricht:
"Ich glaube, es geht überhaupt nicht weg vom Menschen. Sondern es geht weg von einer bestimmten Vorstellung, was Psychologie ist. Aber wenn man genau hinguckt, bei Freud zum Beispiel, Freud war derjenige, der den Wiederholungszwang als Begriff erfunden hat, um etwas Bestimmtes zu beschreiben, nämlich dass Menschen immer wieder dasselbe tun, obwohl sie wissen, dass es nicht gut ist für sie.
Immer wieder stehen wir an dieser Supermarktkasse bis zum Tod. Und es ist ja eine große Realität in unserem Leben, die Wiederholung. Und deswegen würde ich sagen, nein, nicht weg vom Menschen. Sondern hin zu einer anderen Dimension von Sein."
Der Loop ist kein Theatermittel unter vielen. Wenn er konsequent eingesetzt wird, dominiert er die Aufführung. Aber es ist möglich, durch die Technik der Schleifen, Wiederholungen und Veränderungen Dinge zu erzählen, die mit einer linearen Dramaturgie nicht möglich sind. So wie das Leben in einer digitalisierten Welt auch abläuft, gleichzeitig. Insofern werden uns noch einige Male Loops auf der Bühne begegnen.