Sexualisierte Gewalt

Wie Kinder schützen und Täter überführen?

93:43 Minuten
Illustration eines Kindes, was sich mit einer Taschenlampe den Weg aus dem Dunkel bahnt
Etwa 40 Kinder werden täglich in Deutschland missbraucht, pro Schulklasse sind es ein bis zwei, die regelmäßig sexuelle Übergriffe erleben; etwa zwei Drittel davon sind Mädchen. © Getty Images / fStop / Malte Mueller
Moderation: Vladimir Balzer |
Audio herunterladen
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder ist traurige Realität. Sie passiert in der Familie, im Sportverein, in der Kirche. Statistisch gesehen sitzt in jeder Schulklasse ein betroffenes Kind. Wie können wir sie schützen und Täter überführen?
Die aktuellen Missbrauchsfälle im deutschen Schwimmsport sind ein weiterer trauriger Höhepunkt im Bereich der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Allein im letzten Jahr wurden mehr als 17.000 Fälle polizeilich erfasst. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bis zu eine Million Kinder und Jugendliche betroffen sind. Etwa 40 Kinder werden täglich in Deutschland missbraucht, pro Schulklasse sind es ein bis zwei, die regelmäßig sexuelle Übergriffe erleben; etwa zwei Drittel davon sind Mädchen.

Missbrauch passiert überall

„Was führt dazu, dass Kinder nicht sprechen, und was verhindert Hilfe?“, diese Frage bewegt Tanja von Bodelschwingh. Die Sozialpädagogin ist Vorstandsmitglied von N.I.N.A.. Die Abkürzung steht für Nationale Infoline, Netzwerk und Anlaufstelle zu sexualisierter Gewalt an Mädchen und Jungen.
Ihre Erfahrung: Missbrauch passiere überall, im Sport, in der Schule, der Kirche, am häufigsten jedoch in der Familie. Je enger das Verhältnis von Opfer und Täter, desto schwieriger sei es für die Betroffenen, sich anderen anzuvertrauen. Auch das machten sich die Täter zunutze. „Kinder haben auch unfassbar große Angst, dass dann alles auseinanderknallt, wenn sie es sagen.“
Umso wichtiger sei, sich Hilfe zu suchen, als Opfer, aber auch, wenn Familienmitglieder oder andere die Vermutung haben, ein Kind könne betroffen sein. Zum Beispiel bei dem kostenlosen und anonymen bundesweiten Hilfe-Telefon und der Online-Beratung, die ebenfalls von N.I.N.A angeboten werden. „Anrufen hilft, es ist ein erster Schritt, ein erstes 'Sich trauen'. Und alleine das macht alle weiteren Schritte oft sehr viel leichter“, so die Beraterin.

Informationen zum Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch: 0800 22 55 530 - Bundesweit, kostenfrei und anonym  

„Schweigen nützt ausschließlich den Täterinnen und Tätern“

„Alle müssen sich im Klaren sein, dass es zu jedem Zeitpunkt, an jedem Ort, in jedem Sportverein vorkommt und auch vorkommen kann“, sagt Angela Marquardt zu den aktuellen Missbrauchsfällen. Die ehemalige Politikerin ist Mitglied des Betroffenenrates beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. „Wir müssen in jeden Verein gucken. Ich weiß, wie schwierig das ist, der Sport wird durch das Ehrenamt abgesichert. Aber das Ehrenamt kann kein Grund sein, dass man nicht über Schutzkonzepte, über Aufarbeitung, über die Möglichkeit spricht, wie man damit umgeht.“
Angela Marquardt weiß, was Opfer durchmachen; sie wurde selbst als Kind jahrelang von ihrem Stiefvater missbraucht. Auch sie brauchte lange, um über diese Erfahrungen zu sprechen. „Wir müssen einfach sensibilisiert werden, dieses Thema auch auf der Tagesordnung zu haben und es nicht einfach zu beschweigen. Umso höher ist das Entdeckungspotenzial von Täterinnen und Tätern.“
Ihr Appell: „Schweigen nützt ausschließlich den Täterinnen und Tätern und niemals den Betroffenen.“

Sexualisierte Gewalt - Wie Kinder schützen und Täter überführen? 
Darüber diskutiert Vladimir Balzer am 27. August mit der Beraterin Tanja von Bodelschwingh und mit Angela Marquardt vom Betroffenenrat, live von 9.05 bis 11 Uhr. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de

(sus)
Mehr zum Thema