#Hello. It’s me, your friend.
I am the woman behind the decks, the one you invite to conduct the show. I am the person of colour in the first row.I am the artist liaison, the LGBQT sound engineer, the migrant girl behind the bar. I don’t ask much from you. I don’t often complain. I love music and the long nights and when I put my dancing shoes on, I’m doing it #ForTheMusic and nothing more.
aus dem offenen Brief der Seite metoo-music.com an alle Clubszene-Beteiligten
MeToo in der Clubszene
06:31 Minuten
Auch in der DJ- und Techno-Szene kommt sexueller Missbrauch vor. Davon berichten Betroffene auf Plattformen wie "I am a DJ". Die Kampagne #FortheMusic will für das Thema sensibilisieren.
Mit einem unschuldigen "Hallo, ich bin’s, deine Freund*in", stellen sich DJ, Tänzerin, Begleitung, Technikerin und Barfrau vor. Sie seien wegen der Musik im Club – für nichts anderes!
Lobreden für einen Vergewaltiger geben den Anstoß
Mit diesen Worten beginnt ein offener Brief an alle, die sich als Teil der Clubszene sehen. Es ist ein offener Brief, der auf der Seite metoo-music.com unterzeichnet und geteilt werden kann. Diese Internetseite gehört zu der Kampagne #ForTheMusic und wurde vor einem halben Jahr von der britischen Künstlerin DJ Rebekah ins Leben gerufen.
"Ich habe mit #ForTheMusic angefangen, nachdem ich die ganzen Lobreden auf den verstorbenen Erick Morillo mitbekommen habe und das, obwohl er wegen Vergewaltigung angeklagt war und vor Gericht musste. Niemand hat sich für sein Opfer interessiert."
"Ich habe mit #ForTheMusic angefangen, nachdem ich die ganzen Lobreden auf den verstorbenen Erick Morillo mitbekommen habe und das, obwohl er wegen Vergewaltigung angeklagt war und vor Gericht musste. Niemand hat sich für sein Opfer interessiert."
Sexismus ist ständiger Begleiter
Rebekah Teasdale, heute Anfang 40, fühlt sich gleich an ihre Anfangszeit als DJ erinnert. Sexismus und Übergriffigkeit gehören Ende der Neunziger zu ihrem Künstlerinnenalltag. Ihre erste Erfahrung macht sie, als sie in einem Plattenladen nach einem Job fragt.
Rebekah: "He was just like 'huh, you can give me blowjob'."
Dieses unangenehme Gefühl, das sie bei der übergriffigen Antwort spürt, wird sie noch öfter erleben, denn Rebekah arbeitet, als sie Anfang zwanzig ist, als Erotikmodel. Männer aus der Szene empfinden das als Freifahrtschein, ihr ungefragt zu nahe zu kommen. Im Gespräch sagt sie, sie habe genug sexuelle Belästigung bis hin zu Vergewaltigung in ihrem Leben erleben müssen.
Traumatisches wird vom Bewusstein abgespalten
DJ Rebekah möchte mit der Kampagne #ForTheMusic den Opfern von Sexismus und den Überlebenden von sexualisierter Gewalt eine Stimme geben. Diese wird oft aus Scham unterdrückt oder das Erlebnis wird gänzlich verdrängt, wie die Psychotherapeutin Hannah Wilde erklärt:
"Bei sehr gewaltvollen, traumatischen Erlebnissen kommt es zu Dissoziationen bei den Opfern, dass heißt, dass die Erinnerungen aus dem Bewusstsein abgespalten werden. Durch bestimmte Trigger, z. B. der Anklage des Täters durch ein anderes Opfer oder auch, dass durch eine Therapie ein Sicherheitsgefühl entsteht, das vorher nicht da war, können die abgespaltenen Inhalte wieder in die Erinnerung und das Bewusstsein der Person gelangen. Das sind Prozesse, die nicht willentlich steuerbar sind."
Popularität schützt Täter
Frauen und anderen marginalisierten Menschen, die Opfer eines Übergriffes geworden sind, wird oft nicht geglaubt. Besonders dann nicht, wenn der Täter eine vergötterte Figur ist.
"Jemand, der Techno miterfunden hat, würde doch so etwas nie tun, die Frau war doch Groupie", tönt es dann gern aus den Kommentarspalten, sobald das sogenannte "Outcalling", also das öffentliche Anprangern des Täters passiert.
Die Clubszene ist ein sogenannter "Boys' Club". Männer betreiben überwiegend Clubs, sind Booker und die Künstler. Flinta, also Frauen, Lesben, intergeschlechtliche Menschen, Nicht-Binäre, Transpersonen und Menschen, die das Konzept von Geschlecht ablehnen, sind in der Unterzahl.
Das schreibt eine der Macherinnen von "I am a DJ", eine Instagram-Seite, die durch Erfahrungsberichte auf den Sexismus und Misogynie in der Branche aufmerksam macht. Sie möchte anonym bleiben.
"Ich verstehe, dass viele meiner Kolleginnen den Mund nicht aufmachen, denn meist hat es nur negative Konsequenzen für uns. Mit dieser Seite wollte ich allen die Chance geben, ihre Erfahrungen zu teilen und sich zu vernetzen, ohne dass sie sofort von den Männern unserer Szene gecancelt werden und befürchten müssen, nicht mehr auflegen zu können.
"Ich verstehe, dass viele meiner Kolleginnen den Mund nicht aufmachen, denn meist hat es nur negative Konsequenzen für uns. Mit dieser Seite wollte ich allen die Chance geben, ihre Erfahrungen zu teilen und sich zu vernetzen, ohne dass sie sofort von den Männern unserer Szene gecancelt werden und befürchten müssen, nicht mehr auflegen zu können.
Außerdem sollten Männer diesen Account mitlesen. Sie werden hier viel entdecken, was sich die meisten noch nicht trauen, unanonym auszusprechen. Und vielleicht bisschen mehr hinhören, als es dann an einer DJ, einer Flinta, festzumachen. Diese vermeintlich individuellen Geschichten sind nämlich ein strukturelles Problem."
Männer kommen ungefragt in die DJ-Kanzel und drehen an den Reglern
Bei "I am a DJ" liest man von Männern, die ungefragt in die DJ-Kanzel kommen und an den Reglern drehen, während die DJ spielt. Ja, es heißt DJ auch für Frauen, denn DJ ist eine Abkürzung von Disc Jockey. Eine Disc Jane gibt es nicht. Unter anderem dieses Wissen vermittelt die Plattform.
Zurück zu DJ Rebekah und ihrer Kampagne #ForTheMusic. Die Künstlerin sei jetzt stabil genug, mental und auch karrieretechnisch, dass sie sich einsetzen könne. #ForTheMusic ist eine der ersten Kampagnen dieser Art international.
Es gibt aber durchaus noch weitere Kollektive, die gerade öffentlichkeitswirksam gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt engagieren. "My Body is not your Porn" zum Beispiel.
Keine Toleranz für Sexismus und sexuelle Übergriffe
Wenn es nach der Pandemie wieder losgeht, wie soll die Szene dann sein – das fragt sich DJ Rebekah. Sie fordert eine "Zero Tolerance"-Politik von Clubs und Festivals. Keine Toleranz für Sexismus und sexuelle Übergriffe. Auffällig gewordene DJs dürfen nicht weiter glorifiziert werden. Auch für die Clubszene gilt, wie in allen anderen Bereichen, meint Rebekah:
"Anstatt die Überlebenden auszuschließen oder nicht mehr zu buchen, lasst uns lieber zeigen, dass die Täter eben nicht unantastbar sind und ihre Taten Konsequenzen haben. Das ist wichtig."