Buntes Leuchten in London
José Selgas hat in diesem Jahr zusammen mit seiner Frau Lucìa Cano den Pavillon für die Serpentine Gallery in Kensington Gardens entworfen. Das Werk ist bunt schillernd und soll Publikum mit moderner Architektur vertraut machen. Ab Ende Oktober steht es zum Verkauf.
Schon von weitem leuchtet der diesjährige Pavillon fröhlich bunt: grün, gelb, rosa, orange, blau. Von außen erinnert er an eine große vielgliedrige Raupe mit etlichen Köpfen und Enden, durch die man das Innere betritt.
"Es gab nicht bloß eine Idee für diesen Pavillon, sondern eine ganze Reihe, aber das wichtigste war für uns, wie die Menschen diesen Pavillon erleben können, wie sie ihn nutzen, wie sie mit ihm umgehen – das hängt von der Tageszeit ab, vom Wetter, von der Stimmung - die Eindrücke werden immer verschieden sein und darauf kam es uns an."
José Selgas bildet zusammen mit seiner Frau Lucìa Cano das spanische Architektenduo Selgascano, das in diesem Jahr den Pavillon für die Serpentine Gallery in Kensington Gardens entwerfen durfte. Hauptmerkmal ist das faszinierende Farbspiel im Inneren der Raupe, die Dominanz der Natur, wenn das sich verändernde Tageslicht durch die bunt-transparenten Plastikfolien der beiden Außenhüllen dringt. Jochen Volz, Programmdirektor des Pavillons, ist überzeugt, dass ihn das Publikum nutzen wird, um
"sich zu inspirieren von Lichtsituationen, die man im Park kennt, wenn man durch einen unterschatteten Baum durchläuft oder auf einmal eine Überraschung, einen Blick hat, wo sich Wege kreuzen oder Wege verlieren, Dinge, die ganz klassisch im Parkdesign sind und die auch alle in dem Pavillon drin sind. Je nach sich verändernden Lichtverhältnissen wird die Farbe ganz präsent im Raum und was ganz besonders schön ist, dass das Licht auf einmal wie ein Raum teilendes Element wirkt, dass verschiedene Segmente des Raums ganz rot, ganz gelb oder ganz orange wirken. Wo wir jetzt sind, stehen wir auf einmal in einem pinken Raum."
Konstruktion aus Tunnel-, Kuppel- und Steilwandzelt
Selgascano haben die farbigen Plastikdächer und Wände kombiniert zu einer komplizierten Konstruktion aus Tunnel-, Kuppel- und Steilwandzelt, die von weißen Stahlrohren und Alustangen gehalten wird; eine leichte, luftige Konstruktion mit vielen Eingängen und verschachtelten äußeren und inneren Korridoren, die geschmückt, eingewickelt und überspannt werden von bunten Absperr-Bändern und die zu einem Begegnungsraum in der Mitte führen,
"wo wir abends eine Serie von public programs machen. Veranstaltungen, Vorträge, Konzerte, Performances, verschiedene Events, die über den Sommer laufen."
Dafür werden Eintrittspreise verlangt. Tagsüber aber kann der Pavillon von jedermann umsonst betreten und genutzt werden, und bietet in seiner Mitte ein öffentliches Café zum Verweilen.
"Es gibt eben nicht mehr so viele öffentliche Räume in der Stadt heute, die man wie diesen Pavillon oder wie Parks einfach benutzen kann. Man muss nichts bezahlen, man kann sie benutzen und das hat ja auch um die 200.000 Besucher jeden Sommer, also ähnlich viele Besucher wie die Architektur-Biennale in Venedig, ein wirklich sehr, sehr öffentliches Experiment",
erklärt Hans Ulrich Obrist, seit 2006 Co-Direktor der Serpentine Gallery. Natürlich profitierte das Experiment von seiner Lage am Schnittpunkt zwischen Hydepark und Kensington Gardens, der auch zufällige Spaziergänger in den Pavillon locke. Doch es sei von Anfang an beabsichtigt gewesen, moderne Architektur ohne Hindernisse für ein breites Publikum in London erfahrbar zu machen.
"Mit Zeichnungen oder Skizzen oder Plänen ist es unbefriedigend; das ist so wie mit einer Musikpartitur: das kann nur jemand lesen, der auch Experte ist. Und deshalb glauben wir als Ausstellungsmacher - und das war Julias Erfindung 2000 - wir müssen Architektur bauen, um sie zu erfahren. Die Londoner Künstler Gilbert & George sagen 'art for all' und wir fügen hinzu 'architecture for all'."
Dialog zwischen Architekt und Künstler
Mit dem Werk von Selgascano kommt London jetzt zum inzwischen 15. Mal in den Genuss eines dreimonatigen architektonischen Sommer-Kunstwerks. Wurden Anfangs berühmte Architekten wie Zaha Hadid, Daniel Libekind oder Oscar Niemeyer eingeladen, ging es später auch um den Dialog zwischen Architekt und Künstler wie zwischen Herzog & de Meuron und Ai WeiWei beim Pavillon 2012.
"Und in den letzten drei Jahren fanden wir dann, dass eine neue Generation von Architekten und Architektinnen sichtbar wird. Das war der Moment, wo wir begonnen haben mit Sou Fujimoto, dem jungen Japaner, Smiljan Radic, dem jungen Chilenischen Architekten und jetzt eben mit den jungen spanischen Architekten Selgascano, diesen Pavillon zu machen. Das ist schon ein neuer Anfang in den letzten drei Jahren."
Treibende Kraft war und ist dabei Julia Peyton-Jones, die umtriebige Serpentine-Direktorin, die nicht nur die Pavillon-Idee hatte, sondern auch die Sponsorengelder eintrieb.
"Eines der Wunder dieses Projekts ist, dass es kein Geld vom Steuerzahler bekommt. Wir müssen alles selbst finanzieren. Wir hatten anfangs keine Ahnung, wenig Land, nur die kleine Wiese vor der Galerie, kein Geld, wir haben keinen Wettbewerb ausgerufen, sondern Architekten beauftragt. Alles gegen die erwarteten Abläufe, wenn man Architekten wählt - und wir konnten das, weil wir eine Einrichtung der Kunst und nicht der Architektur sind."
Bis zum 18. Oktober ist der diesjährige Pavillon begehbar. Dann wird er abgebaut und verkauft und deckt damit 40 Prozent der Kosten.