Guter Porno, schlechter Porno
10:43 Minuten
Pornhub hat nach massivem Druck Millionen Videos gelöscht, etwa von Vergewaltigungen. Eine gute Entwicklung, findet die Amerikanistin Madita Oeming. Doch über die Plattform und Pornografie wird ihrer Meinung nach in problematischer Weise diskutiert.
3,5 Milliarden Besuche verzeichnet Pornhub pro Monat – mehr also als Netflix oder Amazon. Auf der Plattform gibt es Pornografie aller möglichen Spielarten, zum Teil kostenlos, zum Teil gegen Bezahlung. Unter den pornografischen Inhalten ließen sich bisher allerdings zahlreiche problematische Aufnahmen finden: Clips, in denen Minderjährige Sex haben, mitgefilmte Vergewaltigungen und Videos von nicht-einvernehmlichem Sex.
In den USA werfen Kritikerinnen und Kritiker Pornhub in diesem Zusammenhang "Trafficking", also Menschenhandel vor - so auch in einem Artikel in der New York Times Anfang Dezember, der hohe Wellen schlug und dazu führte, dass die großen Kreditkartenunternehmen ihre Zusammenarbeit mit der Plattform aufkündigten. Und auch die Plattform selbst hat nun auf die Vorwürfe reagiert und am Wochenende Millionen Videos gelöscht.
"Krieg gegen Pornografie"
Der Pornhub-Artikel der New York Times sei gleichzeitig "ein Meisterwerk und Gruselwerk des journalistischen Framings", kritisiert die Amerikanistin und Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming von der Universität Paderborn. Sie forscht seit Jahren zu Pornografie und hat sich über den einflussreichen Text sowie die darauf folgende Berichterstattung geärgert.
Sie wolle weder Pornhub verteidigen noch die Probleme der Plattform relativieren, betont Oeming. Sie kritisiert aber, dass der Autor des Artikels einen "sehr voyeuristischen Umgang mit den Traumata" betroffener Personen habe, der an "Trauma-Porn" grenze. Der Autor stilisiere sich zu einem augenöffnenden Investigativjournalisten, obwohl Sexarbeiterinnen seit mindestens einem Jahrzehnt auf diese Probleme aufmerksam gemacht hätten. "Dieser Text reiht sich ein in eine größere Bewegung, die man wirklich als den Krieg gegen Pornografie bezeichnen kann in den USA."
Oemig macht außerdem auf die Perspektive der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter aufmerksam, die in der medialen Berichterstattung ihrer Meinung nach bisher zu kurz gekommen ist. Als die Bezahldienste ankündigten, dass sie nicht mehr mit Pornhub zusammenarbeiten würden, hätten Darstellerinnen und Darsteller große Angst bekommen, da sie ihren Lebensunterhalt auch mit Bezahlinhalten auf der Plattform bestreiten.
"Ein ganz großes Problem von Pornhub als Konzept ist, dass dort von Anfang an geklaute Inhalte gezeigt wurden." Für die Pornoindustrie bestehe also ein Copyright-Problem, das aber "überhaupt nicht ernst genommen wurde, weil Pornografie einfach nicht ernst genommen wird."
Pornografie bewusst nutzen
In der Debatte über Pornografie beobachtet sie ein "Schwarz-weiß-Denken". Pornhub sei nicht gleich Pornografie, sondern das Unternehmen habe eine nahezu Monopolstellung in der Industrie. Man müsse Pornhub kritisieren und abgrenzen von anderen, wesentlich ethischeren Formen von Pornokonsum und -produktion. Diese Formen dürfe man nicht unsichtbar machen, so Oeming:
"Indem wir den Ansatz wählen zu sagen: Bezahlt für eure Pornografie. Geht auf Seiten, die transparenter sind. Setzt euch mit diesen Menschen auseinander. Hört ihnen zu. Das sind die Schritte, die ich mir ganz doll wünschen würde, um auch einfach dieses Stigma abzubauen."
Wer bereit sei, Geld in Bioprodukte zu investieren und nicht bei Primark Kleidung einkaufe, solle genauso über seinen Konsum von Pornografie nachdenken, sagt Oeming. Das Stigma um Pornografie führe dazu, dass in dem Medium viele Praktiken möglich seien, die in anderen Branchen gar nicht mehr denkbar seien.
(jfr)