Sexismus

#MeToo - Was muss sich ändern?

Eine Hand auf der "#MeToo" und "#Balancetonporc" ("Schwärz' dein Schwein an")
Eine Hand auf der "#MeToo" und "#Balancetonporc" © AFP / Bertrand Guay
Moderation: Klaus Pokatzky |
Sexismus sei ein strukturelles Problem der Gesellschaft, meint die Soziologin und Genderforscherin Paula-Irene Villa. Das Problem seien nicht einzelne "Sex-Monster", die sich an Frauen vergreifen. Der Schriftsteller Ralf Bönt betont indes, dass auch Männer Sexismus als Opfer erfahren.
Sie werden begrapscht, müssen sich anzügliche Bemerkungen anhören, werden bedrängt oder gar vergewaltigt: Immer mehr Frauen weltweit schildern unter dem Hashtag #MeToo ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt. Vier Jahre nach der Kampagne #Aufschrei debattieren wir damit erneut über Grenzüberschreitungen, Sex und Macht. Auch Männer brechen ihr Schweigen, sei es unter dem Hashtag #ItWasMe, wo sie zugeben, dass sie Frauen belästigt haben – oder, weil sie selbst Opfer geworden sind.

Was können wir gegen Sexismus tun?
Was muss sich ändern im Verhältnis zwischen Frauen und Männern?
Und wie können wir verhindern, dass die Debatte in einem "moralischen Totalitarismus" gipfelt, wie die Schriftstellerin Thea Dorn in unserem Programm warnte?

Über diese und andere Fragen diskutiert Klaus Pokatzky mit Paula-Irene Villa und Ralf Bönt.

Paula-Irene Villa

Soziologin Paula-Irene Villa
Soziologin Paula-Irene Villa© privat
"Wir müssen lernen anzuerkennen, dass es kein individuelles psychisches Einzelversagen oder Problem einzelner so genannter Sex-Monster oder Triebtäter ist, von Frauen, die das Falsche anhaben – oder von Männern, die sich falsch benehmen", sagt Paula-Irene Villa, Professorin für Soziologie und Gender Studies an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
"Wir haben hier auch ein strukturelles Problem, was in unserer Gesellschaft da ist – und das hat sehr viel mit Machtausübung zu tun. Also, dass Sexualität, Anmache, Übergriffe benutzt werden, um Machthierarchien auch mal zu zementieren und deutlich zu machen."
Es dürfe nicht mehr nur darum gehen, Frauen schon im Mädchenalter darauf vorzubereiten, dass sie potentielle Opfer werden könnten und sie sich entsprechend vorbeugend zu verhalten haben.

"Jetzt geht es doch darum, die Männer, die potentielle Täter sind, statistisch gesehen und tatsächlich, dass die auch Problembewusstsein entwickeln, dass es auch mit ihrem eigenen Verhalten zu tun hat: also 'change the boys' und nicht mehr nur 'protect the women'."

Ralf Bönt

Der Schriftsteller Ralf Bönt
Der Schriftsteller Ralf Bönt© dpa / picture alliance
"Wer nur Frauen als Opfer von Sexismus sieht, macht es sich zu leicht. Auch Männer sind davon betroffen", sagt Ralf Bönt. Der Schriftsteller setzt sich in seinen Büchern auch mit der Männerrolle auseinander, den Traditionen und Klischees. Aufsehen erregte sein Buch "Das entehrte Geschlecht".
Darin fordert er unter anderem eine neue Geschlechterdebatte. Die jetzige Kampagne könne dafür eine Chance sein: "Eigentlich handeln wir alles das, was die Geschlechter angeht, komplett neu aus. Und wir sind jetzt genau an so einem Umschlagpunkt, wo so gut wie alles auf den Tisch darf."
Ralf Bönt hat selbst Übergriffe von Männern und auch von Frauen erlebt und im Zuge der "MeToo"-Debatte darüber geschrieben. "Und was mich daran auch brennend interessiert, ist, dass genau das jetzt passiert, dass die normalen Schemata: Frauen werden belästigt oder berührt in einem Maße, das nicht mehr okay ist, aufgebrochen werden – dass jetzt hier auch Männer reden. Ich glaube, wir sehen den Beginn eines vollkommen in sich zusammenstürzenden Geschlechtermodells."

#MeToo – Was muss sich ändern?

Darüber diskutiert Klaus Pokatzky am 18.11.17 von
9 Uhr 05 bis 11 Uhr
mit Paula-Irene Villa und Ralf Bönt.

Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.

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