Wie Werbung die Spaltung der Gesellschaft ausnutzt
07:09 Minuten
Der politische Kulturkampf ist in der Werbung angekommen: Besonders laut ist der Streit um Safthersteller True Fruits wegen provozierender Anspielungen in seinen Kampagnen. Auch andere Hersteller versuchen, von Debattenthemen zu profitieren.
Das ist "Unser Quotenschwarzer" – so will vermutlich kein Mensch bezeichnet werden, aber ist es okay, so ein bestimmtes Getränk in einer schwarzen Flasche zu bewerben? Der deutsche Safthersteller True Fruits hat das getan – und sich so schon mehrfach den Vorwurf eingehandelt, eine rassistische und sexistische Sprache zu nutzen. Die Kritik an dieser Wortwahl ist laut und zeigt, dass sich der politische Kulturkampf auch in der Werbebranche spiegelt, wie Andre Zantow beobachtet hat:
Aufgepasst: Es folgt Werbung für Chia-Samen-Smoothies:
"Oralverzehr – Schneller kommst Du nicht zum Samengenuss."
"Bei Samenstau – schütteln!"
"Besamt und befruchtet."
"Oralverzehr – Schneller kommst Du nicht zum Samengenuss."
"Bei Samenstau – schütteln!"
"Besamt und befruchtet."
Mit diesen Sprüchen bewirbt der Smoothie-Hersteller True Fruits 2016 seine Säfte. Es hagelt Kritik für die Firma aus Bonn. Einige Plakate müssen abgehängt werden. 2017 die nächste Kontroverse. True Fruits startet eine Kampagne im Nachbarland Österreich und bewirbt eine schwarze Saftflaschen mit diesen Worten:
"Unser Quotenschwarzer"
"Schafft es selten über die Grenze."
"Noch mehr Flaschen aus dem Ausland"
"Unser Quotenschwarzer"
"Schafft es selten über die Grenze."
"Noch mehr Flaschen aus dem Ausland"
Nach den tausendfachen kritischen Kommentaren im Internet nahm True Fruits diese schwarze Flasche aus dem Sortiment mit den Worten: "Uns gehen die ständigen Fehlinterpretationen auf die Nerven."
Im Sommer 2019 wieder Aufregung: Die Bonner Firma bewirbt ihr Getränk "Sun Creamie" mit dem Bild einer Frau, die auf ihrer nackten Schulter einen aufgemalten ejakulierenden Penis trägt.
Kampagne gegen diskriminierende True-Fruits-Werbung
"Der Auftrag sollte wohl Sonnenmilch sein", erläutert Christian Berger. "Ist natürlich sehr doppeldeutig. Es könnte auch Sperma selbst sein. True Fruits spielt ganz bewusst mit solchen Doppeldeutigkeiten. In Folge der Kommentare und des Umgangs mit diesem Fall habe ich mich entschieden, aktiv zu werden, in die True-Diskriminierungs-Kampagne, die schon länger initiiert war, einzusteigen."
Christian Berger ist Wiener und engagiert sich für die Gleichstellung von Frauen. Seit Sommer ist er Teil der sogenannten True-Diskriminierungs-Kampagne, die sich gegen die Werbung von True Fruits richtet.
"Wenn True Fruits versucht bei Rechten oder Personen, die der 'Political Correctness' sehr kritisch gegenüber stehen, sich ein gutes Standing zu verschaffen, die als potentielle Kundinnen zu gewinnen, dann wollen sie einerseits wirtschaftlichen Erfolg haben", sagt Christian Berger. "Zum anderen geht es auch um kulturelle Deutungsmacht und True Fruits macht hier ganz klar Angebote und steht für einen gesellschaftlichen Backlash. In dem Fall Sexismus, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit."
Die Kampagne gegen True Fruits hat laut der Plattform Change.org rund 60.000 Unterstützer. Darunter auch die Buchautorin und Moderatorin Charlotte Roche. Das Ziel ist es, möglichst viele Handelspartner davon zu überzeugen, dass sie die Fruchtsäfte von True Fruits aus ihrem Sortiment nehmen.
"Ein Erfolg der True-Diskriminierungs-Kampagne ist", sagt Christian Berger, "dass diverse Unternehmen schon ausgelistet haben. Darunter das Schweizer Unternehmen Globus, viele kleine Unternehmen, das Studienwerk Stuttgart, und die großen Handelsketten: In Österreich sind das Biller, Merkur, Metro, in Deutschland vor allem REWE, haben sich mehr oder weniger klar gegen solche Werbestrategien positioniert und auch Gespräche mit True Fruits gesucht, und klargestellt, dass sie das künftig nicht mehr akzeptieren werden."
Getränkehersteller sieht "Fanatiker" am Werk
True Fruits wollte sich auf Anfrage von Deutschlandfunk Kultur nicht neu äußern. Im August hatte die Firma ein Statement auf Facebook veröffentlicht:
"Die Fanatiker, die uns angreifen, greifen nicht bloß uns an. Sie streben die Diktatur darüber an, welcher Humor, welche Meinung erlaubt ist und welche nicht. Und genau das ist das Problem. Diese Radikalapostel glauben, sie besäßen die alleinige Wahrheit und gehen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen anders Denkende und Handelnde vor."
"Also ich finde die Erklärung 'Humor' viel zu leicht", sagt Matthias Richel, "und ich finde auch, dass der Humor- oder Satire-Begriff viel zu oft benutzt wird, um Dinge zu verklausulieren, die es eigentlich gar nicht sind. In Wirklichkeit ist es einfach reine Provokation und die ist auch noch nicht mal besonders lustig."
Matthias Richel hat selbst viele Werbekampagnen gestaltet – derzeit ist er Geschäftsführer der Kommunikations-Agentur "Richel, Stauss".
"Gleichzeitig muss man natürlich sagen, dass es ein Umfeld gibt, ein Konsumentenumfeld, das sich davon angesprochen fühlt", sagt Matthias Richel. "Nämlich sehr viele Menschen, die ganz eindeutig – unabhängig von der politischen Positionierung – sich überfordert fühlen mit diesen Zeiten und diesem ganzen Wandel, mit den Anforderungen. Man soll sich klimagerecht verhalten, gendergerechte Sprache verwenden, und so weiter."
Unternehmen greifen politische Debatten auf
Stimmungen in Teilen der Gesellschaft greifen auch Firmen für ihre Werbung auf. So hat die Zigaretten-Marke West künstlich Plakate aufgehängt mit dem Spruch: "Grillen mit Gemüse? Ich dachte wir sind Freunde."
Vegetarier sind also keine Freunde mehr, so lässt sich die Botschaft verstehen. Andersherum geht es aber auch: Kürzlich erntete die Rasierermarke Gillette einen Empörungsturm aus dem rechten Lager, nachdem sie einen Werbespot veröffentlichte, der toxische Männlichkeit, #MeToo, Sexismus und Gleichberechtigung thematisierte.
Auch dem Sportartikelhersteller Nike schrieben zahlreiche Nutzer, sie würden ihre Schuhe verbrennen, weil Nike für eine Kampagne den ausgemusterten US-Football-Star Colin Kaepernick engagierte, der beim Abspielen der US-Hymne aus Protest gegen die Diskriminierung von Schwarzen lieber kniete, statt zu stehen.
Werbung positioniert sich also zunehmend auch politisch, Unternehmen mischen sich ein – greifen politische Debatten auf – aus gesellschaftlicher Überzeugung oder um die ein oder andere Zielgruppe zu erreichen.
Als Konsument findet Werber Matthias Richel: "Für mich ganz persönlich ist jede Werbung, die mit Sexismus spielt, die auf Unterdrückung von Frauen geht und nicht augenzwinkernd mit Geschlechterrollen umgeht, finde ich absolut unangebracht und schädlich. Ich finde schon, dass da jede Beschwerde richtig ist. Wie man es anders machen kann, zeigt Astra – das Bier aus Hamburg – seit Jahren. Die schießen auch mal übers Ziel hinaus, trotzdem machen die immer noch so lustige oder augenzwinkernde Kampagnen, wo man Klischees aufgreift, wo man gesellschaftliche Werte und Wandel aufgreift und die trotzdem übersetzt in eine Markensprache, die jeder versteht und jeder sich damit identifizieren kann."