Melodien für ein neues Bosnien
Sevdah-Musik oder Sevdalinka nennt man die traditionelle Volksmusik aus Bosnien-Herzegowina: Es wird über Liebe, den Tod und das Alltagsleben gesungen. Der bekannteste bosnische Sevdah-Musiker ist der Sänger Damir Imamovic aus Sarajevo.
Der bosnische Blues – so wird die Sevdah-Musik auch genannt. Weil sie so traurig ist, weil sie so unmittelbar von den Freuden und Leiden der Menschen erzählt, und weil sie oft gleich mit dem ersten Ton mitten ins Herz trifft. Damir Imamovic kennt diese Musik seit frühester Kindheit. Er hat sie schon als Baby von seiner Mutter gehört, er ist mit ihr aufgewachsen – und er ist heute einer der größten Sevdah – Stars seines Landes.
"Sevdah hat in meiner Familie schon immer eine große Rolle gespielt: Mein Großvater war ein legendärer Sevdah- Sänger in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, auch meine Großtante war eine wichtige und einflussreiche Sängerin – und mein Vater ist Musikproduzent. Ich führe also eine Familientradition fort, in der dritten Generation. Aber ich wollte auch etwas anders machen. Ich wollte das musikalische Spektrum der Sevdah erweitern und nicht nur das bekannte Repertoire, die alten Lieder einfach nachspielen. Für mich ist Sevdah ein ästhetisches Prinzip und die alten Sevdah- Lieder sind nur eine Version davon."
Auch Heinrich Heine hatte einen Sevdah–Text geschrieben
Bosnien ist ein kleines Land, in dem sich die Kulturen schon immer gemischt haben. Bis zum 19. Jahrhundert gehörte das Gebiet zum Osmanischen Reich, dann kamen die Habsburger und mit ihnen die Tradition der europäischen Romantik. All das ist in die Sevdah – Musik mit eingeflossen: Selbst Heinrich Heine hat einmal einen Sevdah–Text geschrieben, "Der Asra", ein Lied, das bis heute auf dem Balkan gesungen wird. An diese Mischung aus westlicher und östlicher Kultur möchte Damir Imamovic mit seiner Musik anknüpfen. Aber er geht auch ein Stück weit darüber hinaus: Auf seinem aktuellen Album "Dvojka" finden sich Ausflüge in die Kammermusik, in den portugiesischen fado und sogar in die indische Klassik.
"Wenn die Leute von Balkan- Musik reden, in Europa oder auch im Rest der Welt, dann meinen sie meistens Partymusik: Balkanbeat und solche Sachen. Klar, das gehört ja auch zu unserer Tradition. Aber ich wollte keine Tanzmusik machen, ich wollte meine Musik kompositorisch weiterentwickeln und ich wollte Geschichten erzählen. Anfangs war es gar nicht so einfach, das den Leuten klarzumachen. Ich kann mich erinnern, wie ich manche Veranstalter geradezu zwingen musste, bei meinen Konzerten Stühle aufzustellen. Ich wollte, dass die Leute zuhören und nicht nur rumhüpfen!"
"Wenn die Leute von Balkan- Musik reden, in Europa oder auch im Rest der Welt, dann meinen sie meistens Partymusik: Balkanbeat und solche Sachen. Klar, das gehört ja auch zu unserer Tradition. Aber ich wollte keine Tanzmusik machen, ich wollte meine Musik kompositorisch weiterentwickeln und ich wollte Geschichten erzählen. Anfangs war es gar nicht so einfach, das den Leuten klarzumachen. Ich kann mich erinnern, wie ich manche Veranstalter geradezu zwingen musste, bei meinen Konzerten Stühle aufzustellen. Ich wollte, dass die Leute zuhören und nicht nur rumhüpfen!"
Von der Trauer der Mütter
Die Geschichten, die Damir Imamovic in seinen Liedern erzählt, handeln vom Alltag im heutigen Bosnien. Von der Schwierigkeit, nach den Jahren des Krieges und des Hassens wieder zu einander zu finden. Von der Trauer der Mütter, die ihre Kinder verloren haben. Vom Misstrauen gegen den Nachbarn, den Bruder, den Freund. Aber sie vermitteln auch Hoffnung: Hoffnung auf ein neues Bosnien, Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben der Menschen in seiner Heimatstadt Sarajevo.
"Eines Tages saß ich beim Essen mit ein paar Freunden, die schon etwas älter sind, so um die 60. Sie erzählten mir Geschichten aus den 60er- und 70er-Jahren, was für ein glückliche und lebenslustige Stadt Sarajevo damals war; während wir Jüngeren uns ja immer nur an den Krieg erinnern und an den politischen Streit der letzten Jahre. Damals fasste ich den Entschluss, ein Lied über meine Heimatstadt zu schreiben, ein Lied, das auch die positiven Seiten von Sarajevo zeigt. Ich glaube, wir dürfen die Geschichtsschreibung nicht nur den Konservativen und den Nationalisten überlassen. Es reicht nicht zu sagen: Wir schauen nach vorne, sondern wir müssen auch über unsere Vergangenheit neu nachdenken."
"Eines Tages saß ich beim Essen mit ein paar Freunden, die schon etwas älter sind, so um die 60. Sie erzählten mir Geschichten aus den 60er- und 70er-Jahren, was für ein glückliche und lebenslustige Stadt Sarajevo damals war; während wir Jüngeren uns ja immer nur an den Krieg erinnern und an den politischen Streit der letzten Jahre. Damals fasste ich den Entschluss, ein Lied über meine Heimatstadt zu schreiben, ein Lied, das auch die positiven Seiten von Sarajevo zeigt. Ich glaube, wir dürfen die Geschichtsschreibung nicht nur den Konservativen und den Nationalisten überlassen. Es reicht nicht zu sagen: Wir schauen nach vorne, sondern wir müssen auch über unsere Vergangenheit neu nachdenken."
Eine große Aufgabe
Mit seiner Musik hat Damir Imamovic es in seiner Heimat nicht immer einfach, denn der politische Diskurs in Bosnien wird von Hardlinern dominiert. Von serbischen Nationalisten, die ihren Traum eines ethnisch gesäuberten Großserbien noch immer nicht ausgeträumt haben, von radikalisierten Moslems, die auf Rache für ihre Toten im Balkankrieg sinnen. Diese Gräben zu überwinden und auf den Trümmern der Vergangenheit einen neuen, funktionierenden Staat zu errichten, ist eine große Aufgabe: Eine Aufgabe, die wohl noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Damir Imamovic würde daran gerne mitarbeiten – mit seiner Musik und seinen Texten. Und er geht mit gutem Beispiel voran: In seiner Begleitband Sevdah Takht spielen seit Jahren Serben, Kroaten und Bosnier Seite an Seite.
"Wir hatten genug Nationalstolz, auf allen Seiten! Ich glaube, wir müssen wieder lernen, uns als Teil von etwas Größeren zu verstehen, als Teil der menschlichen Gemeinschaft. Wenn wir irgendwann in diesem Land wieder friedlich zusammenleben wollen, dann darf es keine Rolle mehr spielen, zu welcher Religion jemand gehört oder zu welcher Ethnie. Wir müssen uns andere Zugehörigkeiten suchen – und die Kultur könnte dabei eine wichtige Rolle spielen."