Schwere Vorwürfe gegen Dieter Wedel
Drei Schauspielerinnen werfen dem Regisseur Dieter Wedel im "ZEITmagazin" sexuelle Gewalt vor. Der bestreitet die Vorwürfe vehement. "ZEITmagazin"-Chef Christoph Amend über schwere Vorwürfe, Recherchen und eidesstattliche Versicherungen.
Dieter Kassel: Der Regisseur Dieter Wedel hat sich auch schon öffentlich zur #MeToo-Debatte geäußert, also zu der Diskussion über sexuellen Missbrauch auch im Showbusiness, aber woanders natürlich auch, auch ganz persönlich, er hat nämlich erzählt, er hätte so etwas selber auch erlebt, also als Opfer am Anfang seiner Karriere, vor allen Dingen am Theater, sei er oft für homosexuell gehalten worden und entsprechenden Annäherungsversuchen ausgesetzt gewesen. Das hat der dann irgendwie ausgehalten.
Wenn allerdings stimmt, was heute drei Schauspielerinnen im "ZEITmagazin" behaupten, dann ist das und einiges andere, was er gesagt hat, möglicherweise doch relativ zynisch, denn diese drei Frauen werfen nun ihrerseits Dieter Wedel vor, von ihm sexuellen Angriffen und sexuellen Missbrauch ausgesetzt gewesen zu sein. Wedel – das muss man schon an dieser Stelle sagen – bestreitet das ausdrücklich. Wir wollen über diesen Fall jetzt mit dem Chefredakteur des "ZEITmagazins" Christoph Amend reden. Schönen guten Morgen, Herr Amend!
Christoph Amend: Guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Ich würde das zunächst noch mal ein bisschen genauer erklären, sexueller Missbrauch ist ein weiter Begriff: Was werfen diese drei Frauen in Ihrem Magazin Wedel denn heute vor?
Amend: Die Vorwürfe der sexuellen Nötigung sind natürlich sehr breit gestreut und sind auch sehr unterschiedlich. Also wir haben ja mit drei Frauen gesprochen, von denen zwei auch mit Namen und auch jeweils mit einer eidesstattlichen Versicherung aussagen, was ihnen passiert ist, und der Auslöser war tatsächlich, wie Sie das schon gesagt haben, dieses Interview, das Herr Wedel vor einigen Wochen gegeben hat, und eine der Frauen, eine ehemalige Schauspielerin, eben Jany Tempel, hat daraufhin beschlossen, mit uns zu sprechen, weil sie gesagt hat, sie möchte jetzt ihre Geschichte erzählen.
Treffen in einem Münchner Hotel
Und die Geschichte, die sie uns erzählt hat, beschreiben wir im aktuellen "ZEITmagazin". Das ist also ein Treffen in einem Hotel in München, was eigentlich für sie als damalige Schauspielerin nicht ungewöhnlich angefangen hat, und dann erzählt sie uns, dass sie natürlich davon ausgegangen ist, dass bei einem Vorsprechen in einem Hotelzimmer auch noch Produzenten oder ein Assistent des Regisseurs anwesend sein würde, und dann hat sie an der Zimmertür geklopft, und Dieter Wedel habe im Bademantel vor ihr gestanden und habe sie dann ins Zimmer gebeten und hat dann auch verhindert, dass sie das Zimmer wieder verlassen konnte und hat, so schildert das Jany Tempel, sie zurück auf das Sofa gedrückt, und sie wollte dann zur Tür und Wedel habe sie aber dann daran gehindert, das Zimmer zu verlassen und hat sie dann in aller Brutalität, so schildert sie das, in aller Wucht, sexuell genötigt.
Kassel: Jany Tempels Geschichte haben Sie erzählt, es gibt da noch eine zweite Schauspielerin, die auch ihren Namen nennt im heutigen "ZEITmagazin", Patricia Thielemann, eine Dritte, die anonym bleiben möchte – ich gehe einfach mal davon aus, bei journalistischer Sorgfalt, Sie kennen aber auch deren Identität. Sie haben aber auch schon vor der Veröffentlichung des Textes heute gewusst, dass Wedel das bestreitet. Er hat eine eidesstattliche Erklärung abgegeben und droht dem "Zeit"-Verlag mit einer Millionenklage. Warum haben Sie sich entschlossen, das alles trotzdem so ausführlich zu veröffentlichen?
Amend: Wir schildern im aktuellen "ZEITmagazin" ausführlich beide Seiten. Wir haben mit den drei Frauen gesprochen, die, wie wir schon gesagt haben, an Eides statt versichert haben, zwei davon, dass die Aussagen, die sie uns geschildert haben, stimmen, und wir schildern aber auch die Gegenseite, wir schildern natürlich auch, dass Dieter Wedel die Vorwürfe bestreitet.
Wedel wollte nicht über die Vorwürfe sprechen
Unsere beiden Autorinnen, Jana Simon und Annabel Wahba, haben, als sie ihre Recherchen abgeschlossen hatten, versucht, Dieter Wedel zu treffen, um mit ihm darüber zu sprechen, und ein persönliches Treffen hat er aber abgelehnt und hat dann später über seinen Anwalt sehr ausführlich Stellung genommen. Wir schildern natürlich beide Seiten.
Wir haben allerdings bei unseren Recherchen in der Filmbranche nicht nur mit den drei Frauen gesprochen, sondern haben auch mit ehemaligen Mitarbeitern von Dieter Wedel gesprochen, also einem Kameramann, einem Aufnahmeleiter, auch einer Casterin, die mit ihm gearbeitet haben, und auch eine Schauspielagentin, und zum Beispiel seine langjährige Casterin erzählt bei uns im "ZEITmagazin" natürlich einerseits, dass die Mädchen, so sagt sie das, ihr das nie erzählt haben, dass da so etwas passiert sei. Andererseits sagt sie auch: Ich wusste, dass er ab und zu Schauspielerinnen mit auf das Hotelzimmer nimmt. Und dass sie alle jungen Darstellerinnen stets davor gewarnt habe, mit einem Regisseur auf ein Hotelzimmer zu gehen, denn sie habe die Gerüchte um Wedels sexuelle Annäherungsversuche gekannt.
Gerüchte um sexuelle Annäherungsversuche
Kassel: Herr Amend, ich möchte das Gespräch nicht zu Ende gehen lassen, ohne das zu zitieren aus diesem Artikel – wobei das wiederum selbst auch schon ein Zitat ist –, was – ich formuliere es mal vorsichtig – für mich das Schockierendste wäre, wenn die Vorwürfe wahr sind. Das ist ein Ausschnitt aus einem Interview, das Dieter Wedel dem hessischen Privatsender "Hitradio FFH" am 22. November des vergangenen Jahres gegeben hat, und da hat er wörtlich gesagt: "Schauspielerinnen sind unter einem großen Druck. Sie können die Julia nicht mit 30 spielen, sie müssen sie mit 25 spielen, und plötzlich ist da einer, und der kann ihnen die Julia geben, aber sie müssen ein bisschen lieb sein. Furchtbar, widerlich, schrecklich." Fällt Ihnen zu diesem Zitat, wenn wir uns mal vorstellen, die Vorwürfe wären wahr, die jetzt erhoben werden, noch irgendwas ein?
Amend: Jany Tempel, die Schauspielerin, deren Fall wir ja gerade besprochen haben, hat, als sie diese Meldung gelesen hat, nur gedacht: Wie absurd.
Kassel: Christoph Amend, der Chefredakteur des "ZEITmagazins" über schwere Vorwürfe, die drei Schauspielerinnen und, wie wir aber gehört haben, indirekt auch noch andere, gegen den Regisseur Dieter Wedel erheben, und – das müssen wir beide noch mal auch sicherheitshalber und auch der Fairness halber sagen – die Dieter Wedel allerdings konsequent bestreitet, er hat dazu auch schon eine eidesstattliche Erklärung abgegeben. Herr Amend, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Amend: Vielen Dank, Herr Kassel!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.