Prostitution abschaffen – ja oder nein?
Prominente Frauenrechtlerinnen wollen Prostitution verbieten, die große Koalition plant eine Verschärfung der Gesetze. Ist das sinnvoll? Darüber sprechen wir mit der Journalistin Chantal Louis und der Bordell-Besitzerin Felicitas Schirow.
Seit dem 1. Januar 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr, wie zuvor, sittenwidrig. Sie wird durch ein Gesetz geregelt. Aber ist sie damit auch ein Job wie jeder andere? Nein, sagt die Frauenrechtlerin und Journalistin Alice Schwarzer; in ihrem neuen Buch „Prostitution – ein deutscher Skandal“ und einem bundesweiten Appell fordert sie, die Prostitution abzuschaffen – und hat damit erneut eine gesellschaftliche Diskussion angestoßen. Parallel dazu plant auch die große Koalition, das Prostitutionsgesetz aus der rot-grünen Ära zu verschärfen.
Prostitution abschaffen – ja oder nein?
„Indem wir die Prostitution 2002 zum normalen Beruf gemacht haben, haben wir einen riesigen Prostitutionsmarkt geschaffen“, sagt Chantal Louis, „Emma“-Redakteurin und Ko-Autorin des Buchs. „Auf diesem Markt arbeiten zu 80 bis 90 Prozent Armuts- und Zwangsprostituierte aus Osteuropa. Gleichzeitig haben wir der Polizei sehr viele Möglichkeiten genommen, gegen Zuhälterei und Menschenhandel vorzugehen, einzugreifen, so dass die Polizei uns sagt, 95 Prozent der Frauen schaffen nicht freiwillig an.“
Diesem „Sklavenhandel“ könne nur durch ein Verbot Einhalt geboten werden.Dadurch, dass Prostitution nicht mehr sittenwidrig sei, werde aber auch ein fatales gesellschaftliches Signal gesetzt: “Wir suggerieren Männern seit elf Jahren, dass es das Normalste der Welt ist, dass sie eine Frau zum Sex benutzen können. Dass sie sie bezahlen können, dass sie das zu einem Preis machen können, wo sie dann so viele Frauen haben können, wie sie wollen. Wir haben Werbung für Prostitution: Wir haben in Köln ein Großbordell mit Namen ‚Pascha‘; jedes dritte Taxi fährt mit einem Logo dieses Bordells durch die Gegend!“
Deutschland sei zu einem „Paradies für Freier und Zuhälter“ geworden.
„Das Prostitutionsgesetz ist – wenn es angewendet würde – die beste Waffe gegen Zwangsprostitution“, widerspricht Felicitas Schirow.Die ehemalige Prostituierte betreibt das Bordell „Café Pssst!“ in Berlin und engagiert sich in dem „Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen“. Sie wurde bundesweit bekannt, weil sie sich vor Gericht gegen die Schließung ihres Hauses wehrte – und gewann. Zum ersten Mal entschieden deutsche Richter, dass ein Bordell legal geführt werden kann. Das Urteil gilt als Basis für das Prostitutionsgesetz von 2002.
Gemeinsam mit anderen Prostituierten wehrt sich Felicitas Schirow gegen die in dem Buch und dem Appell verbreiteten Vorwürfe. „Sex gegen Geld zu verbieten, ist nicht möglich, man kann auch das Fremdgehen nicht verbieten. Die Prostituierten müssen gestärkt werden, das Umfeld, in dem sie arbeiten, und man darf auf keinen Fall Zwangsprostitution und die Frauen, die hier in Deutschland legal ihrer Arbeit nachgehen, vermischen.“
Zwangsprostitution sei bereits verboten, das Problem seien die unterschiedlichen Polizeigesetze der Länder, sie müssten vereinheitlicht werden.
„In Deutschland muss sich niemand prostituieren, es gibt Sicherheiten, Hartz IV. Das Wort Zwang ist auch dehnbar; Frau Schwarzer rechnet auch alle Frauen dazu, die sich aus wirtschaftlichen Gründen prostituieren. Aber ist das gleich Zwang? Das Prostitutionsgesetz ist für die offiziell und freiwillig arbeitenden Prostituierten gedacht. Wir haben Frauen, die sich ein besseres Leben finanzieren wollen, viele machen es für ihre Kinder; sie sind alleinstehend und bekommen keinen Unterhalt.“
Sie warnt vor einem Verbot: „Je mehr man die Situation der Frauen verbessert, die es legal tun und Steuern zahlen, umso besser und transparenter wird es in den Flatrate-Bordellen. In dem Moment, in dem man unsere Arbeit kriminalisiert, die Prostitution ins kriminelle Milieu drängt, die Frauen auch wieder versteckt arbeiten müssen, findet man auch nicht mehr die Zwangsprostitution.“
Prostitution abschaffen – ja oder nein?
Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Chantal Louis und Felicitas Schirow. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de.
Informationen im Internet
Über die „EMMA“-Kampagne: http://www.emma.de/unterzeichnen-der-appell-gegen-prostitution-311923
Über den Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen
Literaturhinweis:
Alice Schwarzer (HG.) „Prostitution – ein deutscher Skandal“, Kiepenheuer und Witsch, 2013
Audios:
Radiofeuilleton - Im Gespräch (1. Stunde)
Radiofeuilleton - Im Gespräch (2. Stunde)