Missbrauchsskandal in Wermelskirchen

Bundesweite Ermittlungen gegen einen Täterring

05:30 Minuten
Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, beantwortet die Fragen von Journalisten zum Missbrauchskomplex Wermelskirchen.
Fordert mehr Kompetenzen für die Polizei: NRW-Innenminister Herbert Reul auf der Pressekonferenz zum Missbrauchsskandal in Wermelskirchen. © picture alliance / dpa / Federico Gambarini
von Felicitas Boeselager |
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Wermelskirchen: ein weiterer Ortsname, der für einen Fall von schwerer sexualisierter Gewalt steht. Betroffen sind nicht nur Kleinkinder, sondern auch Babys. Und wie schon in Lügde und Bergisch-Gladbach steht ein ganzer Täter-Komplex hinter den Verbrechen.

Wer ist der Hauptverdächtige?

Am Vormittag hat die Polizei in Köln Einzelheiten zu einem neuen Fall sexualisierter Gewalt bekanntgegeben. Im Zentrum der Ermittlungen steht ein 44-jähriger Mann aus Wermelskirchen. Dieser scheint bislang ein unauffälliger und freundlich wirkender Mensch gewesen zu sein. Das berichten seine Nachbarn aus Wermelskirchen. Er hat als Angestellter gearbeitet und war nicht vorbestraft. Zusammen mit seiner Frau lebt der kinderlose Mann in einem Einfamilienhaus. Im vergangenen Dezember wurde er festgenommen. Bei der Hausdurchsuchung wurden über 30 Terabyte Daten gesichert. Diese zeigten, dass er offenbar ein Schlüssel-Tatverdächtiger in dem neuen Missbrauchskomplex ist.

Was ist der Vorwurf?

Dem Mann wird vorgeworfen, im Zeitraum von 2005 bis 2018 zwölf Kinder – zehn Jungen und zwei Mädchen – schwer sexuell missbraucht zu haben. Die Hälfte soll unter drei Jahre alt gewesen sein. Die Polizei schließt dabei nicht aus, dass auch mehr als zwölf Kinder betroffen sein könnten. Und sie sagt, dass sie noch ganz am Anfang der Ermittlungen steht.
Die Kinder kamen offenbar aus seinem näheren Umfeld. Zusätzlich soll er sich auch über Internetplattformen wie zum Beispiel Ebay Kleinanzeigen* als Babysitter angeboten und die Taten dann in den Räumen der Familien begangen haben. Bei manchen dieser Familien soll er mehrere Jahre als Babysitter gearbeitet und die Taten zum Teil auch gefilmt haben.

Wie wurde der mutmaßliche Täter enttarnt?

Die Enthüllung des Missbrauchkomplexes begann mit Ermittlungen gegen einen mutmaßlichen Täter in Berlin. Bei diesem sind die Behörden auf Chats gestoßen, die sie dann an die Kollegen in Nordrhein-Westfalen weitergeleitet haben. Und dort hat man dann im Dezember mit einem Sondereinsatzkommando das Haus gestürmt – nicht, weil man davon ausging, dass Gefahr in Verzug war, sondern weil man den Mann am angeschalteten Rechner erwischen wollte, damit er keine Chance hatte, Daten zu verschlüsseln oder zu löschen.
Genau das ist der Polizei offenbar gelungen. Bei der Auswertung der Daten ist sie auf Listen mit anderen mutmaßlichen Tätern gestoßen. Denn der Tatverdächtige aus Wermelskirchen hat akribisch protokolliert, mit wem er Kontakt hatte. Und da fanden sich dann Namen, Adressen und auch Vorlieben von anderen mutmaßlichen Tätern. 

Wie groß ist der Komplex?

Seit Dezember wurden 73 Verfahren in 14 Bundesländern eingeleitet. Alle Verdächtigen sind Männer, und in der Pressekonferenz hieß es, dass man es hier mit einer bislang ungekannten Form von Gewaltausübung zu tun habe. Der Kölner Kriminalhauptkommissar Jürgen Haase hat gesagt, dass ihn die Bilder ihn bis ins Mark erschüttert hätten. Diese Erschütterung war auf der Pressekonferenz förmlich greifbar.

Warum schon wieder Nordrhein-Westfalen?

Dass ausgerechnet Nordrhein-Westfalen wieder im Mittelpunkt bei sexueller Gewalt steht, hat mehrere Gründe. Einerseits natürlich, weil es das bevölkerungsreichste Bundesland ist. Und seit Lügde wurden die Ermittlerteams vervierfacht: Wo genauer hingesehen wird, da wird dann auch mehr aufgedeckt. Das ist auch ein Verdienst des hiesigen Innenministers Herbert Reul.
Dieser hat jetzt gefordert, mehr Kompetenzen für die Ermittler zu schaffen. Er sagt, dass Datenschutz zum Teil die Ermittlungen erschwere. Ermittler beobachteten mutmaßliche Täter, kämen aber nicht an die Adressen der Verdächtigen.
(*) Wir haben zunächst eine Fehlinformation der Polizei wiedergegeben und diese nun korrigiert. Die entsprechenden Kontakte kamen nicht über den Online-Marktplatz eBay, sondern über die Kleinanzeigen-Plattform eBay Kleinanzeigen zustande. Dies hat mittlerweile die Polizei Köln richtiggestellt.
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