Seyran Ateş über muslimische Männer

Was bringt das Patriarchat zum Bröckeln?

Ein muslimischer Junge sitzt am beim Gebet zum muslimischen Opferfest in Sarajevo zwischen den betenden Gläubigen.
Vielleicht schafft es die nächste Generation, sich von den Rollenklischees muslimischer Männer in der arabischen Welt zu lösen? © dpa / AP / Amel Emric
Moderation: Anke Schaefer |
Eine Studie hat sich mit dem Selbstbild muslimischer Männer beschäftigt - wie sie selbst zum Opfer des Patriarchats werden. Um diese Strukturen aufzubrechen, müssen auch die Frauen zu einem neuen Selbstbild finden, sagt die Anwältin Seyran Ateş.
Die britische Wissenschaftsjournalistin Shereen El Feki hat in vier arabischen Ländern (Libanon, Ägypten, Marokko und Palästina) rund 10.000 Männer und Frauen danach befragt, wie muslimische Männer "ticken" und wie sie sich selbst wahrnehmen.
Herausgekommen ist, dass die Männer in all diesen Ländern unter einem enormen, vor allem wirtschaftlichen Druck stehen – und nicht nur Profiteure, sondern auch Opfer des Patriarchats sind.

Sie müssen ein bestimmtes Männerbild erfüllen

Unser Studiogast Seyran Ateş, Anwältin und Frauenrechtlerin, die selbst Bücher über Männer und Frauen im Islam geschrieben hat, sagt:
"Es ist so, dass gar nicht darüber geredet wird, dass auch Männer unter diesen patriarchalen Strukturen leiden, wenn sie ein bestimmtes Männerbild erfüllen müssen und eine bestimmte Rolle. Natürlich ist die wirtschaftliche Stabilität ein wichtiger Aspekt für ihre Männlichkeit. Sie müssen ihre Familien ernähren können, Familienvater sein können, damit das Patriarchat funktioniert."
Die Rechtsanwältin Seyran Ates
Zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur: Rechtsanwältin Seyran Ates © picture-alliance / dpa / Soeren Stache
Gibt es Wege heraus aus diesen starren Strukturen? Die Studie ergab, dass muslimische Männer begeisterte Väter sind – über 80 Prozent von ihnen befürworten eine bezahlte Elternzeit. Im Libanon wurde jetzt eine Elternzeit für Väter eingeführt – nur drei Tage zwar, aber, so Ates, das könnte ein Anfang sein für mehr.

Für viele ist Mutterschaft die einzige Frauenkarriere

Dem gegenüber stehen aber Äußerungen muslimischer Männer, die davon überzeugt sind, die beste Karriere für eine Frau sei das Muttersein. Insgesamt habe sich also noch immer wenig geändert, sagt Ateş.
Für die Frauenrechtlerin ist die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen ein unverzichtbarer Baustein, um das zementierte Patriarchat zum Bröckeln zu bringen. Denn: Nur so könne sich auch der Blick auf Frauen und Familie insgesamt ändern – wenn es beispielsweise ganz normal für muslimische Männer sei, bei der Familienarbeit mitzuhelfen.
Damit verbunden ist für Ateş auch die Einstellung zu häuslicher Gewalt. Die Anwältin empfindet es als problematisch, dass viele muslimische Frauen häusliche Gewalt als Bestrafung akzeptierten – "weil sie etwas falsch gemacht haben". Genau diese Vorstellung – dass sie diejenigen seien, die sich falsch oder schlecht verhielten – versuche sie den Frauen, die zum anwaltlichen Beratungsgespräch zu ihr kämen, zu nehmen.
(mkn)

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